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DIALOG & APOLOGETIK

BERLINER DIALOG 16, 1-1999 - Ostern

Endzeit - Wendezeit?
Wider die apokalyptische Angstmacherei
von Rüdiger Hauth

Seit etwa zwei Jahrzehnten ist jetzt das Stichwort "Endzeit" bzw. "Wendezeit" zu hören oder zu lesen, wenn es um die 'magische Zahl' 2000 und die damit verbundenen Erwartungen und Ängste geht. In der westlichen Welt wächst bei vielen Menschen eine innere Spannung und das 'kribbelige Gefühl', im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Zeitenwechsel könne oder besser müsse irgendetwas Außergewöhnliches geschehen. Die Anhänger verschiedener endzeitlich ausgerichteter Gemeinschaften, unter anderem Zeugen Jehovas und Adventisten, haben dabei in erster Linie die biblische Apokalypse, d.h. die Bilder aus der Offenbarung des Sehers Johannes, vor Augen. Andere, mehr weltlich-politisch eingestellte Zeitgenossen beobachten die zukünftige Entwicklung der Menschheit mit zunehmender Sorge und denken an Überbevölkerung, knapper werdende Rohstoffe (Öl, Trinkwasser) und Massenvernichtungswaffen. Wiederum andere erwarten mit dem Anbruch des neuen Jahrtausends die Lösung aller genannten Probleme. Einige rechnen sogar mit der baldigen Überwindung von Krankheiten, Alter und Tod. Es sind also auch Zukunftshoffnungen, die die Menschen mit dem Datum "2000" und der Zeit danach in Verbindung bringen.

Die erste Ausgabe 1999 der Wochenzeitschrift "Die Zeit" kam als "MillenniumsSonderausgabe" heraus: "Die nächsten 1000 Jahre". - Was wird? Was bleibt?". FOCUS hat am 28. Dezember 1998 die Titelgeschichte: "Countdown zum neuen Jahrtausend - Geht die Welt unter? Endzeitpropheten haben Hochkonjunktur". Und die BILD-Zeitung rechnet seit Anfang Januar 1999 täglich rückwärts: "Heute ist der ... (Datum); noch ... Tage bis 2000".

Zu Beginn unseres Jahrhunderts schrieb die "Chicago Tribune" am 1. Januar 1901:

Das neue Jahrhundert
"Das 19. Jahrhundert geht von der Bühne ab, das 20. tritt ein. Der phantastische materielle Fortschritt des 19. Jahrhunderts wurde von einer langen Kette von Segnungen begleitet.

Das Jahrhundert war Zeuge der wachsenden Freiheit des Geistes, der Erziehung und der Religion; es war Zeuge umfassender Verbesserungen des Lebensstandards und der Verlängerung der Lebensspanne durch Hygiene und ärztliche Kunst. Aber es hat seine Vorgänger weder in der Gestaltung des Schönen noch im Fortschritt der Kunst, der Architektur, Musik und Literatur übertroffen.
Vielleicht wird das 20. Jahrhundert einen Wandel bringen. Das ausschließlich Materielle mag weniger Aufmerksamkeit beanspruchen, der Mammon mag weniger hoch eingeschätzt werden. Das Schöne kann das Nützliche übertrumpfen. Der menschliche Geist, des Materiellen müde, wird sich vielleicht höheren Dingen zuwenden.

An der Schwelle des 20. Jahrhunderts sieht es so aus, als könne es das Jahrhundert der Humanität und der Brüderschaft aller Menschen werden, eine Leistung, die großartiger wäre als alle Entdeckungen der Wissenschaft und alle Triumphe der Kunst."

2000
Nun stammt die Zahl "2000" ja, was die meisten nicht immer vor Augen haben, aus dem christlichen Kontext, denn sie lautet mit voller Bezeichnung: "2000 Jahre nach Christi Geburt". Andere Religionen und Kulturen orientieren sich an ganz anderen Zeit- und Kalendersystemen. Allerdings haben die meisten Staaten der Welt, unter westlichem Einfluß, offiziell die westliche Zeitrechnung übernommen, sodaß der hinduistische Paß-Beamte am Flughafen Bombay oder der jüdische in Tel Aviv genauso '1999' in den Paß stempelt wie sein deutscher Kollege in Frankfurt oder der amerikanische in New York. Mit den sich um das Jahr 2000 rankenden, westlich-christlichen Vorstellungen hat man jedoch nichts zu tun.

Rüdiger Hauth

Pfr. Dr. Rüdiger Hauth, 56, ist Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Ev. Kirche von Westfalen und Vorsitzender der "Konferenz der landeskirchlichen Beauftragten für Sekten- und Weltanschauungsfragen in der Evangelischen Kirche in Deutschland".

