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BERLINER DIALOG 18-19, 3/4-1999 - Epiphanias 2000

STANDPUNKTE

Gegen eine Apokalyptik ohne Hoffnung
Von der Technik zur Technologie - Eine Herausforderung auch an die Kirche
von Roger K. Busch

Das Unbehagen an der Gegenwart mit ihrem raschen technischen und sozialen Wandel bei gleichzeitigem Verlust des naiven Fortschrittsglaubens führt zu einer besonders kritischen Sicht der Technik, auch in den Kirchen.

Es ist fast schon ein Allgemeinplatz: Innerhalb der Kirche - und damit meine ich im folgenden sowohl die Amts-Institution, als auch die vielen engagierten Christen innerhalb der Institution; man verzeihe mir die vereinnahmende Rede, scheint sich eine Aura prinzipieller Technik-Kritik breitgemacht zu haben. Von der Gentechnik bis zur Kernenergie - von den neuen Techniken erwartet man gemeinhin offenkundig nicht viel Gutes. Damit nimmt die offizielle kirchliche Artikulation (in Denkschriften und synodalen Beschlüssen) und die kirchliche Diskussion (in Arbeitskreisen, Gemeindeveranstaltungen und sogar Gottesdiensten) auf, was in Teilen der Bevölkerung gedacht wird.
Die Irritation über das Neue, das mit neuen Techniken auf uns zukommt, ist tiefgreifend.
Wird das Neue zum Besseren führen? Oder werden immer mehr zu Verlierern des Fortschritts und des Fortschreitens einiger? Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo zwischen diesen Polen. Die Frage ist nur, in welcher Weise die Kirchen dazu beitragen, Menschen in die Lage zu versetzen, das Neue, aber auch das vermeintlich schon Gewohnte, angemessen zu bewerten und Schritte zu entwickeln, die zu einem konsensualen Gestalten fuhren.
Die Ausgangsbasis ist nicht eben günstig. Für die Theologie und viele Theologen dürfte gelten, daß sie sich als Verlierer in einem kulturpolitischen Verteilungskampf empfinden, der schon Ende des vorigen Jahrhunderts begann.
Die Techniker und Ökonomen haben stets Neues zu vermelden, machen sich auf in unbearbeitete Felder, gestalten tiefgreifend - und vor allem sichtbar.

Schnurstracks aufs Abstellgleis
Und die Theologen? Sie haben doch nur das ewig Alte; gewiß: das ist das eigentlich Wichtige, die Botschaft von der befreienden Gnade Gottes.
Aber wer will diese Botschaft heute schon hören? Und mit dieser depressiven, zuweilen trotzigen, gegenüber der Nachfrage nach einer zielführenden Mitgestaltung sich selbstimmunisierenden Haltung be-gibt sich so manche Pfarrerin und so mancher Pfarrer oder kirchliche Mitarbeiter schnurstracks auf das Abstellgleis der öffentlichen Diskussion, bedient die wohlfeilen Vorbehalte der säkularisierten Öffentlichkeit gegenüber einer Kirche, von der man ja eh schon im voraus meint zu wissen, was sie zu sagen hat - ein prinzipielles Nein - und was sie setzen will: eherne, aber überholte Grenzen.
Hier gilt es, einen Lernprozeß zu forcieren! Die Kirchen müssen lernen, sich in gebotener Intensität mit der Technik auseinanderzusetzen. Dazu gehört, daß sie in einem strukturierten Vorgehen verstehen lernen, wie die Menschen denken, die sich der Entwicklung der Technik verschrieben haben. Es gilt zu verstehen, welches ihre konkreten Intentionen sind und wie sie die Vision von einem gemeinsamen guten Leben beschreiben. Und umgekehrt müssen engagierte Christen ihrerseits den Technikern vermitteln, welches ihre christlichen Motivationen, Intentionen und Visionen sind. In solchen ehrlichen und offenen Dialogen entsteht Vertrauen und vermutlich nur dort.

Verhängnisvolles Lebensgefühl
Es wäre verhängnisvoll, wenn sich innerhalb der Kirche ein Lebensgefühl verbreiten würde, das zwar verbal die Freiheit des Individuums behauptet und das gnädige Geleit Gottes beschwört, tatsächlich aber mit der Erwartung des menschengemachten Endes der Geschichte schon auf Du ist. Apokalyptik ohne Hoffnung - eine solche Weltanschauung und Lebenshaltung ist unangemessen für christliche Existenz. Sie ist dies in zweifacher Hinsicht: Zum einen dürfen wir die Überzeugung, daß Gott uns auch in unserer Zeit gnädig begleitet, stärkt und durch seinen Geist zu verantwortlichem Handeln bewegt, nicht fahren lassen. Zum andern sollten wir ernst nehmen, daß es auch in den gesellschaftlichen Subsystemen Technik und Wirtschaft eine Vielzahl von Menschen gibt, die sich christlichem Ethos verpflichtet wissen und bereit sind, in offenen Diskursen an der Suche nach dem erreichbar Besten der Gesellschaft mitzuwirken. Technik wird dort, wo sie nach den gesellschaftlichen Wirkungen fragt, zur Technologie im wohlverstandenen Sinne.

Suche nach fairen Partnern
Die Abschätzung der Folgen eingesetzter Techniken - von der Gentechnik bis zur Computertechnik - kann dabei nicht allein innerhalb der Rationalität von Ökonomie und Technik verhandelt werden, sondern muß in einen wesentlich breiteren Kontext gestellt werden. Das haben sehr viele der Gestalter schon lange erkannt und sind auf der Suche nach fairen und offenen Gesprächspartnern - auch in der Kirche.

Kirchenrat Dr. Roger J. Busch
ist Geschäftsführer des Ethik-Instituts Technik, Theologie, Naturwissenschaften
an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
* internet: http://www.epv.de/forum/ttn * e-mail: ttn.institut@Irz.uni-muenchen.de

Busch

Bleibt zu hoffen, daß dieses Angebot, so zaghaft es auch formuliert oder agiert sein mag, dort wahrgenommen und positiv beantwortet wird. Innerhalb der Kirche werden wir an der Weiterentwicklung unserer ethischen Bewertungskriterien arbeiten müssen. Das bedeutet nicht die Preisgabe grundlegender Überzeugungen oder gar der Botschaft von der befreienden Gnade Gottes. Aber es bedeutet, sich auf der Basis der Berufung einzulassen auf die Praxis des konkreten Berufs und diese verantwortlich zu gestalten. Diejenigen, die immer schon vorab wissen, was wahr und recht und gut ist, sind mir in diesem Zusammenhang persönlich ein Graus.


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