Wie muß man heutzutage vorgehen, wenn man als junger, ehrgeiziger TV-Produzent einem der großen amerikanischen Kabelsender die Idee zu einer neuen Serie unterjubeln möchte? Bryce Zabel, der Erfinder der Mysterien-Reihe "Dark Skies" ("Dunkle Himmel"), erinnert sich: "Wir schrieben ein hochgeheimes Buch, das mit einem Goldfoliensiegel zusammengehalten wurde. Wir haben es in eine braune Papierhülle gesteckt und mit dem Wort "geheim markiert." Tatsächlich "enthüllte" die SpukSchwarte, die wenig später auf dem Schreibtisch der Bosse von NBC landete, Hochbrisantes: Die Menschheit ist von einer außerirdischen Rasse namens "Hive" unterwandert, die seit Jahrhunderten die Erdgeschichte beeinflußt. Auch die Ermordung von US-Präsident Kennedy 1963 in Dallas steht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Aktivitäten von "Hive". Nur eine streng geheime Sonderabteilung der Regierung mit der CodeNamen "Majestic 12" weiß über alles Bescheid. Als ein idealistischer Kongreß-Beamter und seine Freundin zufällig hinter die verdeckten Aktivitäten ihrer Arbeitgeber kommen, rufen sie die Widerstandsbewegung "Dark skies" ins Leben. Und müssen fortan um ihr Leben fürchten.
Lag es an der Verpackung oder am Inhalt? NBC zeigte sich jedenfalls von der ungewöhnlichen Drehbuch-Präsentation angetan und ließ "Dark skies" prompt in Serie gehen.
Außerirdische, Verschwörungstheorien, finstere Geheimorganisationen und illusionslose Helden auf der verzweifelten Suche nach der "Wahrheit": das ist der Stoff, aus dem die TV-Erfolge der ausgehenden neunziger Jahre gemacht sind. "Hier wird eine kollektive Unsicherheit geschickt vermarktet", meint Udo Michael Krüger vom Kölner Institut für empirische Medienforschung (IFEM). Neben "Dark Skies" (Pro Sieben) buhlen die Düster-Dramen "Profiler" und "Pretender" (beide bei Vox), "Nowhere Man", "Sliders-Das Tor in eine fremde Dimension", "Millenium" (alle bei RTL), "Outer "Limits", "Early Edition", "Akte X" (Pro Sieben) sowie "Poltergeist - Die unheimliche Macht" und "American Gothic" (RTL 2) um die Gunst eines offenbar stark verunsicherten Publikums und bedienen den Zeitgeist: "Die sogenannte heile Welt im Fernsehen ist inflationär geworden und reicht den Zuschauern wohl zu Recht nicht mehr", meint der ehemalige TV-Produzent und Medienberater Peter Gerlach. Außerdem sei das Bedürfnis nach Sinnsuche in bedrängten und unsicheren Zeiten größer, und damit auch das Interesse am übersinnlichen.
Auch die deutschen Produktionsgesellschaften sind trotz des Flops der täglichen Pro Sieben-Talkshow "Talk X" weiter vom Mysterien-Fieber infiziert und exhumieren sogar Esoterik-Fossile wie den "Götterboten" Erich von Däniken. "Außerirdische: Kehren sie zurück?" wird der Schweizer im Herbst bei RTL fragen. Dabei steht die Antwort darauf schon fest, bevor auch nur die erste Klappe zu den beiden geplanten Specials gefallen ist. Denn mit ausgeprägter Penetranz hämmern uns die Sender ein, es handele sich bei jedem noch so kruden Obskurantismus-Mix stets um "tatsächliche Begebenheiten". Die "Wahren Spukgeschichten" von RTL tragen diesen Anspruch sogar im Titel, während sich im TV-Esoterik-Bermudadreieck von Shows ("Mysteries"), Dokumentationen ("Das Unerklärliche") und Filmen bzw. Serien ("Geisterjäger John Sinclair") auch nur der geringste Anflug einer kritischen Betrachtung bereits nach wenigen Minuten in heiße Luft auflöst.
"Es ist ja wahr, daß es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, als die Schulweisheit sich träumen läßt", merkt der katholische "FERNSEH-Dienst" zu dieser Entwicklung an. "Allerdings wäre es ein Trugschluß, daraus abzuleiten, je mehr diese Dinge ins Kraut schießen, desto mehr habe sich Weisheit unter den Menschen breit gemacht." Dem ist wohl nichts hinzuzufügen.
Bernd Harder, 31,
ist Journalist und Pressesprecher der Gesellschaft zur wissenschaftlichen
Untersuchung von Parawissenschaften e.V. (GWUP)