"Keine Räume des Europa-Parlaments für Scientology-Aktionen" Das fordert die Europaabgeordnete Maren Günther (CSU). Sie hatte an die Verwaltung des Europa-Parlaments in Straßburg appelliert, keine Räume für eine Veranstaltung mit möglichen Scientology-Sympathisanten bereitzustellen. Die Abgeordnete kritisierte damit eine Veranstaltung am 13. Mai im Straßburger Parlamentsgebäude zum Thema "Kulte in Europa: Gehirnwäsche oder Religionsfreiheit". Eingeladen dazu hatte das umstrittene private Institut CESNUR des Italieners Massimo Introvigne. Finanzierung und Hintergrund des Instituts seien völlig unklar. Bei den angekündigten Referenten handele es sich nach Günther um Wissenschaftler, die sich für die Anerkennung von Scientology als Religionsgemeinschaft stark machen. Die Europaabgeordnete äußerte die Vermutung, das Institut werde von Scientology für deren Zwecke instrumentalisiert. "Das Europäische Parlament läuft durch die Bereitstellung von Räumen Gefahr, selbst zum Instrument von Scientology zu werden", so die CSU-Politikerin. (epd ZA 30. April 1997) |
CESNUR hat 8.000 Bücher
Die nach Selbsteinschätzung "größte
Wissenschaftler-Vereinigung zu neuen religiösen Bewegungen" des
Italieners Massimo Introvigne hat zum Thema Neue Religiöse Bewegungen
"die größte Bibliothek in Europa mit mehr als 8.000
Büchern", schreibt der "direttore" der Vereinigung in einem
Selbstempfehlungsschreiben ("CESNUR
... would be pleased to offer its assistance") mit Datum vom 7.5.1996 an
die Bundestagspräsidentin. Deutschen Bibliotheksfachleuten imponiert
dies wenig: Introvignes Büchersammlung bewege sich im quantitativen
Rahmen einer "durchschnittlichen deutschen Dorfpastorenbibliothek". Auch
Fachleute für Sekten- und Weltanschauungsfragen zeigen sich von den
Größenordnungen der CESNUR-Sammlung kaum beeindruckt. Fragen
gestellt werden vor allem zur wissenschaftlichen Seriosität und
Unabhängigkeit des Privatinstituts, dessen Betreiber sich nicht nur als
"Religionswissenschaftler" (Introvigne ist Jurist), sondern auch "als
Freunde und Wächter der Religionsfreiheit" vorstellen.
CESNUR: "Deutsche Verstöße gegen Religionsfreiheit"
Als solcher zeigt
sich Introvigne "tief verstört über die Gerüchte von
religiöser Intoleranz und Diskriminierung gegen einige Minderheiten" in
Deutschland. Die parlamentarische Untersuchung über sogenannte Sekten
und Psychogruppen durch die Enquete-Kommission des deutschen Parlaments
scheint ihm, so schreibt er "gesponsort durch Teile der Lutherischen Kirche,
die schon eine ganze Liste von Kooperation mit der internationalen
Anti-Kult-Bewegung haben", die wiederum geprägt sei von einer "Haltung
von Fanatismus und mangelnder Achtung der Religionsfreiheit". Bereits in
seiner "öffentlichen Stellungnahme: Wissenschaftler fordern Beendigung
der deutschen Verstöße gegen Religionsfreiheit" vom 15. August
1996 hatte M. Introvigne als "Vorsitzender" von "CESNUR International"
zusammen mit dem methodistischen Pastor Gordon Melton als "Chairman CESNUR
U.S.A." in Deutschland Zeichen "eines äußerst gefährliche
Fanatismus" die an "die dunkelsten Zeiten der jüngsten
europäischen Geschichte" erinnerten, festgestellt.
Unabhängig gegen "Sektenkeule"
Die VPM-nahe Zeitschrift Zeit-Fragen schreibt in ihrer
Nr. 32 vom No./Dez. 1996 unter der Überschrift "Anti-'Sekten'-
Aktivismus gefährdet Demokratie und Menschenrechte - Wissenschaftler
gegen Hexenjagd mit der 'Sektenkeule'": "Das Centre d'Etudes des Nouvelles
Religions (CESNUR) ist ein internationales Netzwerk von Fachvereinigungen,
die sich wissenschaftlich mit neuen religiösen Bewegungen befassen.
