Die Kirchen und Scientology

von
Günther Beckstein

Angesichts der totalitären und antichristlichen Ausrichtung von Scientology sind auch die Kirchen aufgefordert, sich mit dieser Organisation apologetisch auseinanderzusetzen. In dem aktuellen Bericht eines Aussteigers wird erwähnt, daß Scientology den Glauben an Gott als eine durch Schmerz und Elektronik in den Verstand des Menschen eingeimpfte "falsche Vorstellung" ansieht und in entsprechender Konsequenz Gläubige als "psychotisch" bezeichnet. Ziel Scientologys ist es nach diesem Bericht, die Menschheit von der Versklavung durch den christlichen Glauben zu befreien. Sich gegen diese Art der "Befreiung" zu wenden, ist Pflicht eines jeden Christen. Die jüngst zu Ende gegangene Landessynode der Evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern hat mit einem einstimmigen Beschluß zu Scientology einen wichtigen und ermutigenden Markstein gesetzt, der auch für die anderen Evangelischen Landeskirchen Anlaß zur Nachahmung sein sollte. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern betrachtet Scientology aufgrund von übereinstimmenden Berichten vieler Aussteiger und aller Sektenbeauftragter nunmehr als eine Organisation, die unter dem Deckmantel einer Kirche oder Religionsgemeinschaft in Wirklichkeit den Wertvorstellungen des freiheitlich demokratischen Rechtsstaats ebenso widerspricht wie dem des christlichen Glaubens.

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern hat den Staat aufgefordert, geeignete Maßnahmen zum Schutz der Bürger, des Staates und der Gesellschaft gegenüber den von Scientology ausgehenden Gefahren zu treffen. Außerdem beschloß die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern, die Zusammenarbeit mit der Katholischen Bischofskonferenz zu suchen, weil die umfassende Bedrohung der geistigen und seelischen Freiheit des Menschen durch die Scientology-Organisation konfessionsübergreifende kirchliche Maßnahmen erfordert.

Die Synode ist damit der Auffassung, daß die Scientology-Orqanisation in allen ihren Erscheinungsformen eine Vereinigung ist, die unter dem Deckmantel einer Religionsgemeinschaft wirtschaftliche Ziele verfolgt und den einzelnen mittels rücksichtslos eingesetzter psychound sozial-technologischer Methoden einer totalen inneren und äußeren Kontrolle unterwirft, um ihn für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Die Einschätzung, daß es sich bei dem System Scientology in Wahrheit nicht um eine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft handelt, hat inzwischen höchstrichterlich das Bundesarbeitsgericht nach einer ausführlichen Auseinandersetzung mit dem Selbstverständnis, der Lehre und den Praktiken der Organisation bestätigt.

Jeder einzelne ist als Kunde, Mitglied oder Kritiker der Scientology-Organisation vielfältigen und gravierenden Gefahren ausgesetzt. Verbrauchern von Dienstleistungen wie Psychotests, Kursen und dergleichen droht finanzielle Ausbeutung, Verschuldung und Abhängigkeit. Darüber hinaus besteht auch eine gesundheitliche Gefährdung durch die mißbräuchliche Anwendung von Psychotechniken. Mitgliedern der Scientology- Organisation als Beschäftigten werden - wie aus Gerichtsverfahren bekannt ist - ihre Rechte aus dem deutschen Arbeits- und Sozialversicherungsrecht vorenthalten. Die Tatsache, daß Scientology gemäß interner Weisungen seine Mitarbeiter ständig zu neuen Höchstleistungen antreiben will, wird vom Bundesarbeitsgericht ausdrücklich als menschenverachtend bewertet. Kritiker werden von der Organisation als "unterdrückerische", "antisoziale" und geisteskranke Personen bezeichnet, Kriminellen gleichgestellt, verfolgt und bedroht.

Der Staat ist aufgrund seiner Schutzpflicht gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürger aufgefordert, den gefährlichen Aktivitäten von Scientology entschieden entgegenzutreten. Mit der Verabschiedung eines 15 Punkte umfassenden Maßnahmenpakets ist die Bayerische Staatsregierung dieser Pflicht nachgekommen.

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern hat auch die Bemühungen um gesetzliche Regelungen für Dienstleistungen auf dem Gebiet der gewerblichen Lebenshilfe anerkannt. Das soziale Phänomen der Merkantilisierung von Hilfen in diesem Bereich hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Wie das Beispiel Scientology zeigt, ist es notwendig, die Hilfesuchenden durch entsprechende gesetzliche Regelungen vor Manipulation, Mißachtung ihres Selbstbestimmungsrechts und vor finanzieller Ausbeutung zu schätzen.


Beschluß der Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern zu Scientology

Die Landessynode, die vom 20. bis 25.4.1997 in Ansbach tagte, hat folgenden Beschluß gefaßt:

  1. Bereits seit vielen Jahren hat die Evangelische Kirche durch Sektenbeauftragte und Publikationen zur Aufklärung über Hintergründe, Ziele und Gefahren von Scientology beigetragen.

  2. Lange Zeit wurde die Auffassung vertreten, es handele sich bei Scientology um eine "Jugendsekte".

  3. In der Zwischenzeit sind die Evangelische und die Katholische Kirche und ihre Beauftragten - nicht zuletzt durch die Berichte vieler Aussteiger - zur Überzeugung gelangt, daß Scientology eine totalitäre Organisation ist, die unter dem Deckmantel des Begriffs "Kirche oder Religionsgemeinschaft" in Wirklichkeit wirtschaftliche und ideologische Ziele verfolgt.

  4. Aus diesem Grund ist die Auseinandersetzung mit Scientology nicht mehr nur Aufgabe der Kirchen. Vielmehr ist jetzt auch der Staat aufgefordert, geeignete Maßnahmen zum Schutz der Bürger, der Gesellschaft und des Staates gegenüber den von Scientology ausgehenden Gefahren zu treffen.

  5. Die Hilfe für Aussteiger und Opfer von Scientology ist Aufgabe sowohl von kirchlichen als auch von staatlichen Stellen.


Innenminister Dr. Günther Beckstein, 53,
ist Synodaler der Ev.Luth. Landessynode Bayerns