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BERLINER DIALOG 26, 1-4 2002 - Epiphanias 2003

 

Die Sektierer wollen uns nur helfen ...
Die "Familie" ("Kinder Gottes") als humanitäre Helfer in Sibirien
Von Dmitri Kokoulin unter Mithilfe von Alexander Nowopaschin

Am 4. Oktober 2001 wurde in der Zeitung "Abendliches Nowosibirsk"  die Information darüber veröffentlicht, daß humanitäre Hilfe im Werte von 120 Millionen Rubel ab 1992 aus verschiedenen Ländern der Welt ins Gebiet eingelaufen war. Die Lebensmittel und Medikamente wurden unter den alleinstehenden Rentnern, Invaliden, kinderreichen Familien verteilt und liefen auch in die vorschulischen Kindereinrichtungen, Organisationen des Gesundheitswesens ein.
Außerdem, wurde in der Notiz eine "nicht kommerzielle Organisation Project Aid Siberia" erwähnt, die uns noch ein paar Tonnen von Lebensmitteln nach dem bestätigten Plan in nächster Zukunft zu schicken beabsichtigte.

Wer ist wer?
Wie die Gründer von  Project Aid Siberia sich selbst vorstellen, wurde die Organisation als eine nicht kommerzielle Institution im Jahre 1992 gegründet, dazu berufen, sich mit dem Vertrieb humanitärer Lebensmittelhilfe unter den Armen zu beschäftigen.
(im Internet: www.projtctaidsiberia.org/russian/press/ambvis.html )
Der Leitbetrieb von PAS ist im Nowosibirsker Akademgorodok gelegen. Im Vergleich zum Jahre 1996 erweiterte die Organisation bedeutend das Gebiet der Verteilung humanitärer Hilfe in Sibirien. Unter den Empfänger-Regionen sind die Gebiete Omsk, Tomsk, Nowosibirsk, Regionen Altai und Krasnojarsk, Republiken Altai und Jakutien.
Die Lebensmittel wurden PAS vom Landwirtschaftsministerium der Vereinigten Staaten unentgeltlich überlassen. Unter den Grundadressaten humanitärer Hilfe sind Krankhäuser, Kinderheime, Altersheime, Einrichtungen der Sozialfürsorge.
Und all das wäre passabel, wenn kein "ABER"  wäre: der Organisator und Generaldirektor von  Project Aid Siberia ist nämlich Frau Wera (Faith) Fischer. Das Problem liegt darin, daß ernsthafte Bedenken um diesen Namen kürzlich entstanden sind.
Es handelt sich darum, daß die pseudobiblische Sekte "Familie" (früher: "Kinder Gottes") von 1990 bis 2000 auf dem Territorium von Rußland aktiv funktionierte, die der bekannte führende Experte auf dem Gebiet der Sektenkunde in Rußland und Vizepräsident des Dialog Center International, Professor Alexander Dworkin in seinem Werk "Sektenkunde (totalitäre Sekten)" als eine höchst amoralische, verdorbene, pseudoevangelische, okkulte, ja sogar pornozentrische apokalyptische Sekte bezeichnete.   
Die russischen Zeitungen schrieben, daß die Tochter des Gründers der Sekte David Brandt Berg, der sich als der letzte Prophet Moses (oder einfach Mo) ausrief, seit ein paar Jahren in Rußland lebe. Sie leitet jetzt die Sekte "Familie" in Sibirien. Sie heißt Faith Fischer.

