Schweiz: Scientology blitzte vor Gericht ab

Altstätten: Anklagekammer des Kantons schützt das Vorgehen der Sektenkennerin Elsbeth Bates

von Pius Schärli

Die Anklagekammer des Kantons St. Gallen hat die vom Scientologen Donat Roth gegen Elsbeth Bates eingereichte Klage wegen Rassendiskriminierung abgelehnt. Die Verfahrenskosten muß der Beschwerdeführer tragen. Ein dreiköpfiges Gremium, das unter dem Vorsitz von Kantonsrichter Hardy Notter stand, kam gestern Vormittag zu einem einstimmigen Entscheid. Die Altstätter Sektenkennerin Elsbeth Bates hat demnach bei ihrer Aufklärungsarbeit an einer Altstätter Schule, bei der sie über die Machenschaften von Scientology referierte, nicht gegen den Artikel 261 des Strafgestzbuches verstossen.

Die Anklagekammer des Kantons St. Gallen erachtet es demnach als nicht notwendig, dass eine Strafuntersuchung eingeleitet wird. Mit ihrem Entscheid bestätigt sie die Urteilssprüche des Bezirksamtes Oberrheintal und der Staatsanwaltschaft, die zu einem früheren Zeitpunkt bereits die Klage abgewiesen hatten. Ein zeitlich und finanziell aufwendiges Verfahren mit Stellungnahmen, Gutachten und Befragungen konnte damit abgewendet werden. Der Urteilsspruch dürfte in der ganzen Schweiz Beachtung finden. Dies umso mehr als sich erstmals in der Schweiz ein Kantonsgericht mit der Anwendung des Rassismusartikels hat befassen müssen; so jedenfalls glaubt der Kantonsrichter Hardy Notter informiert zu sein. Dem Urteil dürfte deshalb eine gewisse präjudizierende Wirkung zukommen.

Keine Religion

Die Anklagekammer hat, ausführlicher als die beiden ersten Gerichte, den Sachverhalt noch einmal geprüft. Die zentrale Frage für Notter ist gewesen: Inwieweit fällt die Gruppierung Scientology unter den Schutz des Artikels 261. Nach reiflicher Überlegung und Prüfung ist die Anklagekammer zum Schluss gekommen, dass es sich "bei Scientology um keine Religion handelt, wie es dem Gesetzgeber beim Erlass dieses Artikels vorgeschwebt ist." Die Anklagekammer hat sich bei dieser Klassifizierung auf die Selbstdarstellung der Gruppierung abgestützt.

Diese nennt sich laut deren eigener Definition nicht Religionsgruppe, sondern "eine religiöse Philosophie in ihrer wahrsten Bedeutung, weil sie den Menschen zu völliger Freiheit und Wahrheit führt." Das Wort Philosophie impliziert aber laut Hardy Notter "eine Weltanschauung mit zwar religiösem Charakter, nicht aber eine eigentliche Religion". Für Notter ist der Begriff Religion durch die Auseinandersetzung mit einem überirdischen, göttlichen Wesen gekennzeichnet. Die Anklagekammer kam zum Schluss, dass bei den Scientologen die transzendentale Dimension fehlt. Nicht von aussen beeinflusst Scientology fällt deshalb laut Notter nicht in den Kreis von Religionsgemeinschaften: "Sie ist keine Kirche, auch wenn sie dies von sich behauptet."

Die Organisation habe zwar religiöse Züge, der Kernbereich aber fehlt. Beistand von theologischer Seite hat das Gericht bei der Klärung der Frage, ob Religion oder nicht, keinen bezogen. "Wir haben den gesunden Menschenverstand walten lassen", so Notter. Hardy Notter betont zudem, dass sich die Anklagekammer bei ihrem Entscheid nicht von Vorgängen im Ausland habe leiten lassen. Der schriftliche Entscheid wird den beiden Parteien Ende der Woche zugestellt. Donat Roth steht noch die Möglichkeit offen, staatsrechtliche Beschwerde am Bundesgericht in Lausanne einzureichen.

Der Artikel erschien zuerst am 13.2.1997 in der Rheinthalischen Volkszeitung