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Themenschwerpunkt Anthroposophie  

BERLINER DIALOG 29, Juli 2006
AUS DER HEIMAT

Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Freunde von Berliner Dialog und Dialog Zentrum Berlin
Von vielen von Ihnen bin ich angefragt worden, warum ich, erstmalig in meiner über 28-jährigen Zeit als Sekten- und Weltanschauungs-beauftragter, einen von mir vorbereiteten innerkirchlichen Studientag - nämlich den Studientag "Anthroposophie und Waldorfpädagogik - Wie christlich ist die Anthroposophie? Wie frei ist die Waldorfschule? Wie schülerzugewandt ist die Pädagogik Rudolf Steiners?",
im Fortbildungsverzeichnis unserer Landeskirche
(http://www.ekbo.de/Dateien/fortbildungsprogramm_2006.pdf)
abgesagt habe.

Heimat 27 Heimat 27 - Unser Büro in Berlin Zehlendorf

Es war davon die Rede, mein Studientag sei "umstritten" gewesen. Es wurde spekuliert, ich hätte meine Meinung zu den in der Tat umstrittenen, okkulten Lehren der Anthroposophie geändert, ich hätte mich unter Druck setzen lassen, oder teils bedauernd, teils schadenfroh: ich hätte "endlich auch einmal eins auf den Deckel bekommen". Wie kam ich zu meiner Entscheidung?

In einem idea-Kommentar von Benjamin Lassiwe konnte man am 10. Februar 2006 Kritik an meiner Absage lesen:
In der falschen Richtung unterwegs…
Zum Streit um die Berliner Studientagung zur Waldorfpädagogik

Es ist eine merkwürdige Situation. Da plant der Sekten- und Weltanschauungsbeauftragte der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), Pfarrer Thomas Gandow, monatelang einen innerkirchlichen Studientag zum Thema Waldorfpädagogik. Dann gibt es plötzlich einen Zeitungsartikel im Berliner Tagesspiegel, Überschrift: "Die evangelische Kirche warnt vor den Waldorfschulen". Vertreter der Waldorfschulen protestieren, Kirchenvertreter erklären, Gandow habe ja gar nicht gewarnt, und nicht mal eine Woche später ist die Studientagung abgesagt.
Besonders die Zwitterstellung des ehemaligen Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Eberhard Diepgen (CDU), mag Beobachter überraschen. Denn in der Debatte um den Studientag erschien er in der Öffentlichkeit als großer Freund der Waldorfschulen. Seine Kinder seien dort gut erzogen worden und die Kritik des Sektenbeauftragten sei überspitzt, erklärte er im Tagesspiegel. Doch der Politiker gehört auch zum Kuratorium der Schulstiftung der EKBO und ist ein wichtiger Unterstützer der Kirche im derzeitigen Kampf um den Religionsunterricht. Für kirchliche Kritik an den anthroposophischen Lehren Rudolf Steiners sind das keine guten Voraussetzungen: Man müsste ja damit rechnen, einen Bundesgenossen zu verprellen. Zumal die Steiner-Schulen ihrerseits während des jahrelangen Streits um die Zuschüsse für die Berliner Schulen in freier Trägerschaft die Position der Kirchen unterstützten.
Aber darf das ein Grund sein, die kritische Auseinandersetzung mit den Lehren der freien Waldorfschulen zu scheuen? Wohl kaum. Denn der Sprecher dieser Schulen, Detlef Hardorp, bestritt während der Diskussion um Gandows Tagung nicht, dass die Waldorfschulen eine Schulklasse als "Schicksalsgemeinschaft" verstünden.
Und ein Lehrer einer Waldorfschule erklärte im "Tagesspiegel", er habe durch die Reinkarnationslehre Steiners einen neuen Blick auf seine Schüler erhalten. Weil sie lange in der "geistigen Welt" waren, könnte es ja sein, dass sie eigentlich viel klüger als der Pädagoge seien. Christlich sind solche Vorstellungen sicher nicht.
Vielleicht hätten Pfarrer Gandow und die Landeskirche die gleich zu Beginn der Debatte geäußerte Kritik der Waldorfschulen ernst nehmen sollen, und besser einen ihrer Vertreter zur Studientagung eingeladen, anstatt die Tagung einfach abzusagen. Wer Siebtklässlern und ihren kirchlich oft ungebildeten Eltern zutraut, sich zwischen den Schulfächern Ethik und Religion entscheiden zu können, sollte engagierten Christen, die wohl das Kernpublikum der Tagung darstellten, auch zutrauen, sich nach mehreren Vorträgen eine eigene Meinung zu bilden.
Die Absage war jedenfalls eindeutig der falsche Weg. Denn in der Öffentlichkeit ist so der verhängnisvolle Eindruck entstanden: "Ist doch alles nicht so schlimm, der Gandow übertreibt mal wieder…" Jeder weiteren Kritik an den Lehren Rudolf Steiners ist der Boden damit wohl entzogen - zumindest, bis der Bischof oder die Pröpstin der EKBO öffentlich erklären, wie sie die Anthroposophie aus theologischer Sicht bewerten, und wo sie die inhaltlichen Grenzen für eine Zusammenarbeit mit den Waldorfschulen sehen. Denn das ist bislang noch nicht geschehen.

