Neues russisches Religionsgesetz unterzeichnet

Am Freitag, 26. September 1997 hat der russische Präsident Jelzin ein neues Gesetz über die "Gewissensfreiheit und Religiöse Vereinigungen" unterzeichnet.

Eine erste, vom Parlament bereits beschlossene Fassung hatte Jelzin abgelehnt, nachdem es im Ausland zu einer Desinformationskampagne gekommen war, und verschiedene ausländische Stellen, u.a. der amerikanische Präsident Clinton und der Papst der römisch-katholischen Kirche, Johannes Paul II. sich in Briefen gegen das Gesetz gewandt hatten.

Dr. Gerd Stricker (Glaube in der 2. Welt) kommentierte den Erfolg der seltsamen Allianz: "Die meisten nicht-orthodoxen Religionsgemeinschaften haben durch die Ablehnung des Gesetzes überhaupt nichts gewonnen (das Gesetz hätte ihre Rechtsstellung gestärkt) - wirklich freuen können sich über die Ablehnung des Gesetzes nur jene undurchsichtigen Wirtschafts- Psycho- und sonstigen Sekten, die die Entpersönlichung ihrer Mitglieder zum Ziel haben und sich an ihnen schamlos bereichern: Diese Sekten können nun unter dem lockeren Religionsgesetz von 1990 in Rußland unbehelligt weiterwirken." (G2W Nr 7/8-97 S. 26) Das Büro des Präsidenten der russischen Föderation erarbeitete dann einen veränderten Entwurf, der im September erneut die weitgehende Zustimmung der beiden Kammern des russischen Parlaments fand und jetzt von Jelzin mit seiner Unterschrift in Kraft gesetzt wurde.

Das Gesetz versucht, nach der Unordnung die durch das Gesetz zur Religionsfreiheit von 1990 entstanden ist, und in der Kulte wie AUM Shinrikyo und Scientology ungehindert ihre Aktivitäten entfalten konnten, durch eine vorgeschriebene allgemeine Neuregistrierung wieder halbwegs geregelte Zustände herbeizuführen, die etwa in Übereinstimmung mit den entsprechenden Beschlüssen des Europa-Parlaments sind (vgl. S. 37).

Das Gesetz bestimmt auf Grund der vorliegenden Erfahrungen u.a., daß religiöse Organisationen geschlossen werden können, wenn sie öffentliche Ordnung und die Sicherheit des Staates gefährden, bewaffnete Gruppen bilden, Krieg propagieren oder zu soziale, rassischem oder nationalen Haß aufstacheln oder im Zusammenhang mit ihren Aktivitäten Drogen oder Hypnose verwenden. Von den religiösen Organisationen herausgebrachtes Material muß jetzt den offiziellen Namen der Gruppe tragen usw.

Desinformationskampagne gegen das Gesetz

Wenigstens drei der mit großer Bestimmtheit gegen das Gesetz vorgetragenen Punkte können eigentlich nur das Ergebnis einer Desinformationskampagne sein:

a)die Behauptung, es werde nicht eine 15-jährige Existenz der jeweiligen Gruppe, sondern eine 15-jährige Registrierung gefordert - selbstverständlich angesichts der Registrierungsbedingungen der Sowjets eine unmögliche Forderung! Eine solche Forderung enthält aber weder die erste noch die zweite (präsidentielle) Fassung des vorschnell kritisierten Gesetzes. Die bloße Existenz einer Gruppe, wie sie sich auch durch Dokumente der Verfolgung nachweisen läßt, reicht!

b)die - z.B. vom früheren EKD-Kanzlei-Präsidenten Freiherr von Campenhausen blauäugig kolportierte Schauermär, auch die Lutherische Kirche in Rußland (ELKRAS) sei durch das Gesetz betroffen. Tatsache:

"Folgende Religionsgemeinschaften waren 1982 in der Sowjetunion registriert und diese werden im Gesetz als 'tradierte' oder 'traditionelle' Religionsgemeinschaften bezeichnet: 1) Die Russisch-Orthodoxe Kirche, 2) die Georgische Orthodoxe Kirche, 3) die Armenische Apostolische Kirche, 4) die priestertreuen Altgläubigen, 5) die priesterlosen Altgläubigen, 6) die Molokanen (russische Sekte aus dem 18. Jh.), 7) Islam, 8) Buddhismus, 9) Judentum, 10) die Römisch-katholische Kirche, 11) die Evang. Luth. Kirche, 12) die Evang.-Ref. Kirche (Ungarn in der Karpatoukraine), 13) Methodisten, 14) Evangeliumschristen-Baptisten, 15) Mennoniten, 16) Adventisten, 17) Pfingstler, 18) Zeugen Jehovas. Die Auflistung zeigt, daß fast das ganze Spektrum jener christlichen Kirchen, die wir hierzulande kennen, in diesem Katalog enthalten ist." (Stricker, a. a. O. S. 28)

c)die Behauptung, alle Kirchen und Religionsgemeinschaften mit einer Ausnahme, nämlich der Russisch-Orthoxen Kirche, hätten sich neu zu registrieren. Tatsache ist: alle Religionsgemeinschaften einschließlich der ROK müssen eine Neuregistrierung durchlaufen.

Kommentar

Umso mehr muß die bis heute fortgesetzte scharfe Kampagne gegen das Gesetz verwundern. Bis hin zu einem Kommentar des früheren Präsidenten des EKD-Kirchenamtes, Otto Freiherr von Campenhausen im Rheinischen Merkur, einer Wochenzeitschrift, wurden auch in Deutschland fast alle Register gezogen. Bei allem verständlichen Einsatz für die Religionsfreiheit von religiösen Newcomern - könnte es vielleicht sein, daß man schlicht einer Desinformationskampagne der totalitären Kulte aufgesessen ist? Hat wirklich irgend jemand der Kritiker das Gesetz oder eine Übersetzung selbst gelesen? Oder hatte man sich u.U. auf Falschdarstellungen von Lobbyisten und totalitären Kulte verlassen? T.G.

Zusammenarbeit der Kulte beim Moskauer Prozeß gegen Prof. Alexander L. Dworkin und die Russisch-Orthodoxe Kirche

Von links: Frau Galina Krylova, Anwältin der Kläger, ist Mitglied der Scientology-Organisation "Citizens Commission on Human Rights International" und vertritt auch AUM Shinrikyo, Scientology, CARP und ISKCON; Saulius Dagis (Sanaka Kumar Das, Direktor des PR-Zentrums und Öffentlichkeitsbeauftragter der russischen ISKCON, Lev Levinson, Vertreter der Kläger bei Gericht und Mitglied der Scientology-Organisation "Citizens Commission on Human Rights International", Assistent von Yakunin; Sergey Zuev (Suchara Das), Vorsitzender des Leitungsgremiums der russischen ISKCON; Gleb Yakunin, Ex-Priester und ehemaliger Abgeordneter, heute Priester der ukrainischen Denissenko-Kirche und Vorsitzender des Komitees der Kläger.