Unheilspropheten
Daß es nun im Hinblick auf das Jahr 2000 "Fünf vor Zwölf" sei und man mit dem Ende der Welt oder zumindest mit kosmischen Katastrophen zu rechnen habe, behaupten seit längerem die Führer obskurer Gruppen und Sekten, aufgeregte Astrologen und selbsternannte "Propheten".

Jehovas Zeugen
Zu den bekanntesten Endzeit-Verkündern gehören ja seit mehr als hundert Jahren die Zeugen Jehovas. Ihr wichtigstes Stichwort lautet "Harmagedon" (Offenbarung 16,16). Darunter verstehen sie, daß Gott in Kürze - am Ende der von ihnen "errechneten" 6000 Schöpfungsjahre - einen gewaltigen Krieg gegen alles Böse der Welt, einschließlich aller Nicht-Zeugen Jehovas führen wird. Ist die Welt vom Bösen gereinigt, werden die Zeugen Jehovas auf der dann paradiesischen Erde leben; 144 000 von ihnen (die "Gesalbten") regieren mit Christus als Priester und Könige im Himmel.
Die Schrecken des "Krieges von Harmagedon" malt sich jeder Zeuge Jehovas (nach Vorgabe der Wachtturm-Gesellschaft) in grellen Farben aus. Alle bisher angegebenen Daten für "Harmagedon" (1914, 1924, 1975) haben sich als falsche Berechnungen erwiesen. Dennoch halten Jehovas Zeugen strikt daran fest, daß sich diese Schrecken "in Kürze" ereignen werden.

Concerned Christians
Im November 1998 wurde der Fall einer amerikanischen Kleinsekte bekannt, bei der sich Endzeitvorstellungen und religiöser Wahn mischen. Die etwa 70 Anhänger umfassende Gruppe nennt sich "Concerned Christians" (Besorgte Christen), hat ihren Sitz in Denver/Colorado und wird von dem 45jährigen Monte King Miller geführt, einem ehemaligen Marketing-Manager des Konzerns "Procter & Gamble". Die von der Polizei beobachtete Sekte war im Herbst 98 plötzlich verschwunden. 15 Mitglieder, unter ihnen Miller, hatten sich nach Israel aufgemacht, um dort am 31. Dezember 1999 das Ende der Welt zu erwarten. Geplant waren vorher Anschläge auf heilige Stätten, um die Rückkehr des Messias zu beschleunigen. Sie nannten ihr Vorhaben einen "apokalyptischen Akt". Der Sektenführer hatte zudem vor, mit seinen Anhängern am Jahresende Selbstmord zu begehen, um dann drei Tage später in den Straßen Jerusalems wieder aufzuerstehen. Bei ihrer Verhaftung in einem Vorort von Jerusalem gaben sie an: wenn sie von Polizeibeamten erschossen worden wären, hätte das ihren "direkten Aufstieg in den Himmel" bedeutet. Die Sektierer wurden Mitte Januar aus Israel ausgewiesen. Die Behörden in Israel erwarten für das Jahr 2000 mehr als vier Millionen Pilger. Das Innenministerium hat eine 400köpfige Sondereinheit der Polizei gebildet, die radikale Sekten und religiöse Fanatiker identifizieren und an der Einreise hindern soll.