Sicher hat Ausgewogenheit hier und da ihren Platz und Diskussionen können manchmal spannend sein. Nun war aber weder eine unterhaltsame Podiumsdiskussion noch eine pro- und contra-Veranstaltung von mir geplant, sondern ein innerkirchlicher Studientag des Pfarramts für Sekten- und Weltanschauungsfragen.
Was jedem Veranstalter und also auch einem Pfarramt oder einer Kirchengemeinde selbst überlassen sein muß, das ist, sich Gesprächspartner selbst auszusuchen, Themen für Gemeindeabende, Studientage oder Seminare selbst festzulegen und solche Veranstaltungen entsprechend der eigenen Verantwortung durchzuführen.
Sich ungebeten in ein Gespräch einzuladen oder hineinzudrängeln ist nicht nur schlechter Stil, sondern zeigt auch, daß man mit der Meinungsfreiheit auf dem Kriegsfuß steht.
* Es hat ab etwa drei Wochen vor dem geplanten Termin sich steigernden Druck und massive Beeinflussungsversuche gegeben.
Verbunden mit der beleidigenden Diskreditierung der von mir eingeladenen Referenten wurde u.a. das Verlangen vorgetragen, ich dürfe bei einem innerkirchlichen Studientag über die anthroposophischen Hintergründe der Waldorfpädagogik nur unter zusätzlicher Beteiligung von anthroposophiefreundlichen Referenten informieren - am Runden Tisch gewissermaßen. Aus ganz grundsätzlichen Überlegungen für meinen Dienst durfte ich solchem Druck auf die inhaltliche und formale Gestaltung eines von mir organisierten Studientags nicht nachgeben.
Wie ausgeschrieben, hatten sich bis zum Anmeldeschluß Ende Januar vor allem, aber nicht nur haupt- und ehrenamtliche kirchliche Mitarbeiter aus den Gemeinden zum Studientag angemeldet - mehr als zunächst geplant. Das war erfreulich und zeigte, wie wichtig das Anliegen dieses kirchlichen Studientages war und welch großes Interesse das vorgesehene Programm und die vorgesehenen Referenten fanden. Ich habe den Eindruck, daß ab Mitte Januar eine Kampagne startete. Erstaunlich war, daß sich auf einmal Unbekannte aus ganz Deutschland mit z.T. unvollständigen bzw. irreführenden Angaben in der Anmeldung einschrieben.
Ich frage mich, wie ihnen der Studientag bekannt geworden ist und was sie bewogen hat, sich aus den Weiten Westdeutschlands zu einem innerkirchlichen Studientag in Berlin anzumelden.
Meine langjährigen Erfahrungen bei früheren ähnlichen Veranstaltungen zu Anthroposophie und Waldorfpädagogik unter Beteiligung von Anthroposophen und Waldorfanhängern: Es kam regelmäßig zu heftigem Polemisieren. Durch Klatschen, Zwischenrufe, Störungen der Veranstaltung wurde versucht, zu polarisieren und eine offene kritische Darstellung und Diskussion zu verhindern. Hintergrund ist, daß aus weltanschaulichen Gründen Außenstehenden jede Kompetenz zur Beurteilung von Lehren und Schriften der Anthroposophie grundsätzlich abgesprochen wird und niemandem "ein kompetentes Urteil zugestanden wird, der nicht" dieselbe Vor-Erkenntnis erworben hat. (Vergl. S.3 "Prinzipien der Anthroposophischen Gesellschaft", Punkt 8)
Mein Anspruch, Informationen für die gemeindliche Standortbestimmung für Kirchengemeinden und für die Orientierung christlicher Eltern zu erarbeiten, meine Fürsorgepflicht für Betroffene und Informationssuchende aus den Gemeinden ebenso wie für meine Referenten erlaubten mir nicht, sehenden Auges in eine solche, das innerkirchliche Gespräch verhindernde Situation zu steuern.

Ich lasse mich in Sachen von Diskussions- und Informationsfreiheit, von Bekenntnis und Lehre nicht von außen unter Druck setzen. Darum habe ich den nur von mir verantworteten Studientag nach Beratung mit den vorgesehenen Referenten Dr. Badewien und Prof. Dr. Ringleben kurzfristig abgesagt.

