Einleitung
In der Rubrik "DIALOG UND APOLOGETIK" stellen wir zu aktuellen Themen des
religiösen Gesprächs Antworten des christlichen Glaubens vor.
Es gibt viele neue Wörter und Begriffe, die ihren Weg in die deutsche Alltagssprache finden - gleichzeitig mit der neuen Spiritualität, die heutzutage unsere Gedankenwelt prägt und sie in dem Maße umgestaltet, wie neue religiöse Bewegungen sich in unserer Kultur stärker verwurzeln. Es ist wichtig, daß wir Christen diese Begriffe kennenlernen, so daß wir sie besser verstehen. Sonst werden wir zu den Begriffen, die die Wörter vermitteln, nicht Stellung nehmen können. Die Leute, die die neuen Wörter gebrauchen, haben manchmal selbst kein besonders tiefes Verständnis für die von ihnen verbreiteten Wörter. Der Grund dafür ist unter anderem, daß die geistlichen Berater der neureligiösen Bewegungen dazu neigen, "die Worte zu verhüllen", so daß sie sich für den Außenstehenden akzeptabler anhören.
Neue religiöse Begriffe
Unter den vielen neuen Ausdrücken, die wir lernen müssen, wenn wir
überhaupt etwas von der orientalisch inspirierten Religiosität
verstehen wollen, die in Form von GuruBewegungen und Yoga-Kursen zu uns
kommt, sind die Wörter Samsara und Karma die wichtigsten. Sie sind die
Schlüssel-Begriffe zum Verständnis aller Religionen des Ostens.
Eigentlich sind diese Wörter nicht wirklich in die in Europa
gesprochenen Sprachen übersetzbar. Denn wir haben keine Begriffe
dafür in unserer geistlichen Tradition. Das ist ein wichtiger Grund
dafür, daß die "Neohindus" unter uns sie so leicht
übernehmen, und zwar in einer veränderten Weise, die der
Lebenssicht des echten Hinduismus, die diese Wörter geprägt hat,
eigentlich fremd ist. Aber natürlich begleitet diese Lebenssicht, wenn
auch verdeckt, die Wörter auch bei ihrem Einzug in unseren
Sprachgebrauch.
(Damit ist nicht gesagt, daß der echte Hinduismus nicht auch selbst "kommt". Er liegt in Rede und Schrift noch unter der Oberfläche, aber er kommt immer häufiger ans Licht.)
Saat und Ernte
Ein Beispiel, daß auch das Umgekehrte geschieht, nämlich
daß alte, bekannte Wahrheiten mit einem ganz neuen Sinn versehen
werden, ohne daß es richtig bemerkt wird, ist ein Satz des Apostels
Paulus, der immer wieder in den Büchern und Zeitschriften des Guruismus
angeführt wird, um die Lehre vom Karma zu stützen: "Was der Mensch
sät, wird er ernten" (Galater 6,7).
Ist das nicht genau das, worum es beim Karmagedanken geht? Ist das nicht ein Zeichen dafür, daß Paulus das gleiche glaubte wie die Hindus: Daß alles, was man tut, zurückkommen wird, als Glück oder Unglück, als Gesundheit oder Krankheit, je nachdem, ob man in der Vergangenheit gut oder böse gehandelt hat? Sagt Paulus hier nicht, daß ihn die Ergebnisse seiner eigenen Handlungen früher oder später unvermeidbar treffen werden?
Nein, in Wirklichkeit ist es ein völlig entgegengesetzter Gedanke, den Paulus hier ausdrückt. Der Zusammenhang zeigt, daß der Apostel damit sagen will: Du sollst dafür sorgen, daß heute gesät wird, ansonsten hast Du ja nichts zu ernten zu jener Zeit, nämlich am Jüngsten Tag (vergleiche Galater 6,9: "Laßt uns nicht müde werden, das Gute zu tun, denn wenn wir darin nicht nachlassen, werden wir ernten, sobald die Zeit dafür gekommen ist.") Die Hindus kommen aber zum entgegengesetzten Ergebnis: Du solltest besser das Säen vermeiden, sonst mußt Du später ernten. Das Beenden von allem Karma, das Aufhören von Karma, ist die Haltung, die hinter dem Yoga und dem Streben der orientalischen Meditation liegt.
Die Karmalehre
Die Lehre vom Karma (das Wort bedeutet buchstäblich
übersetzt "Handlung") besagt nämlich, daß Karma
grundsätzlich etwas Negatives ist, daß Handeln verkehrt ist.
