Internationales Christliches Seminar "Totalitäre Kulte in Rußland"

Moskau 16. - 20. Mai 1994
  1. Einleitend
  2. Zur Religionsfreiheit
  3. Zum Verhältnis von "westlichen" christlichen Gruppen und Orthodoxie
  4. Gemeinsame Ablehnung christlicher Extrem-Sekten
  5. Zu esoterischen Gruppen
  6. Totalitäre fordern Toleranz
  7. Zusammenarbeit der Kulte und Kritikerbekämpfung
  8. Probleme der Religionspolitik in Rußland
  9. Appell an Pädagogen und Verantwortliche im Ausbildungsbereich
  10. Schlußbitte
An dem ersten Internationalen Christlichen Seminar über "Totalitäre Kulte in Rußland" vom 16.-20. Mai 1994 nahmen ca. 250 Personen teil, darunter Referenten und Teilnehmer aus Russland, Belgien, Belorußland, Finnland, Italien, Kasachstan, Lettland, Polen, den USA, Großbritannien, Dänemark, Deutschland, Griechenland, dem Vatikan und der Ukraine. Dadurch waren bei der Konferenz an Kirchen vertreten:

In dem gemeinsamen "Schlußdokument" der Tagung werden verschiedene Punkte besonders hervorgehoben:

Einleitend

heißt es in der Erklärung, die Erfahrung in Rußland habe gezeigt, daß ein Land, in dem die christliche Religiosität zerstört wurde, anfällig sei für primitivsten heidnischen Aberglauben, der im Lande selbst entstehen könne, aber auch von außen hereingebracht werde.

Die Aktivitäten der totalitären Kulte und ihre Rekrutierungsaktivitäten, die z.Zt. &völlig ungeprüft und ungebremst durch gesetzliche Bestimmungen verlaufen, sind nach Ansicht der Konferenz in der Lage, die Sicherheit, den bürgerlichen Frieden und die Einrichtungen des Russischen Staates zu unterminieren.

Zur Religionsfreiheit

Die Konferenz bekannte sich ausdrücklich zum Existenzrecht aller religiösen Gemeinschaften, die nicht die Menschenrechte verletzen, auch wenn die Teilnehmer der Tagung die Unterschiede zwischen den Religionen nicht verwischen wollen und betonen, daß nicht alle mit den christlichen Wahrheiten übereinstimmen und manche sogar christlichen Wahrheiten widersprechen. Religionsgemeinschaften sollten aber auch untereinander das Recht haben, Unterschiede und Differenzen zu anderen Religionsgemeinschaften darzustellen.

Zum Verhältnis von "westlichen" christlichen Gruppen und Orthodoxie

Die Teilnehmer der Konferenz haben in ihrer Deklaration das russische Volk gebeten, die Aktivitäten der neuheidnischen Kulte nicht mit der "westlichen" Christenheit zu verwechseln. Besonders baten "westliche" Teilnehmer der Konferenz ihre orthodoxen Brüder und Schwestern, die groben und respektlosen Angriffe gewisser extremer "westlicher" protestantischer Sektenmissionare in Rußland gegen die Orthodoxe Kirche und ihre spirituellen Traditionen nicht zu interpretieren als Haltung der protestantischen Welt im Ganzen gegenüber der reichen geistlichen Tradition Rußlands und des alten christlichen Ostens.

Bild: Abt Johannes, Leiter der Abteilung des Moskauer Patriarchats für Katechese und Religionsunterricht, bei der Eröffnungsandacht des Internat. Christlichen Seminars. Foto: Helle Meldgaard

Gemeinsame Ablehnung christlicher Extrem-Sekten

Übereinstimmend stellten die Teilnehmer aus verschiedenen christlichen Denominationen den nicht-christlichen und inhumanen Charakter von Bewegungen fest wie

Auch die Lehren der Mormonen und der Zeugen Jehovas wurden kritisiert, als in den Fundamenten verdreht bezeichnet und abgelehnt.