Uriellas Fiat Lux
Auch in Deutschland gibt es eine Reihe von Gruppierungen, die das Ende der Welt propagieren. Bekannt geworden ist vor allem "Uriella" (Erika Bertschinger), eine 1929 geborene Schweizerin, die als "Sprachrohr Gottes" und Leiterin der Sekte "Fiat Lux" (Es werde Licht) in die Öffentlichkeit tritt. Durch sie spricht "Maria" oder "Jesus Christus", wie sie sagt, wodurch die "Offenbarungen" bei den stets weiß gekleideten Anhängern absolute Gültigkeit erhalten. In der sekteneigenen Schrift "Der heiße Draht" vom Dezember 1997 fanden sich Aussagen darüber, was in den Jahren 1998 und 1999 geschehen solle: "Große Epidemien, Seuchen und Krankheiten nehmen überhand. Die Mediziner finden keine Lösung, um den Menschen zu helfen". Dann "offenbart Jesus Christus" durch Uriella neue Mittel, mit denen sich die Anhänger schützen können: "Kosmische Ätherenergien" schirmen den Körper gegen Viren und Bakterien ab; gegen Radioaktivität helfen "Antistrahlentropfen", und täglich zwei Tassen grünen chinesischen Tees beugen gegen Strontium 90 vor.
Zu den weiteren Vorboten der Endzeit gehören Pest, Cholera und Lepra, die Deutschland heimsuchen. Und dann hieß es in dem Sektenblatt: am 9. August 98 beginnt der Dritte Weltkrieg, der drei Monate dauert. Die Russen marschieren in Westeuropa ein. In Asien geraten die USA, Taiwan und China in einen großen militärischen Konflikt. Noch vor Weihnachten 1998 stürzt ein riesiger Komet in die Nordsee mit verheerenden Folgen für Deutschland. "Sämtliche Gebiete in Nord- und Westdeutschland werden überschwemmt, weil die Wellen eine Höhe von 200 bis 300 Metern erreichen" (S. 12). Auch benachbarte Länder versinken im Meer. Relativ sicher sind die Anhänger im Südschwarzwald, in Ibach (Krs. Waldshut), weil dort die Sektenzentrale als "geistiger Kraftort" liegt.
1999 kommt dann die Apokalypse, hier verstanden als Katastrophe in Gestalt eines Polsprungs über die Welt. In Mittelamerika schlägt ein Asteroid ein und läßt den Kontinent zerbrechen. Zwei Drittel der gesamten Menschheit werden vernichtet, bevor 1999 die "Erdkugel" aus ihrer Umlaufbahn gehoben wird, (Der heiße Draht, Jan. 98). Theoretische Rettung für das verbliebene Drittel der Menschen bringen "kugelrunde, unbemannte Flugraumkörper"; allerdings dürfen nur diejenigen einsteigen, die den "Offenbarungen" Uriellas geglaubt haben. Später erfolgt die Rückkehr auf die Erde. "Millionen von Engeln werden auf der gereinigten Erde mit ihrer Gedankenkraft eine neue Vegetation, Tiere und auch schneeweiße Städte aus Marmor mineralisieren. ... Wir werden dann in unseren Breitengraden tropisches Mittelmeerklima haben. Paradiesische Zeiten brechen also für 1000 Jahre an". (Brief Icordo, 2. Mai 1998).

Astrologen
Auch die Zunft der Astrologen, die bei ihren Prognosen noch nie durch Treffsicherheit aufgefallen ist, trägt in dieser Zeit ihren Teil zur Verunsicherung und Verängstigung bei. Am 5. Mai 2000 gibt es, wie schon so oft, wieder einmal eine besondere Planetenkonstellation: Sechs Planeten in einer Reihe. Die BILD-Zeitung fragte am 6. Mai 1998: "Müssen wir davor Angst haben?" Wissenschaftler fürchten, so schrieb sie, daß uns die geballte Anziehungskraft gewaltige Naturkatastrophen bringe. Ein Versicherungsexperte für 'Naturrisiken' meinte: "Es besteht die reale Möglichkeit, daß die Kollektivkraft dieser Planeten Verschiebungen in der äußeren Erdkruste verursacht. Dadurch können weltweit mehrere hundert Meter hohe Flutwellen, Orkane und Vulkanausbrüche ausgelöst werden". Und der Versicherer Lloyd's in London habe angeblich schon eine "MillenniumsArbeitsgruppe" gebildet, um die drohenden Milliarden-Schäden abzuschätzen. Der Physikprofessor und Leiter der Archenhold-Sternwarte in Berlin-Treptow, Dieter Hermann, hat die Situation vom Mai 2000 per Computer analysiert . Das Ergebnis: "Die Kräfte, die dabei zusätzlich auf die Erde einwirken, entsprechen dem Gewicht einer Stubenfliege, die auf einem fahrenden 40-Tonnen-LKW landet". Schon am 15. März 1982 hatte es eine regelrechte "Killer-Konstellation" von neun Planeten auf einer Seite der Sonne gegeben, wie sie alle 179 Jahre vorkommt. Passiert war 1982 nichts. Dennoch sind die Astrologen unverdrossen. Für den 11. August 1999, den Tag der größten Sonnenfinsternis des Jahrhunderts, sehen sie "etwas ganz Schlimmes" auf die Erde zukommen: Saturn, Mars, Uranus und Neptun bilden über den Tierkreiszeichen Löwe, Stier, Skorpion und Wassermann ein Quadrat; eine, nach Meinung der Astrologen, höchst gefährliche kosmische Entwicklung, etwas, "was es so noch nie gab".

