Sekten, Jugendreligionen, destruktive Kulte ...

Einige Anmerkungen zur Auseinandersetzung um Begriffe

von Udo Schuster

Einleitung

Wie werden diese Gruppen, Sekten, Jugendreligionen, destruktive Kulte.... richtig bezeichnet? In letzter Zeit wird diese Frage öfter im Zusammenhang mit Beratungs- und Betroffenenarbeit gestellt. Zum einen würden die bisherigen Gruppen durch die Bezeichnung als Sekten oder neureligiöse Bewegungen unter den "Schutzmantel" des Art. 4GG gerückt und notwendiges staatliches Handeln gegen Psychokonzerne und Auswüchse des psychosozialen Dienstleistungsbetriebes damit erschwert. Zum anderen seien die Bezeichnungen diffamierend, da der Begriff Sekte an sich bereits etwas Negatives beinhalte. (J.Keltsch in "1995 - Und es geht weiter" Dokumentation anl. der Fachtagung 20 Jahre Elterninitiative, hrsg. v. Bernd Dürholt und Ilse Kroll, München, ARW 1995)

Semantische Diffusion

Behnk spricht gar von einer "semantischen Diffusion" (W.Behnk in Politische Studien, Nr. 346, Vom Sektenmarkt zum Psychomarkt, München 1996, herausgegeben von der Hanns-Seidel-Stiftung) Tatsächlich werden zur Beschreibung des Psychomarktes zahlreiche Begriffe verwendet:

Diese Pauschalisierung des Sektenbegriffes wurde jedoch nie von den kirchlichen Beauftragten oder Eltern- und Betroffeneninitiativen eingesetzt. Sekte ist heute kein apologetischer Begriff -basierend auf einem eigenen klaren theologischen Standpunkt- mehr, wie er seitens der Kirche in der Auseinandersetzung mit Abspaltungen von bestehenden großen Glaubensgemeinschaften verwendet wurde. Vielmehr ist er gerade durch permanente umgangssprachliche Verwendung z.B. in Presseveröffentlichungen, Publikationen, Regierungsberichten etc. ein "Terminus technicus" mit einem festen Platz in der Auseinandersetzung geworden. (vergl. als Beispiel "DER SPIEGEL", Nr. 20/1996, S 50 "Imperium der Lumpensammler)". Daß dies nun teilweise aus den selben Kreisen wiederum den Kirchen vorgeworfen wird, ist sachlich falsch und argumentativ unredlich.

Der Sektenbegriff an sich ist nicht negativ. Niemand käme beispielsweise im Buddhismus darauf, die Bezeichnung "Sekte" als Bezeichnung für die verschiedenen Schulrichtungen als Diffamierung zu empfinden. Die pauschale Verwendung dieses Begriffes zeigt, daß er von vielen Seiten verwendet wird, ohne seine genaue Begründung und Definition zu kennen. Allerdings ist es wenig hilfreich zu versuchen, nunmehr einen anderen Begriff in der Öffentlichkeit zu etablieren. Beispielsweise sind Bezeichnungen wie "Lebenshilfeangebote" oder "destruktive Kulte" zu wenig eindeutig, um das Phänomen zu beschreiben. Gerade Eltern- und Betroffeneninitiativen haben sich aber von Anfang an bemüht, exakt und einwandfrei den Problembereich in ihrer Namensgebung zu beschreiben und zu definieren.

So nennen sich die Initiativen beispielsweise

Es stellt sich aber auch die Frage, ob nicht mit der Diskussion um Begrifflichkeiten ein "Nebenkriegsschauplatz" eröffnet wird. In der Auseinandersetzung mit dem eigentlichen Problemen, die im Umfeld von totalitären weltanschaulichen und religiösen Geruppen oder totalitärer Psychokonzerne auftreten ist sie jedenfalls nicht hilfreich und zielführend.

Kein religions- und weltanschauungsfreier Raum

Eine Auseinandersetzung mit diesen Gruppierungen muß sich über die Praktiken und ihre Auswirkungen hinaus auch auf das Weltbild dieser Gruppen erstrekken. Nur wer die Inhalte kennt, kann das Verhalten gegenüber Anhängern und Außenstehenden beurteilen. Lehrinhalte und Ideologien können sehr wohl antidemokratische, diskriminierende oder gar rassistische Ansätze aufweisen.


Udo Schuster, 35,

ist Mitglied des Vorstandes der Elterninitiative zur Hilfe gegen seelische Abhängigkeit und religiösen Extremismus e.V. Bayern, bis 1994 stellv. Bundesvorsitzender der Jungen Union Deutschlands.