Karma ist etwas, von dem man befreit werden muß. Einerseits ist Karma
die Ursache für die Armut des Bettlers, für die Krankheit des
Kranken und für die hoffnungslose Situation des Unterdrückten. Sie
ernten nur das, was sie in der Vergangenheit gesät haben.
Aber andererseits ist Karma auch die Ursache für den Wohlstand des Reichen, für den guten Gesundheitszustand des Gesunden und für die glückliche Lage des Unterdrückers. Es geht ihnen gut, weil sie in der Vergangenheit gut gesät haben. So bekommt jeder, was er verdient hat. In der Lehre vom Karma spielt also eine Art Schicksalsglaube eine bedeutende Rolle.
Die Karmalehre ist dazu geeignet, die Armen, Kranken und Unterdrückten dahingehend zu beeinflussen, daß sie sich mit ihrer Situation abfinden, da sie ja unvermeidlich ist. Das einzige, was ich tun kann, um mein Karma zu verändern, ist, daß ich passiv darauf warte, daß die bittere Ernte meiner Handlungen aus der Vergangenheit "erschöpft" werden wird, so daß ich neue und hoffentlich bessere Früchte durch meine gegenwärtige Lebensweise ernten kann. Die Karmalehre bestärkt den Reichen, den Gesunden und den Unterdrücker in seiner Selbstsicherheit, Zufriedenheit und Unbußfertigkeit, denn er hat ja seine gute Lage im Leben verdient. Er braucht nichts zu tun, um den anderen zu helfen. Denn das kann man sowieso nicht. Jeder liegt ja so, wie er sich selbst gebettet hat. Man kann zwar schon einmal dem Bettler auf der Straße eine Münze spenden, aber die Armut des Landes überwinden, das kann man nicht erreichen.
Heutzutage versuchen die aufgeklärteren und gut ausgebildeten Hindus, die Lehre vom Karma mit westlicher Humanität zu verknüpfen, in dem sie behaupten, daß das Karma dem Glaubenden den Grund dazu gibt, Nächstenliebe und Philanthropie zu üben. Wenn man für die anderen Gutes tut, behaupten solche modernen Hindus, wird man in Zukunft "gutes Karma" ernten. Diese Logik kennen die indischen Heiligen Schriften nicht. Nach ihrer Lebenssicht kommt das gute Karma vor allem daher, daß der Mensch vermeidet, sich zu verunreinigen, daß er z.B. unheilige Sachen, wie z.B. Fleisch, vermeidet zu essen, und daß er unheiligen Menschen, z.B. Parias, aus dem Wege geht.
Gutes Karma ist nach diesem Verständnis viel eher das Ergebnis von dem, was man vermeidet, was man also nicht tut, als von dem, was man Gutes getan hat.
Samsara: Die ewige Wanderung der Seele
Der Grund dafür, daß die Lehre vom Karma diese unmenschliche
Konsequenz hat, ist ihr enger Zusammenhang mit der Idee von Samsara, was
"das Rad des Lebens", den ewigen Kreislauf aller Schöpfungen
bezeichnet. Nacht und Tag, Sommer und Winter, Geburt und Tod wechseln in
alle Ewigkeit. Das Karma, das ich jetzt ernte, ist frühere
Menschenleben hindurch gesät worden. Der Körper, die Familie, die
Nation und die Kaste, in die hinein ich geboren wurde, sind durch meine
Handlungen in früheren Leben bestimmt worden.
Die Menschen, die wir eben jetzt um uns sehen, sind eigentlich nur Körperhüllen, von denen jeder einzelne eine uralte Seele in sich trägt. Sie hat zahllose Male in der Vergangenheit in anderen Körpern gewohnt. Jede Seele ist schon geboren worden und auch gestorben und ist millionenmal in endlosen Generationen wiedergeboren worden.
Samsara wird auch Seelenwanderung genannt, da die Lehre vor allem von der ewigen Wanderung der Menschenseele von Körper zu Körper handelt.
Diese Lehre erinnert in erster Linie an den Gespenster- und Geisterglauben, nämlich an die Vorstellung, daß die unerlösten Seelen mancher Verstorbener in ihren Gräbern keine Ruhe finden können und deshalb auf der Erde umherstreifen, ohne wirklich die letzte Ruhe finden zu können. Wir sind nach der Lehre vom Samsara tatsächlich solche ruhelosen Seelen, die unaufhörlich von Ort zu Ort und von Körper zu Körper wandern müssen.
Reinkarnation
Samsara wird auch Reinkarnation genannt (das ist lateinisch und bedeutet
"Wieder-Ein-Fleischung"), denn diese Lehre handelt davon, daß die
Seele früher in anderen Körpern gewohnt hat und daß sie in
anderen Umgebungen gelebt hat.
