Allerdings bezogen die "Freunde", wie sie sich selbst nannten, damals durchaus Gedankengut aus Quellen außerhalb ihrer eigenen Reihen, vor allem aus den Schriften der französischen Mystikerin Marie de la Mothe Gyon (1648 - 1717). Davon sprechen sie heute nicht mehr sehr gerne, obwohl sie steif und fest behaupten, ihre Lehre niemals verändert zu haben. Während des 1. Weltkrieges hatten J.O.S. und seine Anhänger in der Marine Gelegenheit, während ihrer Patrouillenfahrten längs der norwegischen Küste Mission zu betreiben, und erhielten regen Zulauf. 1922 wurde ein eigenes Lokal in Horten eingerichtet, 1928 wurden die Versammlungen nach Nesby verlegt, das um 1955 bis zu 850 Versammlungsteilnehmer beherbergte.
Zugleich mit der wachsenden Anhängerschar erhob sich bald auch Kritik, vor allem von seiten der norwegischen Staatskirche.
J.O.S. starb am 1.5.1943 und wurde unter reger Anteilnahme in Horten begraben. Von 1943 bis zu seinem Tod 1976 leitete Elias Aslaksen die "Gemeinde", sein Nachfolger Sigurd Bratlie, Schwiegersohn des Gründers, geb. 1905, übergab vor kurzem aus Altersgründen die Leitung an den Gründerenkel Kaare Smith.
In Deutschland befindet sich ein ähnliches Versammlungszentrum in Hessenhöfe bei Blaubeuren, wo auch der Verlag "Das Leben" residiert.
"Weltliche" kulturelle Werte auch hoher Qualität werden rigoros abgelehnt. Musik wird nur im Gottesdienst positiv gesehen, wobei aber der Umstand, daß Lieder aus der gemeinsamen christlichen Tradition als "Hurenlieder" verteufelt werden, als Ausweg nur die Massenproduktion von neuen, z.T. extrem kitschigen Liedern zuließ.
Auch Fernsehen, Radio und Zeitungen u. dgl. sind verboten oder zumindest verpönt, ebenso wie Spiele. Natürlich gibt es bezüglich dieser Dinge eine gewisse Bandbreite, und insbesondere führende Mitglieder haben darin weitaus mehr Freiheiten mit der Begründung, sie seien eben schon "gefestigter".
Die verheiratete Frau kann nur gerettet werden, wenn sie, einer perfektionistischen Interpretation des Schriftwortes zufolge, daß die Frau durch Kindergebären gerettet wird, ununterbrochen schwanger ist. Dabei wird keine Rücksicht auf ihren Gesundheitszustand genommen - wenn sie stirbt, schickt Gott eben eine andere ! Dies führt zu hohen Kinderzahlen - 8 bis 14 sind keine Seltenheit - und trägt damit auch wesentlich zum Anwachsen der Gemeinden bei. Allerdings werden in Ländern, in denen die Bewegung noch schwach ist, immer wieder gezielt Außenstehende geworben, offensichtlich, um die Gefahr der Inzucht zu vermeiden.
Solch selbstzerstörerischer Perfektionismus hat zwei mögliche Konsequenzen: die einen machen sich vor, sie hätten die Vollkommenheit bereits erreicht, und sind maßlos überheblich: die anderen, die ehrlich sind und sehen, daß sie diesen Ansprüchen nicht genügen können, verzweifeln oft daran. Es soll nicht verhehlt werden, daß manche dieser "Brüder" und "Schwestern" für allzu laue Christen auch Vorbilder sein könnten. Insgesamt muß man jedoch von einer argen Verfälschung der christlichen frohen Botschaft sprechen, die hier zu einer Drohbotschaft wurde. Es wird häufig über Selbsttötungen berichtet, und die Gründe, die angegeben werden, mögen Außenstehenden oft lächerlich erscheinen.
- die S.F. behaupten, keine Organisation zu haben, da jede Organisation etwas Menschliches und daher abzulehnen sei. Tatsächlich ist jedoch die Organisation sehr straff, den Leitern ist auch in den kleinsten Dingen unbedingter Gehorsam zu leisten, jedwede Kritik an der Leitung wird mit Kritik an Gott selbst gleichgesetzt. Im Buch "Die Gemeinde
- der Leib Christi" von S. Bratlie und A. Smith, 1984, wird sogar beschrieben, wie in manchen Ländern die Mission "organisiert" wurde; - die S.F. behaupten, jede lokale Gemeinde sei völlig unabhängig und nur vom Heiligen Geist geleitet. Laut den derzeit geltenden Vorschriften muß jedoch in jeder örtlichen Leitung ein von der obersten Leitung ("Brunstad") ernanntes Mitglied sitzen, und alle Beschlüsse müssen ein stimmig gefaßt werden; bei Stimmenmehrheit entscheidet die oberste Leitung.
- die S.F. behaupten, daß bei ihnen das geistliche Leben ganz im Vordergrund stehe und weltliche Dinge unwichtig seien. Eine Analyse der derzeit geltenden Vorschriften ergab jedoch, daß von 27 Paragraphen nur ein einziger auf die Bibel verweist, alle anderen handeln von Fragen des Eigentums, der Unterordnung und der Kontrolle.
