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Themenschwerpunkt Anthroposophie  

BERLINER DIALOG 29, Juli 2006

Ratschläge zur Anthroposophie aus kirchlicher Sicht
aus dem im Auftrag der Kirchenleitung der VELKD herausgegebenen
"Handbuch Religiöse Gemeinschaften und Weltanschauungen" *

Durch ihre Lebensformen zeigt die Anthroposophie, daß sie Problemlösungen anbieten kann in Bereichen, für die derzeit eine besondere Sensibilität besteht und wo gesellschaftliche Fehlentwicklungen deutlich werden: Pädagogik, Fürsorge für Behinderte ("Seelenpflege-Bedürftige"), Medizin, Pharmazie, Landbau, ökologischer Lebensstil.
Es muß jedoch festgestellt werden, daß in all diesen Einrichtungen anthroposophische Weltanschauung die Grundlage bildet: Das anthroposophische Menschenbild, die Gesetze von Karma und Reinkarnation spielen dort eine unersetzbare Rolle, sie fließen überall mit ein - ausgewiesen oder verborgen.
Ohne ihre anthroposophischen Grundlagen sind all diese Aktivitäten nicht denkbar. Aus diesem Grunde muß ein Christ sich dessen bewußt sein, daß er sich mit der Inanspruchnahme anthroposophischer Angebote auch der dahinterstehenden Weltanschauung aussetzt.
Trotz des Anspruchs der Anthroposophie, die zeitgemäße Form des Christentums zu sein, zeigen sich deutliche Gegensätze zwischen christlichem Glauben und anthroposophischem Denken.

Das "Handbuch Religiöse Gemeinschaften und Weltanschauungen", 5. Aufl. 2000,
kommt deshalb in Bezug auf die Anthroposophie zu folgenden Ratschlägen:

"Vorschläge für das praktische Verhalten gegenüber der Gemeinschaft"
a) in Predigt und Unterricht
Da Anthroposophie in ihren Lebensformen fast überall präsent ist, sollte ihre Lehre kritisch beleuchtet werden. Wegen der Komplexität kann das in einer Predigt nur punktuell geschehen; geeignet hierfür sind Gemeindeseminare und Vorträge.
Im Unterricht an Gymnasien (Oberstufe) ist eine Behandlung der Anthroposophie vor allem an den Orten erforderlich, an denen es Waldorfschulen oder andere Einrichtungen der Anthroposophie gibt.

b) in der kirchlichen Publizistik
Wegen des schwierigen Gedankengebäudes ist die Behandlung der Anthroposophie in Gemeindeblättern in der Regel nicht anzuraten. (Über)regionale Kirchenzeitungen sollten allerdings die Auseinandersetzung nicht scheuen. Vor allem bei Anfragen und aktuellen Anlässen muß die kirchliche Publizistik Leser und Hörer über die Anthroposophie kritisch informieren.

c) bei Fragen der Zugehörigkeit von Gemeindegliedern
Die Anthroposophie kennt keine dogmatischen Verpflichtungen oder Bekenntnisse. Jeder Anthroposoph kann sich auf dem breiten Feld anthroposophischen Gedankengutes einzelne ihm wesentlich erscheinende Dinge aneignen.
In den entscheidenden Punkten sind anthroposophisches und christliches Denken nicht vereinbar. Gleichzeitige Zugehörigkeit zur Kirche eines in diesen Punkten überzeugten Anthroposophen ist deshalb auf die Dauer schwer denkbar.

d) betreffs kirchlicher Räume
Kirchliche Räume können nicht zur Verfügung gestellt werden.

Vorschläge für den seelsorglichen Umgang mit einzelnen
a) bei Amtshandlungen
Falls eine gleichzeitige Zugehörigkeit zur Kirche besteht, können Sakramente und Kasualien nicht verweigert werden. Nach Möglichkeit sollten Mitglieder und Anhänger der Anthroposophie aber auf die wesentlichen Unterschiede zwischen evang.-luth. Glauben und anthroposophischem Denken hingewiesen werden.

b) in der sonstigen Seelsorge
Dem evang.-luth. Gemeindeglied, das Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft ist oder ihr nahesteht, sollte im Einzelgespräch bewußt gemacht werden, daß und inwiefern sich an wichtigen Punkten evang.-luth. Glaube und Anthroposophie nicht miteinander vereinbaren lassen und hier eine Entscheidung getroffen werden sollte.

* Handbuch Religiöse Gemeinschaften und Weltanschauungen
Freikirchen, Sondergemeinschaften, Sekten, synkretistische Neureligionen und Bewegungen, esoterische und neugnostische Weltanschauungen und Bewegungen, missionierende Religionen des Ostens, Neureligionen, kommerzielle Anbieter von Lebensbewältigungshilfen und Psycho-Organisationen. Im Auftrag der Kirchenleitung der VELKD herausgegeben von Reller, Horst; Krech, Hans; Kleiminger, Matthias; 5., neu bearbeitete und erweiterte Auflage, 1111 S., Gütersloher Verlagshaus 2000; ISBN 3-579-03585-1. (6. Auflage in Vorbereitung)


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