Mehr und mehr Deutsche stimmen der Lehre von der Reinkarnation zu, weil sie den Gedanken attraktiv finden, andere, zukünftige Inkarnationen vor sich zu haben. Auffallend schnell beginnen westliche Reinkarnationsgläubige, sich daran zu erinnern, als was sie in früheren Leben beruflich tätig waren. In der Regel etwas Bedeutendes: Alle waren Fürsten, Prinzessinnen, Indianerhäuptlinge oder ähnliches. Nur selten hört man von jemandem, der sich daran erinnern kann, daß er in einer früheren Inkarnation gewöhnlicher Bauer, Hausfrau oder Rohrleger war.
Im Großen und Ganzen betrachtet, neigen die westlichen Neohindus dazu, etwas Grundlegendes in der Reinkarnationslehre falsch zu interpretieren: Denn sie haben sie mit modernem Evolutionismus und Entwicklungsoptimismus verknüpft. Für sie bedeutet Reinkarnation die Möglichkeit, daß ihnen die Chance verliehen wird, nächstes Mal alles besser zu schaffen und vom Guten zum Besseren überzugehen. Der echte Hinduglaube hat aber das Ziel, der Reinkarnation zu entkommen. Man will sich zur endgültigen Befreiung vom Erdenleben "meditieren".
Trennung von Körper und Seele
Es wird nämlich davon ausgegangen, daß Körper und Seele zwei
Dinge sind, die voneinander getrennt werden können. Ein wichtiges
Mittel für diese Trennung ist Yoga. Der Zweck des Yoga ist eben, die
Seele vom Gefängnis des Körpers zu befreien.
Die tiefe Sehnsucht der östlichen Religionen nach Freiheit von dem "groben materiellen Leib", wird zunehmend von vielen Leuten im Westen geteilt. Darum geht es in den stets häufigeren Berichten über die Leute, die "out-of-the-bodyexperiences" ("Ausserhalb des Körpers" -Erlebnisse), die "soul-flights" (Seelenreisen) oder "Exteriorisierung" (d.h. aus sich selbst hinausgehen), oder wie auch immer es genannt wird, gehabt haben wollen.
Es handelt sich aber dabei nicht um harmlose geistige Übungen. Körper und Seele sind miteinander verbunden und sind "Reincarnation of the soul, the first fact that we need to understand on the path of spiritual enlightenment, is shown here..." Abb. aus: The Science of Self-Realisation. Bhaktivedanta Book Trust, London etc 1978 (2), Plate One. voneinander abhängig. Diese psychoexperimentellen "Erlebnisse" sind deshalb im Grunde Einübungen des Verrücktseins. Es ist zwar möglich, sich selbst das Erlebnis beizubringen, außerhalb seines eigenen Körpers gewesen zu sein, es ist aber bestimmt nicht sehr nützlich, sondern möglicherweise zerstörerisch.
Der Auferstehungsglaube
Der Reinkarnationsgedanke ist im Verhältnis zur Existenz der Menschheit
und zur Religionsgeschichte eine relativ neue Idee. Die Lehren vom Samsara
sind erst einige wenige Jahrhunderte vor Christi Geburt (in den letzten
Upanishaden) niedergeschrieben worden, im Gegensatz zum Glauben, daß
alle Menschen einmal vom Tod aufwachen sollen und vor das Gericht treten
sollen, sowie, daß hinterher eine Art Himmel oder Hölle zu
erwarten ist. Der Glaube an Auferstehung ist eigentlich ein
gemeinmenschliches Phänomen, das viel älter als der Glaube an Re-
inkarnation ist.
Das Besondere an der Lehre der Bibel über die Auferstehung ist, daß Jesus Christus der Herr über Leben und Tod ist. Durch die Einheit der Menschen und deren Gemeinschaft mit Jesus Christus erwarten die Christen die Auferstehung der Toten. Es ist die Liebe Gottes in Jesus Christus, die das Gottesreich zu uns bringt. Diese Liebe kann der Tot nie vernichten. Gewissermaßen ist diese Liebe ein Stück Himmel auf Erden. Sie hat das ewige Leben schon in sich.
Ewiges Leben als Verdammnis
Samsara ist aber auch eine Art "ewiges Leben", ist ohne Ende. Wie Menschen
zu dieser völlig umgekehrten Denkweise gelangt sind, wo ewiges Leben
gleich Verdammnis ist, ist ein Rätsel, über dessen Lösung wir
auch nur mutmaßen können. Das hoffnungslose Klima der indischen
Halbinsel mit seinen ständigen Naturkatastrophen, die nach wie vor
diesen Weltteil verwüsten, könnte Teil einer wahrscheinlichen
Erklärung sein. Außerdem ist die Geschichte Indiens ein
andauernder Bericht über Kriege, über siegreiche Heere von Norden.