Information zum überlegen
David Berg gründete die "Kinder Gottes" in den 60-er Jahren, als die "Hippie-Bewegung" begann. Aus der "Hippie-Bewegung" entstand die Sekte, als die ruhelose Jugend wie Motten zum Licht flogen. Die Jugendlichen verschwanden aus der Familie, gaben ihr ganzes Vermögen, wenn möglich auch das der Eltern in die Sekte hin. Damals begann man in den USA über "Gehirnwäsche" in Sekten zum ersten Male zu sprechen.
Bald wurde Berg durch die örtliche Bevölkerung des Rayons von San Francisco verwiesen, später kam es zu Unannehmlichkeiten bei ihm "auf höherem Niveau", deshalb mußte er das Land verlassen. Er bekam Schwierigkeiten mit Polizei und Staatsanwaltschaft auch in England, und dann begannen die Behörden anderer europäischer Länder, sich für seine Tätigkeit zu interessieren. In seinen letzten Lebensjahren (er starb im Jahre 1994) suchte Interpol nach dem Oberhaupt der "Familie".
Der Prophet Mo forderte seine Mitglieder dazu auf, ihre Männer und Frauen mit ihm und miteinander zu teilen. Die Frauen sollten dem "Flirty Fishing", der Ritualprostitution nachgehen, um möglichst viele Männer zu verführen, mit dem Ziel, sie in die Sekte zu werben.
Mose David sprach davon, daß Mädchen dazu willens sein müßten, sich vergewaltigen zu lassen und sich ohne Murren einem Mann hinzugeben. Er schrieb, daß die Männer Zuhälter ihrer Frauen sein müssen, daß der Mann der beste Zuhälter ist, und daß "Gott der größte Zuhälter ist, weil er seine Kirche verwendet, um Seelen und Herzen zu fangen und sie zu ihm heranzuziehen".
Berg behauptete, daß sexuelle Aktivitäten vom frühestem Alter an von Nutzen seien. In der Sekte gab es Instruktionen für die Kinder und Halbwüchsigen, wie sie leben sollen, insbesondere in sexueller Hinsicht. Es wurde den Kindern und Halbwüchsigen angeboten, im Namen Christi zu masturbieren, weil sie auf diese Weise die Liebe des Gottes zu sich erfahren könnten. Und Mütter, Mitglieder der Sekte, wurden mit Handbüchern zum Konkubinat mit ihren eigenen Kindern angeleitet, reich illustriert mit ganz abscheulichen Photos...

Der "Familie" gefiel es in Akademgorodok gut
Seiner Zeit berichteten viele ausländische Medien über diese Sekte. Zum Beispiel urteilte das Oberste Gericht von Großbritannien im November 1995, "die Christliche Mission Familie praktizierte die Massenschändung der Minderjährigen im Laufe von fast 20 Jahren". Über sexuelle Gewalt an den Kindern und auch über den Zwang für die Mitglieder, der "rituellen Prostitution" nachzugehen, berichteten Zeitungen in Argentinien, Frankreich, Australien. Die Baseler Zeitung schrieb im Januar 1995, "bunte Illustrierte mit Halbwüchsigen in unzweideutigen Posen und religiöse Schriften bilden die einzige Erbschaft der Sekte".
In Rußland erschien die Sekte im Jahre 1990. Die Sektierer stellten sich als Mitglieder der christlichen Mission "Familie" vor. 
"Mitleid ist für uns nicht einfach ein Ideal. Wenn die wahre Liebe im Herzen des Menschen lebt, so können wir an jenem nicht vorübergehen, der seine Hilfe braucht" schrieben die Mitglieder der Sekte in ihren Flugblättern. Sie beteiligten sich an internationalen humanitären Programmen und schufen damit für sich das Image der "Wohltäter".

Aussteiger
Aber Ende der 90-er Jahre sickerten Informationen durch über die "Familie" von Mitgliedern der Sekte, die aus der Sache auszusteigen  beschlossen.
Im Februar 2000 schrieb die Zeitung "Version" (Beilage zur Zeitung "Streng Geheim") über die "Familie" und nach vier Monaten, im Juni 2000, schrieb "Komsomolskaja Prawda" darüber. Sie meldete, daß die Tochter von Berg "sich im Nowosibirsker Akademgorodok niederließ, Wohnungen oft wechselt" und alle Regeln der Konspiration einhalte. Als dann auch noch von der sexuellen Tätigkeit der Sekte berichtet wurde, gingen die sibirischen Jünger von Berg in die Illegalität.

Beweise?
Ist Vera Fischer, die Gründerin der "nicht kommerziellen Organisation  Project Aid Siberia" und Vera Fischer, die Tochter und Anhängerin des Propheten Mo, der auf Sex versessen war, wirklich dieselbe Person?...
Ja, es ist so, bestätigt das korrespondierende Mitglied der Petrowsker Akademie für Wissenschaften und Künste, der Leiter des Informations- und Beratungs-Zentrums für Probleme des Sektierertums am Hl. Alexander-Newski-Dom in Nowosibirsk, Erzpriester Alexander Novopaschin und bot eine Gelegenheit, die internen Unterlagen der Sekte kennenzulernen.
Nur das Aushängeschild der Organisation, aber nicht ihr Charakter hat sich verändert. Project Aid Siberia  ist eine sogenannte Frontorganisation, mit der die Sektierer die kompromittierte "Familie" bemänteln.
Im Laufe ihrer Existenz änderte diese Sekte ihre Benennung mehrmals: "Kinder Gottes", "Ministerium für Liebe", "Familie" und andere Namen mehr.
Ebenso, zum Beispiel, wie die Mun-Bewegung ihre Bezeichnungen immer wieder änderte. "Heilig-Spiritische Gemeinschaft für die Vereinigung der Weltchristenheit", "Assoziation der Frauen für Weltfrieden", "Die Weltorganisation von Professoren" usw.
Und auch in diesem Fall haben wir mit der Organisation  Project Aid Siberia  zu tun, die als Deckmantel der Sekte "Familie" dient. 

