Gründerin und Entstehung
Gründerin des "Universellen Lebens" (Abk: UL) ist Gabriele Wittek,
geborene Maden, aus Wertingen (Bayrisch-Schwaben), geb. 1933. Als Tochter
eines Schneidermeisters ist sie in traditionell-katholischer,
kleinstädtischer Umgebung aufgewachsen. Ausbildung als Kontoristin.
1955 Heirat. 1964 Geburt einer Tochter. Ab 1967 in Würzburg. Nach Tod
ihrer Mutter 1970 glaubt Frau Wittek, mit dieser weiterhin in Verbindung zu
stehen. Besuch spiritistischer Zirkel, um mit der Verstorbenen Kontakt
aufzunehmen. Am 6.1.1975 soll bei Frau Wittek das "Innere Wort"
durchgebrochen sein. Der "Geistlehrer Bruder Emanuel" und "Jesus Christus"
sollen sie seitdem als ihr Sprachrohr benutzen. Seit 1980 ist Gabriele
Wittek einziges Bindeglied zwischen Gott und Welt. Sie wird die letzte
Prophetin sein, die neue Inhalte vermitteln kann; nach ihrem Tod sind nur
noch Wiederholungen zu erwarten. Zwar betont sie, nur "Geschwister unter
Geschwistern" zu sein. Doch erhält sie von ihren Anhängern eine
quasi-messianische Stellung beigemessen. Denn nur sie kann
Letztgültiges für alle Glaubens- und Lebensfragen offenbaren.
Entwicklung und Geschichte
Seit 1975 bestehen Zellen des späteren "Heimholungswerks Jesu Christi"
(HHW) in Nürnberg und Würzburg. Anfangs gibt es vier Medien im
HHW. Seit 1980 bleibt nur Frau Wittek übrig. Von da an wird sie als
"Prophetin" bezeichnet. Seit dieser Zeit wirken auch vermehrt
synkretistisch-hinduistische Einflüsse auf das HHW. Frau Wittek
unternimmt Anfang der 80-er-Jahre verstärkt Reisen ins In- und Ausland,
in denen sie über ihre "Offenbarungen" neue Anhänger gewinnt. Das
"Heimholungswerk" expandiert. Der Eintritt eines Münchner
Großindustriellen verschafft dem HHW die notwendigen Geldmittel.
Dennoch scheitern Projekte der nun in "Universelles Leben" (UL)
umbenannten Gemeinschaft in Würzburg, dem Zentrum der Bewegung, und
Umgebung am Widerstand der Bevölkerung. Allerdings kann das UL
expandieren, so daß es heute vielfältige wirtschaftliche
Aktivitäten ausübt.
Das UL betreibt biologischen Landbau und vermarktet seine landwirtschaftlichen Produkte. Es ist durch eine eigene "Christusklinik" auf dem Gebiet alternativer Medizin tätig. Im Marktheidenfelder Ortsteil Altfeld unterhält das Universelle Leben ein eigenes Gewerbezentrum mit verschiedensten, sog. "Christusbetrieben". Die Betriebe des UL betätigen sich u.a. in der Bauerstellung und -vermarktung, im Bereich der EDV wie der Familienhilfe. Es gibt viele Arten von Handwerksbetrieben, so z.B. Schreinereien, Webereien, Schneidereien und Gärtnereien. Besonders wichtig ist für das UL der pädagogische Bereich. Neben Kindertagesheimen, Kindergärten und -horten betreibt das Universelle Leben seit 1991 eine eigene Schule, deren Grundlage seine Glaubenslehre bildet. Anfang 1995 übernimmt die "Bundgemeinde Neues Jerusalem" die Verantwortung für das UL. Dabei handelt es sich um den Inneren Anhänger-Kreis des UL, ungefähr 800 Personen, die in stark reglementierten Wohngemeinschaften zusammenleben.
Lehre und Stellung zum Christentum
Die Offenbarung Jesu wird durch die Offenbarung Frau Witteks korrigiert,
erläutert und überboten. Die Entstehung von Erde und Welt sei
Folge des Abfalls von der ursprünglichen Einheit. Diese Fallbewegung
sei durch Christus, der in den Leib Jesu einfuhr, umgekehrt worden. Am Kreuz
soll er den göttlichen Funken in jede menschliche Seele verströmt
haben. Seitdem sei nur noch Aufstieg zu Gott möglich. Ziel ist, in
möglichst wenigen Wiederverkörperungen in die UrEinheit
einzugehen. Das UL bietet Kurse an, die die "verschalteten"
Bewußtseinszentren freilegen sollen.
Diese bauen insbesondere auf Konzentrations- und Meditationsübungen
auf. Mit der 4. (von sieben) Stufen dieses "Inneren Weges" wird der Mensch
vom Gesetz von Ursache und Wirkung (Karmagesetz) frei. Am Ende dieses Weges
steht die Einheit der Seele mit dem absoluten Bewußtsein. Das UL
behauptet von sich, das wahre Urchristentum zu verwirklichen und die
vernachlässigte und fehlinterpretierte Bergpredigt (Mt 5-7) wieder in
ihre ursprüngliche Bedeutung einzusetzen. Hierbei wird allerdings der
Text der Bergpredigt durch Witteks Offenbarung sinnwidrig entstellt. Das UL
erhebt den Anspruch, die alleinige Wahrheit zu verkünden. Daher
bekämpft es alle, die sich dem UL entgegenstellen. Kritiker am UL
beweisen nur ihr niedriges Bewußtsein. Der haßerfüllte,
verleumderische und gleichermaßen feige (anonyme Briefe) Umgang mit
Kritikern steht in auffälligem Gegensatz zum angeblichen Ziel des UL,
Liebe in die Welt hinauszustrahlen.