Vor der extremen Intoleranz und totalen Kontrolle innerhalb der sogenannten "Boston Church of Christ" wurde ausdrücklich gewarnt.

Besonders kritisiert und als "Irrtum" bezeichnet wurde auch die Erlaubnis bzw. Duldung des russischen Justizministeriums für die Aktivitäten der Kinder Gottes /Familie der Liebe, die im übrigen Europa wegen der Benutzung von Prostitution für Anwerbezwecke kritisiert und gebannt sind.

Zu esoterischen Gruppen

Esoterische religiöse Vereinigungsbestrebungen wurden kritisiert als Versuch von Sekten, ihre Kultlehren unter der Tarnung von Sympathien für das Christentum anzubringen. Die Existenz geheimer und nicht zugänglicher (esoterischer) Lehren in einer religiösen Bewegung sei jeweils Anlaß zu besonderer öffentlicher Besorgnis. Alle religiösen Bewegungen sollten vielmehr ihre \berzeugungen in einer ehrlichen und korrekten Weise jedem, der danach fragt, zugänglich machen.

Die Konferenz stellte im übrigen fest, daß esoterische Lehren wie Theosophie, Anthroposophie und besonders der "Agni- Yoga" der theosophischen Roerich-Familie sogar mit Unterstützung von Staatsführern und der öffentlichen Einrichtungen gefvräert werde; besonders der theosophische "Agni-Yoga" sei nicht nur unvereinbar mit dem christlichen Glauben, sondern feindlich gegen das Christentum gerichtet.

Auch die im Grundzug gegen das Christentum gerichtete, okkultistische und anthroposophische Basis der Waldorfpädagogik wurde hervorgehoben. Die Teilnehmer drückten ihre Bestürzung darüber aus, daß das teilweise rassistische ("Wurzelrassen") System der Anthroposophie, das auch feindlich zu den christlichen Lehren steht, durch den Staat offiziell und direkt unterstützt wird, u.a. durch die Einrichtung einer "Staatsakademie für Eurythmische Kunst" und die Einführung eines auf der Waldorfpädagogik basierenden Lehrsystems an Staatsschulen.

Totalitäre fordern Toleranz

Die Teilnehmer baten die Öffentlichkeit, die Aufmerksamkeit auf die unseriöse Propaganda derjenigen Gruppen zu richten, die aggressiv "Toleranz" für sich selbst fordern, während sie jeden, der nicht mit ihren Lehren übereinstimmt, als unwissenden und ungebildeten Fanatiker abstempeln und oft sogar einen rassischen Unterschied zwischen ihren Anhängern und ihren Opponenten behaupten. Sie seien so kühn, gleichzeitig Christen wegen angeblicher Intoleranz und angeblicher Absonderung, ja sogar wegen Rassismus anzuklagen. Obwohl sie selbst einen "weiten Horizont" für sich in Anspruch nähmen, wollten sie nicht das Recht der Christen anerkennen, einfach Christen zu bleiben. Die Zurückweisung und Ablehnung ihrer Lehren bezeichnen sie schnell als mittelalterliche Intoleranz oder Fanatismus.

Zusammenarbeit der Kulte und Kritikerbekämpfung

Die Konferenz konstatierte die zunehmende Zusammenarbeit der unterschiedlichsten Kulte gegen ihre Kritiker und stellte fest, daß dabei z.B. endlose Gerichtsprozesse, geistiger Terror und andere Mittel eingesetzt würden. Als Ergebnis sei zu verzeichnen, daß Amtsträger und Verantwortliche in den Medien, genervt durch solche Angriffe, aufgeben und den Kulten für ihre Aktivitäten alle Hindernisse (einschließlich der gesetzlich geforderten) aus dem Weg räumen.