Die Inder haben gute Gründe dafür, das Leben als Verdammnis zu
erleben.
Dazu kommt, daß Hinduismus nicht nur Hochkultur und Philosophie ist. Große und bedeutende Teile der Bevölkerung Indiens bestehen aus Stammesvölkern, die Schamanismus als Religion haben, eine Religionsform, die die "Aus-dem-Körper-Erlebnisse" geradezu fördert. Es gibt vieles, das darauf hindeutet, daß Elemente dieser Religion im Laufe der Zeit in die verfeinerte Sanskrit-Kultur der Oberschicht aufgenommen worden sind und dort den Grund zu Seelenwanderungsglauben und Yoga gelegt haben.
Ewiges Leben als Erlösung und Freiheit
Die Lehre von Samsara betrachtet ewiges Leben als ewige Verdammnis. Der
christliche Auferstehungsglaube sieht ewiges Leben als Erlösung und
Freiheit. Je mehr der Glaube an Samsara sich verbreitet, desto mehr
verbreitet sich Verdammnis. Notabene: Dies ist nicht das, was nur wir als
Christen behaupten! Die heiligen Schriften des Ostens sagen es selbst, und
Buddhismus und Hindureligion sind ja gerade die Versuche, sich aus der
Verdammnis Samsaras, aus diesem Teufelskreis zu befreien.
Der Unterschied besteht nun gerade darin, daß wir als Christen im Licht wandern, im Licht, das mit Jesus Christus lebendig unter uns ist. Wir wandern in Richtung auf endlose Befreiung, wo alle Dunkelheit verschwunden ist und wo Jesus Christus als "Licht von Licht, wahrer Gott von wahrem Gott" sich zuletzt Gott Vater unterstellt, damit Gott alles in allem wird.
Das ist die Vollendung des Lebens, nach der wir uns sehnen. Auf der Wanderung zum Licht Gottes wandern wir schon im Licht Christi, der zur Welt gekommen ist, um alle Menschen aufzuklären, zu erleuchten. Das ist die Antwort des christlichen Glaubens auf die Dunkelheit des Okkultismus, der uns in die Richtung des Alptraums der Reinkarnation zieht.
Wenn wir sterben, und das tun wir gewiß alle, dann werden wir als Christen uns zu Jesus Christus gesellen, der als das Licht der Welt zu uns kommt, und werden ihm direkt nach Hause zu Gott folgen. Wir lassen uns nicht in die Versuchung bringen, all die Umwege der Seelenwanderung einzuschlagen, denn wir wissen, daß sie Abwege und Irrwege sind, die nicht zum Ziel, sondern vom Ziel weg führen. Wir wählen den geraden Weg nach Hause.
Entweder - oder
Niemand sollte glauben, daß die Lehre von der Reinkarnation ein
Angebot einer neuen, positiven Lebenssicht ist; im Gegenteil ist sie ein
großes "Nein!" zur Liebe Gottes durch Jesus Christus. Es gibt
nämlich nur zwei Möglichkeiten, und die schließen einander
aus: Entweder ist die Reinkarnationslehre wahr, und jeder muß deshalb
sein eigenes Karma Leben um Leben selbst tragen, oder das christliche
Evangelium ist wahr, das uns sagt, daß Gott in Jesus Christus Mensch
wurde, damit er durch seinen Tod und seine Auferstehung jedem Menschen die
Vergebung der Sünden verleihen kann. Kein Mensch kann oder muß
seine Sünden (oder sein schlechtes Karma) selbst tragen. Alles wird von
Jesus Christus getragen. "Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, daß
er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht
verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Denn Gott hat seinen Sohn
nicht in die Welt gesandt, daß er die Welt richte, sondern daß
die Welt durch ihn gerettet werde" (Johannes 3, 16-17). ( (Übersetzt
von Birgit Halkjaer, 1994)
Prof. Dr. Johannes Aagaard, 67,
ist Missionswissenschaftler in Aarhus, Dänemark. Er ist einer der
Pioniere der Erforschung der "New Religious Movements" in Europa und
weltweit und Initiator und Präsident des Dialog Center International.
In den Kirchen Europas ist Aagaard als Autorität nicht nur auf dem Gebiet der Neuen Religionen, sondern auch des interreligiösen Dialogs anerkannt.