Das UL bekämpft auch die "Amtskirchen", insbesondere natürlich die Kritiker des UL in ihren Reihen, mißliebige Privatpersonen und Politiker. Durch ständige Prozesse versucht das UL, sie zum Verstummen zu bringen. Jede Kritik am UL muß verworfen werden, weil das Wort der "Prophetin" Frau Wittek als alles überbietende Offenbarung in allen Einzelheiten stimmt. Weil sie und ihre Kundgaben im Mittelpunkt des UL stehen, entscheidet sich an der Stellung zu Frau Wittek das Verhältnis des Menschen zu Gott. Inhaltlich widerspricht die Lehre des UL der christlichen Lehre in allen wesentlichen Punkten. Denn weder sieht das Christentum Gott allein im Inneren des Menschen wohnen, noch vertritt es die Lehre von Wiederverkörperung/Reinkarnation noch die des Karmas, des "Gesetzes von Ursache und Wirkung". Dadurch ist die schwierige Frage nach der Herkunft des Bösen für das UL allerdings sehr leicht zu beantworten: Jeder Mensch und jede Menschengruppe ist für das ihm widerfahrende Unheil selbst verantwortlich, weil die Seele in dieser oder einer vergangenen Verkörperung gesündigt hat. Für Vergebung und Gnade ist dann kein Platz mehr.
Ein Mensch, der völlig nach den Vorschriften des UL lebt, hat die Gewißheit, aus eigener Kraft göttlich und vollkommen zu werden. Die christlichen Begriffe werden also nur als bloße Makulatur verwendet. Das UL ist keine christliche Gemeinschaft, sondern verfälscht Christus und das Christentum. Organisation und Verbreitung Das UL ist in konzentrischen Kreisen von steigender Verbindlichkeit der Zugehörigkeit aufgebaut. Wichtig sind die früher sogenannten "Inneren Geist-Christus-Kirchen" (IGCK), die örtlichen Zusammenschlüsse des UL, heute "Kosmische Lebensschule", in denen die Anhänger meist zweimal wöchentlich zusammenkommen. Es gibt derzeit 91 davon im deutschen Sprachraum, mit einem deutlichen Schwergewicht in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz. Doch auch im europäischen Ausland, insbesondere in Norditalien, aber auch in Übersee (z.B. Peru, Zaire) ist das UL mit lokalen IGCK kosmischen Lebensschulen vertreten. Die wichtigste Organisationsstruktur im UL ist allerdings die "Bundgemeinde Neues Jerusalem" (BGNJ). Sie umfaßt etwa 800 UL-Anhänger, die in Wohngemeinschaften um Würzburg wohnen. In ihr gibt es Älteste, die für verschiedene Aufgabenbereiche zuständig sind. In der BGNJ bestehen erhebliche Abhängigkeiten und ein hohes Maß an gegenseitiger Kontrolle durch verschiedene Gruppen von Ordnern, die Arbeit in UL-Betrieben, das Verbot "eigenmächtiger" wirtschaftlicher Initiativen und die angestrebte Beseitigung von finanziellen Ungleichheiten.
Beurteilung aus christlicher Sicht
Das UL ist eine in ihrer Gefahr meist unterschätzte Bewegung, deren
totalitären Züge immer stärker in den Vordergrund treten.
Parallel dazu schottet sich das UL immer mehr gegen die Außenwelt ab.
Seine Geschäftsbeziehungen sind undurchsichtig. Unterfranken und
angrenzende Regionen Baden-Württembergs werden von Betrieben des UL und
seiner Anhänger immer mehr durchwuchert. Auch entstehen immer mehr
geschlossene Wohngemeinschaften und Siedlungen seiner Anhänger. Foto:
Uwe Birnstein Ziel des UL ist die Herstellung eines geschlossenen
Kreislaufs. Kinder von UL-Eltern wachsen im UL-Kindergarten auf, gehen in
die UL-Schule, lernen bei einem UL-Handwerker und heiraten im UL. Der
totalitäre Anspruch des UL an seine Anhänger soll bei den Kindern
bereits von klein auf zur Geltung kommen, um eine zur Kritik unfähige
zweite Generation heranzuziehen. Dies ist sowohl vom gesellschaftlichen als
auch vom christlichen Standpunkt höchst bedenklich. Denn eine
freiheitliche Gesellschaft muß ebenso wie eine Gemeinschaft
mündiger Christen jungen Menschen in ihrer Erziehung die
Möglichkeit geben, statt eigene Erfahrungen zu machen, statt sie in ein
striktes Gerüst von Normen einzubinden. Die geschlossene Gesellschaft,
die das UL erzeugen will, bezeichnet sich als "urdemokratisch", ist aber
letztlich undemokratisch, weil ein strikter Fundamentalismus, nämlich
das wörtliche Verständnis von "Witteks Offenbarungen", die einzig
anerkannte Grundlage ist.
Kopieren und Nachdruck gestattet bei Quellenhinweis: "Aus Berliner Dialog 2/97, (c) Dr. Wolfram Mirbach, Kontakt über BERLINER DIALOG, D-14165 Berlin, Heimat 27, Fon: 030/ 815 70 40"
Pfr. Dr. Wolfram Mirbach, 35,
beschäftigt sich seit 1987 mit Neureligionen (Schwerpunkte Fiat Lux,
Christian Science, Scientology). Foto: privat Seit 1996 Mitarbeiter am
"Institut für Religionsforschung" in Bayreuth, befaßt er sich mit
der Aufarbeitung biographischer Daten von ehemaligen Angehörigen von
Neureligionen.