TM-Initiation in Halle

von Nelli Gräber

Halle, 9. 10. 1995

Ich wollte Sie gern einmal zu der Transzendentalen Meditation fragen - ist es eine Sekte? Wenn man die Prospekte liest, glaubt man es erst gar nicht. Nun werden diese Handzettel auch noch in Naturkostläden verteilt. Wie konnte ich nur so dumm sein, da vor zwei Jahren hineinzugeraten?

Ich hatte den Einführungsvortrag in der Uni gehört - die Frau hatte eine gute Aussprache und ein selbstbewußtes Auftreten. Irgendwie hat mich dieses große Bild ihres "Lehrmeisters" schon gestört. Dann habe ich ein 10-Minuten-Gespräch mitgemacht, wobei ich ihr erklärte, ich sei Christin. Sie meinte, sie wäre auch evangelisch! Ich hörte eine Gruppe junger Leute tuscheln, es sei gefährlich, da hineinzugeraten. Aber interessehalber habe ich dann doch die "1. Sitzung" bei ihr persönlich mitgemacht. Ich war damals nervlich tüchtig angeschlagen und merkte, daß sie solche labilen Menschen gut zu fangen wußte. Meine "Einführung" ging dann so: Ich kam in ihre Wohnung (eine Neubau-3-Zimmerwohnung); sie war ziemlich leer, aber im Korridor stand ein Schreibtisch, wo ich gleich zu Beginn einen Scheck über (ich glaube 400,- DM) ausfüllen sollte. Ich sagte ihr, evtl. beim nächsten Mal.

Dann schickte sie mich zum Gemüsestand - Blumen und Früchte kaufen. Diese wusch sie und stellte sie in eine Schale (ich dachte, um sie vielleicht später selbst zu speisen!). Die Blüten der Blumen zerpflückte sie und sprach vor dem Bild einen langen, langen Vers in der Sprache ihres fernöstlichen Lehrmeisters (den zu lernen, erklärte sie mir, brauchte sie viele viele Stunden). Ich sagte mir, du weißt nicht, was sie spricht - deshalb, dachte ich zuerst, berührt es mich auch nicht.

Dann mußte ich mich auf einen Stuhl setzen (im Sitzen solle man sich am besten entspannen) und sie gab mir "mein Man- tra" (habe ich vergebens im Lexikon gesucht), ich glaube, so drückte sie sich aus. "Kiring" - sollte ich immer wieder wiederholen und mich dabei tief versenken.

Ich war froh, endlich diese Wohnung verlassen zu haben und habe mich nie wieder dort gemeldet, wurde allerdings noch durch 3 Anrufe verfolgt. Inzwischen gibt es ein "Vedanta-Institut H. Knigge" in Halle in einem Altbau, was sie damals nur plante - verbunden mit Naturküche und Turnen.

Das Schreckliche an der Sache ist, daß mich dieses Meditationswort "Kiring" wie ein Teufel verfolgt. Bitte lachen Sie mich nicht aus - am liebsten würde ich dieses Wort durch einen Elektroschock zum Vergessen bringen!

Halle, 28.1.1996

Für Ihren Brief auf meine Fragen zu TM und für das Buch*) möchte ich mich ganz herzlich bedanken - das war für mich sehr interessant zu lesen. ... Ja, der Schock war bei mir damals sehr groß, es ging mir genau so, wie Sie es in Ihrem Buch beschrieben haben - wie eine seelische Vergewaltigung. Ich war wie gelähmt und wundere mich jetzt noch, daß ich nicht mitten in der "Puja" ausgestiegen bin. Andererseits war natürlich auch Neugierde mit dabei! Meine Bekannte, die mich auf die Einführungsvorträge in der Halleschen Uni aufmerksam machte, war nicht so schockiert und durchlief noch einige "Sitzungen". Auch ihr wurde nicht die volle Summe von (ich glaube) 400,DM abgeknöpft, da sie alleinstehend ist. Aber die Art der "Entspannung" hat ihr nichts gebracht und sie ist aus Zeitgründen (und wegen der hohen Gebühren natürlich) nicht in der Sekte geblieben. ... Das "Veda-Institut" ist im Entstehen - ein altes Haus ist schon eingerüstet.

Natürlich dürfen Sie durch meinen Bericht viele, besonders labile und nervlich kaputte, Leute warnen. Ich freue mich sehr darüber. Alles Gute für Ihre Arbeit und freundliche Grüße!


*) Friedrich-Wilhelm Haack und Thomas Gandow: Transzendentale Meditation, Maharishi Mahesh Yogi, Maharishi Veda, epv München 1992, ISBN 3-583-50622-7