- die S.F. behaupten, keine äußeren Formen und Vorschriften zu befolgen, sondern vielmehr auf die Umwandlung des inneren Menschen Wert zu legen. Tatsächlich basiert jedoch ihre angeb liche "Bibeltreue" eher auf der Befolgung äußerlicher und zeitlichkulturell bedingter Vorschriften, z.B. über die Kleidung, Frisur und Stellung der Frau oder die Anrede "Bruder" und "Schwester". Die Zusammenkünfte sind sehr stark rituell festgelegt, enthalten aber selten Formen, die von Jesus selbst stammen, wie das Gebet des Herrn oder die Feier des Abendmahles;
- die S.F. behaupten, daß ihr Denken und Trachten in erster Linie auf das "ganze" Wort Gottes hin ausgerichtet sei. Tatsächlich spielt jedoch in den Versammlungen die Bibel, das Wort Gottes, nur eine untergeordnete Rolle; sie wird als "Milch" bezeichnet, der jedoch die "feste Nahrung", d.h. die Schriften des Gründers und seiner Nachfolger, vorzuziehen sei. Aus der Bibel werden kaum ganze Abschnitte vorgetragen, wie es in den christlichen Kirchen üblich ist, sondern nur einzelne aus dem Zusammenhang gerissene Zitate in die Predigten eingestreut. Diese Zitate sind sehr willkürlich danach ausgesucht, ob sie mit der Ideologie der S.F. zusammenzupassen scheinen.
- die S.F. bezeichnen Mitglieder aller anderen christlichen Konfessionen verächtlich als "Anhänger der religiösen Parteien", ja als "Anhänger der Hure Babylon" (siehe das Buch "Die Braut und die Hure" von Sigurd Bratlie, Verlag Verborgene Schätze) und fühlen sich über sie vor allem in moralischer Hinsicht weit überlegen. Während die S.F. angeblich einen Zustand erreichen, in dem sie keine bewußte Sünde mehr begehen, werfen sie den anderen vor, sie meinten, beliebig weiter sündigen zu können, da sie ja immer wieder Verzeihung und Gnade erlangen könnten. Diese angebliche moralische Überlegenheit wird durch Berichte ehemaliger Mitglieder relativiert. Für problematisch halte ich schließlich auch den Hochmut, den sie bei der Be- und Verurteilung anderer Menschen an den Tag legen und mit dem sie ständig andere zu belehren versuchen.
- die S.F. behaupten, daß die Menschen bei ihnen weitaus glücklicher seien als die "in der Welt". Tatsächlich scheint bei den S.F. auf Grund des rigoristischen Perfektionismus die Selbstmordrate hoch zu sein;
- die S.F. behaupten, friedliche Menschen zu sein. Tatsächlich wird jedoch in den Versammlungen immer wieder gegen die "anderen" gehetzt: den Gipfel stellten wohl die bei Versammlungen in Norwegen geäußerten Aufrufe dar, "Abtrünnige zu ermorden" und "alle Kirchen niederzureißen". Ebenso ist der Inhalt der meisten Lieder eindeutig aggressiv. Außerdem gibt es Machtkämpfe, Intrigen und Ver- leumdung innerhalb der "Gemeinde", die aber nach außen hin sorgfältig verborgen werden.
- die S.F. behaupten, noch nie jemand aus ihrer Gemeinschaft ausgeschlossen zu haben. Tatsächlich existieren jedoch Briefe mit dem Text: "Du bist jetzt ausgeschlossen".
- die S.F. behaupten, daß jeder, der wolle, ohne weiteres von ihnen weggehen könne. Tatsächlich sind jedoch gegen dieses Weggehen zunächst einmal starke psychische Barrieren errichtet, vor allem die Drohung, jeder, der weggehe, würde moralisch zugrunde gehen und falle mit Sicherheit der ewigen Verdammnis anheim. Dabei hilft ihnen natürlich der Umstand, daß tatsächlich viele Aussteiger infolge der Abhängigkeit innerhalb der S.F. nicht fähig sind, ein selbständiges Leben zu führen. Außerdem dürfen Anhänger ja kaum freundschaftliche Kontakte mit Außenstehenden knüpfen, und Aussteigern wird meist sofort jeder Kontakt mit ehemaligen Freunden und sogar mit Verwandten verweigert, so daß sie sozial völlig isoliert sind. Vor dieser Isolation fürchten sich die meisten und bleiben oft auch dann in der "Gemeinde", wenn sie längst nicht mehr mit deren Idealen übereinstimmen.
- die S.F. behaupten, sie würden in ihrem Ursprungsland Norwegen nicht als Sekte bezeichnet. Das ist leicht anhand von zahlreichen Dokumentationen zu widerlegen. - die S.F. behaupten, sie hätten außer dem einen Angestellten, welcher den Versammlungsort Brunstad betreut, nur eh- renamtliche Mitarbeiter. Tatsächlich aber gibt es eine ganze Reihe von Ältesten und Missionaren, die keinem anderen Beruf nachgehen und die von der "Gemeinde" unterhalten werden
Die Wurzel des Übels liegt schon in der Konzeption der Gemeinde durch J.O.S selbst:
Audun Erdal: Smiths Venner (Smiths Freunde), in Tidskrift for teologi og kirke (Zeitschrift für Theologie und Kirche), 2/1987.
Johann Velten: Minner og refleksjoner (Erinnerungen und Reflexionen), Eigenverlag des Autors, Oslo, 1992 (Die angeführte Literatur ist in deutscher Übersetzung verfügbar).