Nostradamus
Dabei greifen sie auch auf den Ur-Vater aller Weis- und Wahrsager zurück, den französischen Arzt und "Seher" Nostradamus (1503-1566). Er habe in einem Vierzeiler schon im 16. Jahrhundert auf dieses Ereignis hingewiesen: "Im Jahre 1999 und sieben Monate wird vom Himmel der große König des Terrors kommen. Er wird den König von Angouleme wieder zum Leben erwecken. Davor und danach wird Krieg sein auf der Erde" (10,72). Diese Zeitangabe des Julianischen entspricht dem Monat August 1999 des Gregorianischen Kalenders. Wer war dieser "Nostradamus", der durch die Jahrhunderte viele Menschen bewegt hat und es immer noch tut? Er wurde als Michel de Notredame am 14. Dez. 1503 (Julianischer Kalender) als Sohn eines zum Katholizismus konvertierten jüdischen Notars namens Ja'akov (Nachname nicht überliefert) in St. Re_[my (Provence) geboren. Er lernte bei seinem Großvater mütterlicherseits, dem Leibarzt des Herzogs von Kalabrien, die Sprachen Griechisch und Hebräisch und wurde mit der Kabbala (jüd. Geheimlehre) und Astrologie vertraut. Nach seinem Medizinstudium in Montpellier arbeitete er von 1529 als Pestarzt in Agen/Garonne. Wegen kritischer Äußerungen zur Marienverehrung bekam er 1538 Ärger mit der Inquisition in Toulouse und ging ins Exil nach Venedig und Sizilien. 1547 zurück aus Italien, ließ er sich 1547 in Salon bei Marseille nieder und praktizierte erneut als Arzt. Er heiratete zweimal und hatte mehrere Kinder. In seinem Haus in Salon baute er sich ein kleines Observatorium und legte eine Bibliothek mit Literatur über Okkultismus an. Nach eigenen Angaben saß er hier auf einem dreibeinigen Magier-Schemel (Drudenfuß) und befragte mit Hilfe einer Wünschelrute, eines Destillierkolbens und einer Wasserschüssel (Funktion einer Kristallkugel) die Sterne:

"Sitz ich des Nachts, zu forschen in geheimen Dingen / Allein, zurückgelehnt auf ehernem Gestühl /
Dann läßt die Einsamkeit und ihre kleine Flamme das gelingen / Was für den Glauben nimmer ist zuviel./
Faß ich die Wünschelrute an den Zweigen / So dringts wie eine Welle mir durch Kleid und Glieder /
Furcht, eine Stimme heißt mich schweigen / Göttlicher Glanz, Göttliches schwebt hernieder"
(1,1; 2,1).

Seine Visionen und Prophezeiungen, von 1555 an veröffentlicht, hat Nostradamus in 942 Vierzeiler (Quartain) gefaßt, die in zehn sog. "Zenturien" gesammelt sind, kleine Bändchen, die jeweils 100 solcher Verse enthalten. Die Sprache ist ein Gemisch aus Altfranzösisch und Latein mit eigenen Wortschöpfungen. Der Zeitbogen der Weissagungen reicht dabei von 1552 bis in das Jahr 3797 n. Chr. Nostradamus starb am 2. Juli 1566 an einem Asthmaanfall und wurde in der FranziskanerMinoriten-Kirche in Salon beigesetzt. Heute ruhen seine Gebeine in der dortigen Eglise St. Laurent. Bis in die Gegenwart hinein hat es über 400 Leute gegeben, die in ihren Büchern versuchten, die Orakelsprüche des Nostradamus zu entschlüsseln. Da es in den Versen keine Datenangaben gibt, bis auf den Spruch über 1999, kann jeder mit viel Phantasie nachträglich die Prophezeiungen mit geschichtlichen Ereignissen in Verbindung bringen und die "Erfüllung" der Weissagungen behaupten.

"Propheten" unserer Zeit
Zurück zu den "Propheten" unserer Zeit. Die weitreichendsten Voraussagen kamen um 1980 aus Amerika. Da hatte ein Geologe namens Jeffrey Goodman, der sich mit "Katastrophenwissenschaft" beschäftigt, verschiedene "Sensitive" um sich gesammelt, die in die beiden Jahrzehnte 1980-1990 und 1990-2000 vorausschauen sollten. Die in einem Buch niedergelegten Ergebnisse sind im wahrsten Sinne des Wortes "weltstürzend". Das Gesicht unserer Erde wird demnach, durch Verschiebung der Kontinentalplatten, Aufwölben der Erdkruste und einen Polsprung, total verändert. Nachdem es zwischen 1980 und 1990 nur kleinere bis mittlere Störungen der Erdverhältnisse geben sollte, wurden bis 2000 weltweite Veränderungen nie dagewesenen Ausmaßes prophezeit. Hier einige Beispiele: Kalifornien verschwindet von der Landkarte; es versinkt im Meer. Der Pazifik bildet jetzt eine riesige Bucht, die bis zu den Rocky Mountains reicht. Die Großen Seen verdoppeln ihre Fläche und ergießen ihre Wassermengen in den Mississippi, der dann eine gewaltige Wasserverbindung zwischen dem Golf von Mexiko und den Großen Seen bildet. New York versinkt im Jahre 1997 in den Fluten, ebenso wie Japan. Asien hat bis zu diesem Jahr die Hälfte seiner Landmasse verloren. In Afrika bohren sich riesige Fjorde wie gigantische Finger in den Kontinent. In Europa passiert ebenfalls Bemerkenswertes. Teile der Britischen Inseln versinken, dafür wird eine Landbrücke zum Kontinent gebildet. Dänemark wird vom Festland getrennt, Skandinavien in Hunderte von großen Inseln verwandelt. Von der Nordsee bis zum Schwarzen Meer steht alles unter Wasser. Dafür taucht an verschiedenen Stellen der Weltmeere neues Land aus der Tiefe auf: so etwa bei den Bahamas. Der versunkene "Kontinent Atlantis" erhebt sich bei den Azoren aus dem Atlantik. Die Meerenge zwischen Gibraltar und Tanger wird geschlossen.
Ein anderer "Prophet" namens GordonMichael Scallion, der eine Wesenheit mit der Bezeichnung "Matrix" channelt, hat inzwischen Landkarten mit dem "neuen Gesicht der Erde" drucken lassen, die für 45,- $ das Stück reißenden Absatz finden.