Probleme der Religionspolitik in Rußland

Die Probleme der Religionspolitik in Rußland sind erheblich anders als im Westen gelagert. Man muß dazu wissen, daß alle Immobilien, die Mehrheit der öffentlichen Gebäude, Tagungshallen, Kinos, Schulen, Büchereien etc. in Rußland mehr oder weniger Staatseigentum sind. In solchen öffentlichen Gebäuden ist heute die Mehrzahl der Organisationen und Propaganda-Zentren der totalitären Kulte angesiedelt. So ist die Situation entstanden, daß diese Kulte durch den Staat unterstützt werden. Die Teilnehmer betonten, daß kein säkularer Staat Unterstützung für totalitäre Kulte geben darf. Das bedeutet, daß staatliche Einrichtungen geschützt werden müssen vor den Ansprüchen der Kulte, sie für ihre Zwecke zu benützen.

Das Kriterium für die Beziehungen des Staates zu religiösen Gruppen sollte Gegenstand öffentlicher Erörterung sein und auf gesetzlicher Grundlage erfolgen. Auf der Basis solcher Kriterien sollte der Staat deutlich machen, mit welchen Gruppen er überhaupt nicht zusammenarbeitet. Die Gesetzgebung in Rußland bezüglich religiöser Aktivitäten muß weiter verbessert werden. Zur Zeit nutzen einige (religiöse) Gruppen die Situation aus und lassen sich nicht als religiöse Organisation registrieren. Indem sie sich als kulturelles, als Informations- oder als pädagogisches Zentrum deklarieren, haben einige Kulte direkten Zugang zu Schulen erhalten.

Appell an Pädagogen und Verantwortliche im Ausbildungsbereich

Die besondere Anwerbung junger Leute und deren Gefährdung durch die Kulte wurde von der Konferenz betont. Deshalb wurden insbesondere Journalisten, Lehrer, Persönlichkeiten in Kultur und Ausbildung gebeten, sorgfältig über neue religiöse Gruppen zu informieren und nicht etwa für sie zu werben, auch nicht dadurch, daß man mangels eigener Untersuchungen die Werbung der Gruppen weitergibt. "Wir sind selbst Kirchenleute, Journalisten und Lehrer und wir stellen fest, daß unsere berufliche Pflicht - auf- richtig zu unseren Zuhörern zu sein und das zu sagen, was wir tatsächlich bereits wissen - wahrgenommen werden sollte, wenn wir Menschen überreligiöse Fragen informieren" heißt es dazu in der Konferenzdeklaration.

In einigen Fällen, so wurde kritisiert, verweigere die Schulverwaltung sogar den Studenten den Zugang zu Vertretern traditioneller, echter Bekenntnisse, die gesetzlich registriert und anerkannt sind, während z.B. an der Staatsschule 48 in Moskau die Lehre der esoterischen Gruppe "Univers" offizieller Bestandteil des Lehrplans wurde. Es wird von der Konferenz daher eine interkonfessionelle Expertenkommission beim Justizministerium und beim Erziehungsministerium vorgeschlagen, ohne deren Anhörung keine religiösen Programme an staatlichen Schulen eingeführt werden sollten.

Zusammenfassung: Th. Gandow, Berlin

Schlußbitte

Die Tagungsdeklaration des Internationalen christlichen Seminars endete mit einem Dank und einer flehentlichen Bitte: "Es ist unsere Freude, zu erfahren, daß die göttliche Vorsehung, die menschliches Begreifen übersteigt, uns die Erfahrung schenkt, daß wir Christen aus verschiedenen Denominationen, die gemeinsam konfrontiert sind mit der weltweiten Herausforderung durch das Neuheidentum, eins sind, in dem, was am wichtigsten ist: dem Glauben an den Einen Gott und unseren Heiland Jesus Christus.

Wir flehen alle unsere Geschwister, die durch Unwissenheit in das Netz totalitärer Kulte gezogen wurden, an, in sich selbst die Stärke zu finden, die destruktiven Irrtümer zu widerrufen. Kehrt zurück zur Kirche, in der Rettung ist! Denkt stets daran, daß die Türen der Kirche des Herrn Jesus Christus für Euch offen stehen!"