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BERLINER DIALOG 17, 2-1999 Johannis - Martini

 EUROPA

Religionsgemeinschaften in Österreich
Neuer rechtlicher Rahmen seit Jänner 1998
Informationen und Ergänzungen zur Redaktionsbeilage "Sekten - Wissen schützt"

Durch eine gemeinsam finanzierte Aktion der österreichischen "Gesellschaft gegen Sekten- und Kultgefahren", vormals Verein zur Wahrung der geistigen Freiheit -Gesamtösterreichische Elterninitiative und des Dialog  Zentrum Berlin wurde es möglich, dem Berliner Dialog die Restauflage der staatlichen österreichischen Broschüre "Sekten - Wissen schützt" beizulegen.
Wir freuen uns, unseren Lesern in West- und Ost-Europa diese Informationsschrift zugänglich zu machen.
Seit der Drucklegung dieser Broschüre sind einige Änderungen der gesetzlichen Regelungen in Österreich eingetreten; neben den gesetzlich anerkannten Körperschaften gibt es nun auch eine Form der Registrierung für Religionsgemeinschaften, die dem eingetragenen Verein entspricht.
Der folgende Text informiert über Einzelheiten.

Bundesstelle für Sektenfragen in Österreich gegründet
Die Bundesstelle für Sektenfragen ist eine Anstalt öffentlichen Rechts, die per Bundesgesetz im Jahr 1998 eingerichtet wurde. Sie dokumentiert und informiert über Gefährdungen, die von sogenannten "Sekten" und deren Aktivitäten ausgehen können. Die Bundesstelle steht als österreichweite Dokumentations- und Informationsstelle zum Thema der sogenannten "Sekten" zur Verfügung. Sie steht in ständiger Verbindung mit den "Sekteninformationsstellen" in Österreich.
Anschrift:  Bundesstelle für Sektenfragen
Wollzeile 12/19,  A-1010 Wien,  Telefon: (01) 513 04 60,   Telefax: (01) 513 04 60-30
Hinweis: Bei der hier genannten Österreichischen Bundesstelle für Sektenfragen kann ab Herbst 1999 eine zweite Auflage der Broschüre "Sekten - Wissen schützt" angefordert werden.

Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie, A-1010 Wien, Stubenbastei 5

Seit dem 10. Jänner 1998 bestehen in Österreich neue gesetzliche Rahmenbedingungen für Religionsgemeinschaften. Nachfolgend finden Sie eine Kurzbeschreibung dieser Änderungen.

Die Bekenntnisgemeinschaft
Seit dem 10. Jänner 1998 können Anhänger einer bisher nicht gesetzlich anerkannten Religion sich zu einer "staatlich eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaft" zusammenschließen und in einem Verfahren, das dem Vereinsrecht sehr ähnlich ist, Rechtspersönlichkeit erlangen. Dazu müssen mindestens 300 Personen mit Wohnsitz in Österreich, die noch keiner anderen Kirche, Religions- oder Bekenntnisgemeinschaft angehören dürfen, sich zu dieser Gemeinschaft bekennen und durch ihre Vertreter einen entsprechenden Antrag beim Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten einbringen. Die Gemeinschaft muß ihre Statuten vorlegen und darin ihre Lehre, ihre innere Organisation sowie die Aufbringung der wirtschaftlichen Mittel darlegen und Unterlagen über Inhalt und Praxis des Religionsbekenntnisses beilegen. Wenn die Behörde zum Schluß kommt, daß durch die Lehre oder Praxis der Gemeinschaft wesentliche öffentliche Interessen verletzt werden oder die Rechte und Freiheiten anderer Bürger gefährdet sind, ist der Erwerb der Rechtspersönlichkeit zu untersagen, wofür eine Frist von 6 Monaten eingeräumt ist.
Erfolgt keine Versagung, wird die Bekenntnisgemeinschaft registriert und kann, wie ein Verein Rechte und Pflichten erwerben. Beim Kultusamt im Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten wird ein Register über die religiösen Bekenntnisgemeinschaften mit Rechtspersönlichkeit geführt, aus dem jedermann Auskunft über aktuelle Anschrift und vertretungsbefugte Mitglieder erhalten kann.
Diese Bekenntnisgemeinschaften bilden eine Art Vorstufe zur "großen (gesetzlichen) Anerkennung", die auch den Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft mit sich bringt.

Gesetzlich anerkannte Religionsgemeinschaften
Eine Vereinigung, die nach dem Anerkennungsgesetz den Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft erhalten will, muß auf der Basis des Gesetzes neben den Kriterien nach dem Anerkennungsgesetz (siehe Seite 9 der Broschüre "Sekten - Wissen schützt") verschiedene zusätzliche Kriterien erfüllen. Das sind nun:
* Bestand als Religionsgemeinschaft durch mindestens 20 Jahre, davon mindestens 10 Jahre als religiöse Bekenntnis-gemeinschaft mit Rechtspersönlichkeit
* Eine Zahl von Angehörigen, die mindestens 2/1000 der Bevölkerung Österreichs nach der letzten Volkszählung erreichen muß
Die Verwendung der Einnahmen und des Vermögens für religiöse Zwecke
* Eine positive Grundeinstellung gegenüber Gesellschaft und Staat
* Keine gesetzwidrige Störung des Verhältnisses zu bestehenden Kirchen und Religionsgemeinschaften

Status nicht anerkannter Gruppen
Organisationen, die nicht als Religions- oder Bekenntnisgemeinschaften gesetzlich anerkannt werden oder anerkannt werden sollen, haben sich bisher häufig als Vereine mit dem Anspruch auf Gemeinnützigkeit konstituiert. Damit ist es auch für "scheinreligiöse" Gruppen möglich in der großen Zahl der gemeinnützigen Vereine "unterzutauchen" und so z.B. ihre eigentlichen wirtschaftlichen Interessen zu verschleiern. Bei der religiösen Bekenntnisgemeinschaft, als auch bei einem Verein gilt weiterhin: Es ist für Betroffene relativ leicht möglich, Namen und Adressen der verantwortlichen Personen herauszufinden und in die Satzungen Einblick zu nehmen. Dies ist oft der erste Schritt dazu, um Rechtsansprüche gegen "Sekten" oder sektenähnliche Vereinigungen durchzusetzen.


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