Prophezeiung nicht eingetroffen
Nun befinden wir uns in der guten, für die Schwarz- und Hellseher allerdings peinlichen Lage, daß wir inzwischen 1999 schreiben und feststellen können, daß nichts von dem Vorhergesagten eingetroffen ist. Wer die von den Endzeitpropheten unserer Tage angebotenen Szenarien analysiert, wird feststellen, daß es darin nichts Neues oder Originelles gibt. Die Kollegen der heutigen Schwarz- und Hellseher haben im Laufe der Geschichte so oder ähnlich auch schon prophezeit. Alle bedienen sich dabei der gleichen Motive und Versatzstücke. Es ging bzw. geht immer um Feuer und Fluten, Erdbeben und Vulkane, Klimaänderung und Polsprung, Vernichtung der Menschheit und Überleben einer kleinen Schar. Neu hinzugekommen sind allerdings jetzt die Aspekte "Außerirdische" und "Meteoriten".
Wenn man bedenkt, wie höllisch es im Verlauf der sich über Milliarden von Jahren hinziehenden erdgeschichtlichen Entwicklung zugegangen sein muß, als die ganze Erde noch ein brodelnder, glühender Pfuhl war, dann sind die prophezeiten Ereignisse nur linde Lüftchen und ein sanftes Plätschern. Die Frage, warum denn nun ausgerechnet jetzt in den 90er Jahren oder exakt im Jahr 2000 Dinge geschehen sollen, die sich über Hunderte von Millionen Jahren nicht bewegt haben, können auch die Hellseher nicht beantworten.

Weltuntergang und Endzeit - Thema der Religionen
Wer die Religions- und Kirchengeschichte aufmerksam studiert wird bemerken, daß vom altpersischen Religionsgründer Zarathustra (6. Jahrh.v.Chr.) bis zur gegenwärtigen New-Age-Bewegung und von den alttestamentlichen Propheten bis zu den Selbstmordsekten unserer Jahrzehnte (Volkstempel, Sonnentempler, Heaven's Gate u.a.) der Gedanke von "Endzeit" oder "Wendezeit" immer eine wichtige Rolle gespielt hat.
Es scheint so, als ob die Vorstellung vom Ende des als "böse" empfundenen Gegenwärtigen und vom Beginn eines "viel besseren" Zukünftigen wesensmäßig zum Glaubensgut der meisten Religionen gehört. Allerdings gibt es hier große Unterschiede im Hinblick auf die Struktur und den entsprechenden Zeitplan. Naturgemäß stehen die nicht-christlichen Religionen dabei außerhalb der christlichen Zeitrechnung (wie anfangs erwähnt), womit auch das "magische Datum 2000" für sie überhaupt keine Rolle spielt. Der Hinduismus etwa kennt ein System von vier "Yuga" genannten Weltzeitaltern, bei denen immer wieder, sich unendlich drehend, eins auf das andere folgt, in Zeitabschnitten von jeweils Hunderttausenden von Jahren. Demnach leben wir gegenwärtig im Kali-Yuga (dem "dunklen Zeitalter"), das 432 000 Jahre dauert und vor 5000 Jahren mit der Geburt des Gottes Krishna begann. Dann folgt das ersehnte "Goldene Zeitalter" (Krita-Yuga) mit 1 728 000 Jahren.
Bei den Parsen, in der Religion des Zarathustra, hat man auch noch etwas Zeit. Der Avesta, ihre heilige Schrift, berichtet, daß 3000 Jahre nach dem Religionsgründer Zarathustra der endzeitliche Retter Saoshyant kommt. Ein Meteor stürzt herab und schmilzt das Metall der Berge, wodurch ein riesiger See glühenden, flüssigen Eisens entsteht. Die Frommen schreiten unbeschadet hindurch, die Gottlosen werden darin gereinigt oder verbrannt. Religionswissenschaftler nehmen übrigens an, daß die jüdisch-christliche Apokalyptik von solch altpersischzoroastrischen Vorstellungen beeinflußt wurde. Andere Religionen rechnen zwar allgemein mit dem großen Wechsel, nennen jedoch keinen konkreten Zeitrahmen.