Geleitet wird CESNUR vom italienischen Historiker und Soziologen Professor
Massimo Introvigne. Das 1988 gegründete Zentrum mit Sitz in Turin ist
absolut unabhängig von jeder religiösen Bewegung, Gruppe oder
Vereinigung." Als Vertreter von CESNUR werden in diesem Artikel "Dr. Ermanno
Pavesi (Vorsitz), Prof. Massimo Introvigne, Prof. Eileen Barker und
Olivier-Louis Se_[guy" genannt. Ähnlich heißt es in der von
CESNUR im Selbstverlag herausgegebenen Kampfschrift "Pour en finir avec les
Sectes", CESNUR sei "unabhängig von irgendeiner Kirche, Religion oder
Bewegung". In seinem Fax an die Bundestagspräsidentin behauptet
Introvigne selbst, sein Institut sei "unabhängig von jeder
religiösen Körperschaft, einschließlich der
römisch-katholischen Kirche". Diese Auskunft stimmt leider nur bedingt.
Richtig ist zwar, daß sich der Vatikan recht deutlich von Introvigne
und seinem Institut distanziert. (Vergleiche Schreiben des Päpstlichen
Rates für den Interreligiösen Dialog, umseitig). Dem BERLINER
DIALOG liegen aber Hinweise über die nicht unwichtigen, wenn auch etwas
unorthodoxen ideologischen und organisatorischen Hintergründe von
CESNUR vor.
Bezüglich Ihrer Fragen über den Grad der
Repräsentativität von Dr. Massimo Introvigne für den Bericht
im Vatikan kann ich Ihnen die folgenden Informationen geben:
Michael L. Fitzgerald, Secretaire
Im BERLINER DIALOG (4-96) hatten wir die Reisefreudigkeit von Massimo
Introvigne und seine engagierte Teilnahme bei verschiedenen Prozessen um
Sekten und Kulte gewürdigt. Wir hatten auch eine von der deutschen
Scientology-Organisation im Herbst 1996 verbreitete Resolution vom 21.
August 1996 zu Gunsten der SO zitiert, die u.a. die Namen von M. Introvigne
und G. Melton trägt.
Die Redaktion des BERLINER DIALOG hält ihr Angebot aufrecht, M.
Introvigne bei der Abwehr etwa unberechtigter Inanspruchnahme durch die SO
zu unterstützen.
Kämpferisch: Alleanza Cattolica
CESNUR ist
nämlich anscheinend eine der Frontorganisationen der rechtskatholischen
Organisation "Alleanza Cattolica", die in Italien wohl die Stelle der
extremen Organisation "TFP" (Tradition, Family, Property) einnimmt. In einer
Selbstdarstellung der AC (http://www.agonet.it/cristianita/allecatt.htm;
15.1.1997,) heißt es: "Alleanza
Cattolica ist eine bürgerlich-kulturelle Körperschaft von
katholischen Laien ... die sich die positive und auch apologetische
Verbreitung und Verwirklichung der Soziallehre" der römischkatholischen
Kirche - wie es heißt "auf kämpferische Weise" zum Ziel gesetzt
hat. Endziel soll der "Aufbau einer christlichen, weltlichen Ordnung" sein,
einer Gesellschaft, die sich "bewußt innerhalb der Grenzen, die durch
die Lehre und die Moral der Kirche gesetzt sind" orientiert. In der
Selbstdarstellung heißt es, die Hoffnung auf die Errichtung eines
solchen römisch-katholischen Gemeinwesens schon in dieser Welt werde
unterstützt durch das Versprechen der Madonna von Fatima:
"Schließlich wird mein unbeflecktes Herz triumphieren".
Die zitierte Datei wurde am 26. 7. 97 verändert, so daß sich
hier Unterschiede zwischen dem hier zitierten Text und dem im Link
verfügbaren ergeben.
Vatican, 1e 27 septembre 1996
pro
Dialogo inter Religiones
00120 Citta del Vaticano
Prot. n.