Aussagen der Augenzeugen
Den Worten von Alexander Nowvopashin zufolge, wandten sich ehemalige Anhänger der Sekte, und auch Eltern der Kinder, die die Sekte verschlang, mehrmals an ihn. Sie erzählten ihm, was in der "Familie" geschieht.
"Wir sind Christen, sagte man mir in der Sekte", erzählt das ehemalige Mitglied der "Familie" Julija. 
"Christus gebot, sich zu lieben, sich gegeneinander zu helfen, Gutes zu tun". Man gab uns Schrifttum "für Anfänger" zu lesen, in dem ich nichts Schlimmes sah. Aber einmal kam ich ins Zimmer einer Familie mit dem hohen Niveau der Mitgliedschaft in der Sekte und sah das Buch ‚MO-Briefe'  auf Englisch auf dem Tisch. Die Sprache begriff ich schlecht, aber die schmutzigen pornographischen Abbildungen sprachen für sich selbst. Ich war schockiert, und die Frau, als sie es gesehen hatte, sagte zu dem Mann: Warum verwirrst du das Schäfchen?... Zu uns nach Akademgorodok kamen Jugendgruppen aus Amerika, hauptsächlich Mädels, die die Lehre von Berg im Einklang mit seinen Geboten 'predigten'.
Natalja Iwanowna, die zwei Jahre mit der Sekte "Familie" zusammengearbeitet hatte, schrieb in einen Brief an die orthodoxe Zeitschrift "Einsicht" sogar: "Mein Sohn mit seiner Familie (sie haben zwei Kinder) lebt und arbeitet schon vier Jahre mit der 'Familie'. Ich beunruhigte mich vor einem Jahr. Ich sah Falschheit in seinem Benehmen, Unaufrichtigkeit, Geheimnisvolles... Der Sohn läuft, hastet ständig... Und dann bekam ich das Schrifttum, in dem jede Art und Weise beschrieben ist, nach der sie sich in ihrer Tätigkeit richten (dieses Schrifttum ist streng für Dienstgebrauch  D. K.) und erstarrte! Deshalb solche Entfremdung! Sie schreiben: 'Unsere Religion'; die ganz neue Religion! Wir, die revolutionäre Armee Gottes! Die Neue Kirche des Gottes; die großartige, junge, sexuelle Braut Christi, die vor Aufregung, vor seiner energischen Liebe zittert! Für Christen gibt es Ehebruch nicht mehr! Wir gehen die unbändigen Heldentaten des fanatischen Zeugens und die absoluten Orgien der Gottesliebe ein"

Brauchen wir solche Hilfe?
Schon möglich, wir brauchen humanitäre Projekte der Hilfe, die in unserem Land verwirklicht werden, sagt Alexander Nowopaschin.
Aber , im Ernst, brauchen wir wirklich solche Hilfe?
Die Medien haben über eine noch nie dagewesene reiche Ernte 2001 berichtet. Und zur selben Zeit liefert das Ausland uns Ladenhüter, Lebensmittel bei weitem nicht der ersten Sorte, alte Sachen...
Aber viel schlimmer sind doch solche Verstrickungen!: Die Leitung einer Organisation, durch die humanitäre Hilfe in unser Land kommt, darf nicht in den Händen einer so kompromittierten, in vielen Ländern der Welt verbotenen Sekte liegen!
Ich hoffe, es gibt in unserem Land ein Prinzip der Prüfung dieser oder jener Organisationen, und auch der Menschen, die solche Dienste der Region anbieten.
Schließlich kann die Zusammenarbeit mit solch kompromittierten "humanitären Missionen" den guten Namen jeder beliebigen kooperierenden Organisation und auch der lokalen Behörden in Mißkredit bringen.


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