Judentum
Im Judentum hofft man auf den verheißenen Messias, der den "Schalom Gottes" bringen wird, wie in Jesaja 11 beschrieben. Dort lesen wir über sein Amt und seine Herrschaft: ein messianischer Führer, der die politische Tyrannei jeglicher Art beenden wird. Es gab jüdische Sekten, die den Messias schon ganz nahe wähnten (z.B. die Esséner aus Qumran vor 2000 Jahren und die Anhänger des Sabbatai Zwi im 17. Jahrhundert). Da nach jüdischer Tradition der Prophet Elia dem Messias vorausgehen muß, ist es nicht verwunderlich, daß im heutigen Israel verschiedene Gruppen der Meinung sind, daß Elia schon wieder unter ihnen lebt, vielleicht auch schon der Messias selbst.

Islam
Die Endzeitvorstellungen des Islam, das endzeitliche Weltgericht, wie sie in den Suren 81, 82 und 99 des Koran zu finden sind, haben erkennbar jüdische und christliche Elemente aufgenommen.

Buddhismus
Im Buddhismus kennt man als zukünftige Heilsgestalt den "Buddha Maitreya" (der "Liebende"), der in etwa 30 000 Jahren in Erscheinung treten und das Leiden der Welt beenden soll.

Christentum
In der Geschichte des Christentums war es dagegen schon sehr oft "Fünf vor Zwölf": Angefangen von der Naherwartung der Urgemeinde über die Sekte der Montanisten (2. Jahrh.), den italienischen Abt Joachim von Fiore (11351202), der für 1260 den Abbruch des "Dritten Zeitalters" (das des Heiligen Geistes) verkündete, bis hin zu Martin Luther, der 1521 den bevorstehenden "lieben Jüngsten Tag" predigte, und den Endzeitspekulationen der Gegenwart, um nur einige Beispiele zu nennen.

Vergleich
Bei einem synoptischen Vergleich der verschiedenen Endzeitvorstellungen der Weltreligionen ergeben sich zwei Spannungsfelder, die sich wohl kaum auflösen lassen. Das erste bezieht sich auf den Gegensatz von individueller und universaler Eschatologie. Jeder einzelne Gläubige ist von den Vorgaben seiner Religion geprägt, natürlich auch im Hinblick auf die Hoffnungen und Ängste, die das Ende der Welt bzw. das "Jenseits" betreffen. Welche Gültigkeit aber haben die Endzeitlehren einer bestimmten Religion für die übrige, nicht dazu gehörende Menschheit? Wer wird schließlich Retter und Erlöser dieser Welt sein: Jesus Christus, Saoshyant, Maitreya, Kalki (die zehnte und letzte Inkarnation des Gottes Vishnu), der Zwölfte Imam der Shi'iten, der jüdische Messias oder einer der vielen Hundert anderen "Heilsbringer"? Alle Religionen erheben hier ja universale Ansprüche. Und wo werden die Menschen die Ewigkeit verbringen: Im islamischen Paradies, im christlichen Reich Gottes, im buddhistischen Nirvana, im hinduistischen Brahman (der Weltenseele) oder noch woanders?
Das zweite Spannungsfeld ergibt sich aus dem Gegenüber von zirkularem und linearem Denken. Die hinduistischen und buddhistischen Weltzeitalter bilden ein sich unendlich drehendes Rad. Die jüdisch-christliche Tradition kennt dagegen eine Geschichtslinie mit einem Anfang, einer Mitte der Zeit und einer Vollendung. Beide Konzepte lassen sich nun aber schwerlich miteinander verbinden.