2291/96
Restauration
Man will also für die
"kulturelle und zivile Restauration" sowie für eine "soziale
Restauration", "auch auf kämpferische Weise" arbeiten. Als Gegner
identifiziert hat man schon "all jene Kräfte, die zum Ziel haben, die
moralische und lehrmäßige Lüge eines Antidekalogs
durchzusetzen". Dabei hat man "den historischen Prozeß, der sich aus
der Krise der Aufklärung, des Protestantismus und des Sozialkommunismus
und anderer ergibt, die durch Revolution sich an die Stelle von Gott und
seinem Gesetz setzen wollen" im Blick. Daß es nicht beim bloßen
Theoretisieren bleibt, dafür sorgen Bildungsveranstaltungen und die
"Herausgabe und militante Verbreitung der Monatsschrift 'Christianita'"
sowie verschiedene Frontorganisationen: "Streiter der Alleanza Cattolica
stehen unter anderem am Anfang von CESNUR, Centro Studi Nuovo Religioni, von
IDIS, Institut für soziale Doktrine und Information, von ISIN, Institut
für die Geschichte des Aufstandes" (der italienischen Revolution).
Consultore del Capitolo Nazionale
Gründer und nationaler Leiter der AC ist ein Giovanni Cantoni, dem
inzwischen 10 Regionalleiter zu Seite stehen. Daneben verfügt die AC,
wie ein Orden, als Führungsstruktur über ein "Nationales Kapitel".
Als "Consultore del Capitolo Nazionale" werden Massimo Introvigne, Giulio
Soldani, Ermanno Pavesi, Ferdinando Leotta und Pietro Cantoni
aufgeführt. Introvigne hat aus seiner engen Zugehörigkeit zur AC
(er trat der AC schon vor dem 18. Lebensjahr bei und gehört ihr bis
heute an) kein Hehl gemacht. Aber erst die personelle und ideologische
Zugehörigkeit zu einer Organisation, zu der "absolut keine Liberalen
gehören" und die organisatorische Verbindung von CESNUR und AC wirft
das rechte Licht auf die engagierte Konferenz-Prozeß- und
Reisetätigkeit des sonst so ganz unabhängig und neutral agierenden
"Consultore" und "Religionswissenschaftlers".
Mißbrauch der Unterschrift?
Massimo Introvigne hat uns gegenüber inzwischen angegeben, er habe
diese Erklärung nicht unterschrieben, sondern vielmehr bezüglich
der Verbreitung dieser Resolution mit seinem Namen einen "Warnbrief" per
Einschreiben an die italienische "Church of Scientology" gesandt und mit
juristischen Schritten gedroht.
"daß" oder "ob"
In einer Antwort der Scientologen werde "anerkannt", behauptet Introvigne,
"daß das einzige Schriftstück, das ich unterzeichnet habe,
dasjenige ist, dessen Unterzeichner nur Dr. Gordon J. Melton und ich sind".
In dem Schreiben der italienischen SO werde auch bestätigt, "daß
die deutsche Church of Scientology aufgefordert worden ist, diese
Information jedem Interessierten gegenüber zu bestätigen." Nun hat
Introvigne inzwischen möglicherweise bereits mehrere "Public
Statements" unterzeichnet, so daß ihm vielleicht die Übersicht
abhanden gekommen ist; jedenfalls liegen der Redaktion des BERLINER DIALOG
mehr als eine von M. Introvigne unterzeichnete Erklärung vor. Der
Redaktion sind auch die Schreiben Introvignes und der italienischen SO zu
obigem Vorgang bekannt. Tatsächlich hat die SO darin lediglich den
Eingang seines Schreibens bestätigt. Die SO schreibt: "daß wir
die Chiesa di Scientology in Germania benachrichtigt und aufgefordert haben
zu überprüfen, ob das einzige von Ihnen unterschriebene Dokument
bezüglich der religiösen Diskriminierung in Deutschland
gegenüber Scientology die von CESNUR übersandte Pressemitteilung
ist, die zusammen mit Professor Melton unterzeichnet wurde. Soviel um
Klarheit zu schaffen, im Falle, daß ein Mißverständnis
bezüglich der unterschiedlichen, in den letzten Monaten
unterschriebenen Unterlagen entstanden sein sollte."