Es ist schade, daß es so gekommen ist.
Aber die Informationsfreiheit ist nicht in Gefahr: Sie halten die vorgesehenen Referate mit diesem BERLINER DIALOG in der Hand.

Hier die Begründung meiner Absage, wie ich sie dann dem Konsistorium der Ev. Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, den Referenten und dem Rektor der Ev. Fachhochschule mitgeteilt habe:

Es sollte beim Studientag primär um theologische und ideologiekritische Fragestellungen gehen.
Angesichts der nicht von meiner Seite eingetragenen Verquickung mit der schulpolitischen Situation [in Berlin] und angesichts einer nicht aufhörenden massiven, hitzigen Kampagne erscheint dies nicht mehr möglich.
Ich war mir auch nicht bewußt, daß der Studientag kirchlichen Interessen zuwiderlaufen könnte.
Eingeforderte Veränderungen an Inhalt und Verlaufsform des Studientages hätten in dieser Situation kontraproduktiv gewirkt. Den zu erwartenden Schlagabtausch wollte ich meinen unter anderen Voraussetzungen eingeladenen Referenten und auch den lange angemeldeten, wirklich interessierten Teilnehmern nicht zumuten.
- Da es anscheinend keine Möglichkeit gab, den sorgfältig und verantwortungsvoll vorbereiteten Studientag in der lange öffentlich ausgeschriebenen Form und wissenschaftlichen Ausrichtung den erforderlichen kirchlichen Schutz zu gewähren
- und um eine weitere unwidersprochene Beschädigung der Reputation der Referenten und meiner Person und Funktion und damit auch der Landeskirche, in deren Auftrag ich meinen Dienst versehe, zu vermeiden, sah ich mich gezwungen, den Studientag abzusagen.
- Ich hoffe, daß ich mit dieser Absage zugleich meiner Kirche die gewünschte Entlastung gegeben habe.

Liebe Freundinnen und Freunde,
ich bitte Sie herzlich, für den Dienst der Unterscheidung und Orientierung, wie ihn unser Pfarramt für Sekten- und Weltanschauungsfragen für die Landeskirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und darüber hinaus anbietet, weiterhin einzutreten - in der Öffentlichkeit ebenso wie in kirchlichen Gremien.
Dieser Dienst der Unterscheidung, Beratung und Orientierung erfolgt vor allem im Interesse der Gemeinden und der betroffenen Menschen.

Gerade Spardebatten, wie sie heute überall, auch in den Synoden geführt werden, können auch einmal dazu genutzt werden, von den Interessen der Gemeinden aus über für die Gemeinden notwendigen Prioritäten zu sprechen.

In einer Zeit, in der eine "Kirche mit Profil" gefragt ist und in der von den Kirchengemeinden Orientierung erwartet wird, ist darum auch in den Synoden über die Priorität und Notwendigkeit einer gemeindebezogenen apologetischen Standortbestimmung zu sprechen.

Ich bitte Sie darum, mich zusammen mit allen, die diesen - natürlich - umstrittenen Dienst mittun, mit Ihren Gebeten auch in Zukunft zu begleiten. Gemeinsam wollen wir dabei festhalten was der Monatsspruch für den Juni aussagt:

"Zur Freiheit hat uns Christus befreit. Bleibt daher fest und lasst euch nicht von neuem das Joch der Knechtschaft auflegen." Galater 5,1

Herzlich Ihr
Pfarrer Thomas Gandow

12. Ostelbienseminar - Schwerpunkthema 2006: Esoterik

Fortbildungsseminar zu Sekten,
Okkultismus, Weltanschauungsfragen...
in der Region
Referenten: Pfr. Dr. Hauth: Grundlagen
moderner Alltags-Esoterik;
Pfn. Anette Kick: "Frauen und Esoterik";
Diakon Ingolf Christiansen: Esoterik und
Okkultismus;
Pfr. Andrew Schäfer: Esoterische Lebenshelfer u.a.m.
Termin: Montag, 23. - Mittwoch, 25. Oktober
Ort: Bildungszentrum Schloß Wendgräben, 39279 Wendgräben
Kosten: z.B. ca. 80 € im Doppelzimmer
Voranmeldung dringend empfohlen:
Tel: 039245-952-351/Fax: 039245-952-366 oder e-mail an: elke.gensch@kas.de
Anmeldeschluß: 01.09.2006
Zielgruppe: LehrerInnen für Religion, LER etc; Interessierte aus Jugendarbeit, Schule, Öffentlichem Dienst und (Kommunal-)Politik, haupt und ehrenamtliche (kirchliche) Mitarbeiter/innen

Weitere Einzelheiten auf Anfrage an:
Büro Pfr. Gandow, Tel.: 030 - 8157040


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