Christliche Chronologie und das Jahr 2000
Eine der größten Kulturleistungen der Menschen ist wohl die Entwicklung eines Systems zum Messen der Zeit, vom einfachen Beobachten und Zählen der Naturvorgänge bis hin zur Konstruktion einer Cäsium-Atom-Uhr, die in zwei Millionen Jahren nur eine Sekunde nachgeht. Alle frühen Hochkulturen waren auf unterschiedlichen Wegen zum gleichen Ergebnis gekommen, daß bei der Zeitmessung Sonne und Mond als die entscheidenden Orientierungspunkte zu gelten haben.
Die alten Ägypter waren mit der Festlegung eines Sonnenjahres auf 365 Tage, 5 Stunden und 48 Minuten schon sehr präzise. Julius Cäsar, der diese Zeitrechnung kennengelernt hatte, schaffte 46 v.Chr. den bis dahin im Römischen Reich geltenden Mondkalender mit seinen 355 Tagen und einem komplizierten System von Schaltjahren ab und führte das ägyptische Sonnenjahr ein, das nur einen Schalttag alle vier Jahre nötig machte. Diese später so benannte "Julianische Kalenderreform" mit ihren Monatseinteilungen und -bezeichnungen ist bis heute gültig geblieben. Sie wurde allerdings Ende des 16. Jahrhunderts im Auftrag von Papst Gregor XIII noch einmal überarbeitet, da es sich herausgestellt hatte, daß das Julianische Jahr gegenüber dem Sonnenjahr jeweils um 11 Minuten zurückblieb. So wurde entschieden, daß 1582 auf den 4. Oktober gleich der 15. Oktober folgte. Weiterhin wurde festgelegt, daß in je 400 Jahren dreimal nicht 'geschaltet' werden sollte, was die Angleichung an die Sonnenrechnung auf Jahrtausende hin sehr genau machte. Diesen verbesserten "Gregorianischen Kalender" akzeptierten die Katholiken sofort, die protestantischen Länder aber erst im Verlauf des 18. Jahrhunderts (1776), und die Führer der Sowjetunion erst nach dem Ersten Weltkrieg.
Nun ist jedoch noch die Frage offen, warum wir uns jetzt im Jahr "1999" befinden und Endzeitpropheten mit dem Hinweis auf das Jahr "2000" Angst verbreiten können? In den Kulturen und Religionen gab es das Problem, wie denn über ein einzelnes Jahr hinaus gezählt und ein bestimmtes geschichtliches Ereignis zeitlich fixiert werden sollte. In vielen Teilen der Welt, so auch im Alten Orient und im Römischen Reich, rechnete man nach den Jahren der jeweiligen Herrscher, in Griechenland nach den alle vier Jahre stattfindenden Olympischen Spielen. In Rom wurde zunächst nach den Amtsjahren der Konsuln und später nach denen der Kaiser gezählt, auf dem Raster "ab urbe condita", d.h. von der Gründung Roms ab, die der Legende nach 753 v.Chr. geschehen sein soll. Diese Zählweise hielt sich im christlichen Abendland bis in das frühe Mittelalter.

Die Osterberechnungen des Dionysius Exiguus
Im 6. Jahrhundert gab Papst Johannes I (523-626) einem aus Skythien stammenden und in Rom lebenden Mönch namens Dionysius Exiguus (ca. 470 - ca. 550) den Auftrag, die Ostertermine für eine längere Zeit im voraus zu berechnen. In jener Zeit galt als Ausgangspunkt der Berechnungen immer noch das Jahr des Regierungsantritts von Kaiser Diokletian (243-313), nämlich der 29. August 284. Nun wollte Exiguus aber diesen grausamen Christenverfolger nicht auch noch auf seinen Ostertafeln verewigen und kam 526 auf die Idee, die Jahre stattdessen "ab Christi Geburt" (anni ab incarnatione domini) zu rechnen. Ihm lagen sämtliche Konsullisten vor und so setzte er das Jahr 754 ab urbe condita, also das 754. Jahr seit der Gründung der Stadt Rom, als das Jahr 1 n. Chr. fest, wobei es also kein Jahr "0" gab. (Auch war die Null als rechnerische Einheit noch nicht bekannt.)
Diese Zählweise verbreitete sich allerdings nur ganz langsam in Europa. Ab dem 9. Jahrhundert war sie dann aber, auch im säkularen Bereich, allgemein im Gebrauch.
Nun wußten Historiker, Exegeten und Religionswissenschaftler schon seit langem, daß die Geburt Jesu nicht in einem "Jahr Null" stattgefunden haben konnte. Die Evangelien berichten, daß er zu Lebzeiten des Kaisers Augustus und des Königs Herodes geboren wurde. Augustus herrschte von 30 v.Chr. bis 14 n.Chr. und Herodes der Große starb nach 33jähriger Herrschaft als Siebzigjähriger im Jahre 4 v.Chr. Dieses ist der einzige Fixpunkt. Die Berechnungen von Astronomen, die für das Jahr 7 v.Chr. eine ungewöhnliche Planetenkonstellation von Saturn und Jupiter ("Stern von Bethlehem") ergaben, sind zwar interessant, aber nicht unbedingt beweiskräftig. Fünf Jahre sind jedoch mindestens als Differenz zu unserem Datum 2000 festzustellen. Demnach hat die Jahrtausendwende, nämlich 2000 Jahre nach Christi Geburt, schon 1995 stattgefunden.

Andere Zeitrechnungen
Wie schon erwähnt, haben andere Kulturen und Religionen ihre eigenen Zeitberechnungen. Es sollen hier der Mayakalender, die indianischen, chinesischen und anderen exotischen Systeme außer acht gelassen und nur die beiden anderen monotheistischen Religionen ins Auge gefaßt werden: Seit dem 9. Jahrhundert rechnen z.B. die Juden nach der "Weltära", d.h. von der auf das Jahr 3761 v.Chr. festgesetzten 'Weltschöpfung' ab. Die Moslems mit ihrem Mondkalender legen den Zeitpunkt der Flucht Mohammeds von Mekka nach Medina 622 zu Grunde. Interessanterweise haben die Kopten, eine alte christliche Kirche in Ägypten, das seinerzeit von Exiguus verworfene diokletianische Schema beibehalten. Am 1. Januar 2000 schreiben die Juden also den 23. Tevet 5760, die Moslems den 24. Ramadan 1420 und die Kopten den 23. Kishek 1716.
Das magische Jahr 2000 wird demnach einerseits durch die Fehler in der Rechnung des Exiguus und die Unsicherheiten der Gregorianischen Kalenderreform entzaubert und andererseits durch die Zeitrechnung der Kopten und die der anderen Weltreligionen relativiert.

"Seid nüchtern und wachet!" (1. Petrus 5,8)
Das neutestamentliche Zeugnis ist eindeutig: den Zeitpunkt des Weltendes, besser der Vollendung der Welt, kennt gemäß Matthäus 24,36 niemand, auch der Sohn (Jesus Christus) nicht, sondern nur Gott der Vater. Um so erstaunlicher ist es deshalb, daß sich auch Christen immer wieder verleiten lassen, zu rechnen, zu spekulieren und zu phantasieren. Sie begehen dabei grundsätzliche Fehler, die stets zu falschen Prognosen und Terminberechnungen führen müssen, wie die Geschichte zeigt. Die Fehler bestehen unter anderem darin, historische und prophetische Zahlenangaben der Bibel zu verwechseln oder miteinander zu vermischen; politische Entwicklungen und Ereignisse der Gegenwart als apokalyptische "Zeichen der Zeit" zu deuten (Hal Lindsey, Wim Malgo, Adventisten, Zeugen Jehovas) und 'normale' Naturkatastrophen, die es seit Anbeginn der Welt gegeben hat, mit biblischen Aussagen zu verknüpfen; die eigenen Vermutungen und Spekulationen als "christliche Lehre" auszugeben; und unverdrossen zu behaupten, die gerade lebenden Menschen seien "die letzte Generation".

Apokalyptik als Enthüllung der Vollendung
Was aber bedeutet nun eigentlich "biblische Apokalyptik"? Das (aus dem Griechischen stammende) Wort "Apokalypse" läßt sich mit "Offenbarung" oder "Enthüllung" übersetzen. Die beiden großen apokalyptischen Texte der Bibel, das alttestamentliche Buch Daniel und die neutestamentliche Offenbarung des Johannes, wollen in visionärer Weise den Fortgang der Weltgeschichte "enthüllen" und deren Linien bis zum Ende ausziehen. Mit dramatischen Bildern und mythischen Gestalten wird ein in kosmischen Dimensionen geführter Kampf zwischen Gut und Böse, Gott und dem Antichristen (Satan) geschildert.

Den im Glauben Treuen, aber an den Verhältnissen bzw. unter Verfolgung Leidenden wird der Trost vermittelt, daß widergöttliche Mächte zur Zeit zwar noch die Herrschaft über die Welt und die Menschen innehaben, daß am Ende jedoch Gott und Jesus Christus Sieger bleiben. Damit kommt dann die Geschichte zur Vollendung; sie wird also nicht beendet.
Diese Vollendung ist in der Person Jesu Christi und in seinem Heilshandeln schon deutlich erkennbar geworden, womit die Glaubenden zu jeder Zeit ein "Pfand" in der Hand hielten. So gesehen leben Christen seit dem irdischen Wirken Jesu in der "Endzeit", die also kein bestimmtes Datum, sondern eine 'Qualität', einen Zustand meint. Der kommende ist immer auch der gegenwärtige Herr. Das Motto kann deshalb für Christen nur lauten: "Seid nüchtern und wachet!" Gefordert sind nicht ängstlicher Rückzug oder phantasievolle Spekulationen, sondern aufmerksame Teilnahme am Alltagsleben und die Erfüllung der Aufgaben im Hier und Jetzt (Matthäus 25, 35-46). Dazu ermutigt uns die Hoffnung auf die Zukunft Gottes, die uns gleichzeitig die Angst vor der Gegenwart nimmt.

Ein Engel fesselt den Satan
und wirft ihn in den Abgrund.
Aus Albrecht Dürers Holzschnittfolge:

Engel

"Die Apokalypse" 1498


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