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BERLINER DIALOG 20, 1-2000 Trinitatis

Stichwort: Transzendentale Meditation (TM)
von Eduard Trenkel

Gründer der Transzendentalen Meditation und ihrer Nebenbewegungen ist Mahesh Prasad Warma, geboren vermutlich am 12.1.1918 in Jabalpur/Indien.
(Alle biographischen Hinweise sind ungesicherte Angaben aus seiner Anhängerschaft.)

Warma nennt sich selbst Maharishi (etwa: "Großer Seher") Mahesh Yogi und läßt sich als "His Holiness - Seine Heiligkeit" verehren.
Nach einem Physikstudium, das er nach eigenen Aussagen 1942 abschloß, begegnete er seinem Guru Swami Brahamananda Saraswati, einem Hindu-Mönch, der heute in der Bewegung als "Guru-Dev” (göttlicher Lehrer) verehrt wird. Maharishi Mahesh Yogi (MMY) wurde Schüler dieses Gurus und von ihm in die hinduistische Tradition der Advaita-Vedanta, der All-Einheitslehre eingeführt, die auf den indischen Religionsphilosophen Shankara (ca. 800 n.Chr.) zurückgeht.

Guru Dev (Swami Brahmananda Saraswati)
Foto: Archiv Gandow

Swami Brahmananda Saraswati

Nach Aussagen MMY hatte Guru Dev ihn, seinen angeblichen Lieblingsschüler, verpflichtet, noch vor seinem Tode (1953) eine Meditationstechnik zu entwickeln, die einfach erlern- und anwendbar zum Bewußtsein der All-Einheit führte und so dem Frieden der Menschheit diente. Für diese Aufgabe habe Maharishi sich für zwei Jahre in den Himalaya zurückgezogen und dort die Technik der TM entwickelt. Bekannt ist allerdings lediglich, daß MMY in den angegebenen Zeiträumen als Verwaltungsangestellter arbeitete. Die TM hat er vermutlich ohne "Beauftragung” entwickelt. Bedeutsam jedoch ist die Berufung auf die hinduistische Guru-Tradition, in die MMY sich selbst gestellt sieht, angesichts des späteren Abstreitens einer religiösen Herkunft der TM und der Betonung ihrer "Wissenschaftlichkeit".

Geschichte
1953 trat MMY erstmals als "Maharishi" auf. 1958 gründete er in Madras das "Spiritual Regeneration Movement" (Geistige Erneuerungsbewegung), blieb jedoch in Indien relativ unbedeutend. 1958 ging er in die USA und kam 1960 erstmals nach Deutschland.
Wirklichen Aufschwung erhielt seine Bewegung erst, als sie ihr Programm auf westliche Bedürfnisse ausrichtete.

Maharishi Mahesh Yogi
Foto: Archiv Gandow

Maharishi Mahesh Yogi

Nicht-religiöse Selbstdarstellung
Ab 1970 stellte sich die TM vorwiegend als "wissenschaftlich" dar, während sie zuvor als "spirituelle" Erneuerungsbewegung für sich geworben hatte.
Seitdem wird der hinduistische Hintergrund der TM strikt geleugnet. Beweggrund für diese nicht-religiöse Darstellung nach außen ist u.a. der Anspruch auf staatliche Förderungsmittel, den die TM erhebt und die Forderung nach Einführung des TM-Programms in Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen. Die Inanspruchnahme staatlicher Förderung für die Verbreitung eines religiösen Programms ist in den USA nicht zulässig.

Erfolge und Effekte
1963 veröffentlichte MMY seine Schrift "Die Wissenschaft vom Sein und die Kunst des Lebens". 1968 erscheint die deutsche Ausgabe. 1976 werden die Beatles, eine bekannte Rockband, durch MMY in die TM eingeführt. Sie brechen einen 3-monatigen Ausbildungskurs jedoch vorzeitig ab.

1972 rief MMY seinen "Weltplan" aus, mit dem sämtliche Menschheitsprobleme lösbar werden sollten.
1974 proklamiert er den "Maharishi-Effekt": Wenn nur 1% der Bevölkerung die TM-Technik anwende, lösten sich alle Probleme vor Ort. So soll der Weltfrieden erreicht werden.
1975 wurde zum Beginn des "Zeitalters der Erleuchtung" erklärt und 1976 wird eine "Weltregierung des Zeitalters der Erleuchtung" eingesetzt, deren Regierungsauftrag es sei, das Weltbewußtsein zu reinigen.
1977 richtete MMY die "Sidhi-Kurse" ein: Durch sie solle es möglich werden, die Naturgesetze völlig zu beherrschen und z.B. den Alterungsprozeß umzukehren, die Fähigkeit des Hellsehens und Fliegens zu erlernen.
Im gleichen Jahr verlor die Bewegung einen entscheidenden Prozeß in Amerika: Die TM wurde durch Richterspruch als religiöse Bewegung eingestuft. Sie darf an öffentlichen Schulen, Universitäten etc. nicht mehr gelehrt werden.
1986 wurde der "Weltplan für vollkommene Gesundheit" bekanntgegeben und eine "Weltvereinigung für Ayurveda-Medizin" gegründet.
Seit 1990/91 tritt eine "Naturgesetz-Partei", deren Programm die TM ist, auf. Die Weltzentrale der TM liegt in der Nähe von Neu-Delhi, die europäische Zentrale in Vlodrop/Holland.

Lehre und Praktiken
Die Bewegung behauptet, es handle sich bei der TM um eine natürliche, wissenschaftliche Methode, die vor allem den Abbau von Streß und Nervosität, Beseitigung von psychosomatischen Störungen und Schlaflosigkeit, Hinführung zu ganzheitlicher Entfaltung von Gesundheit, Lebensfreude und kreativer Intelligenz bewirken soll. Auf Werbeplakaten wird angeführt, TM-Meditierende über 40 seien 70% weniger krank, weshalb Krankenkassen bis zu 40% Beitragsrabatt für TM-Meditierende einräumten; Angaben, die einer Überprüfung nicht standhielten. TM verheißt zudem, die Kriminalitätsrate innerhalb einer Gesellschaft zu senken: bei Aufnahme von TM in das staatliche Gesundheits- und Erziehungsprogramm könnten erhebliche Kostenreduzierungen erreicht und letztlich eine utopische Gesellschaftsordnung erreicht werden. Die dazu nötige Methode der TM sei dabei für jedermann leicht erlernbar und benötige in der Anwendung täglich jeweils nur 15 bis 20 Minuten, morgens und abends.
Dabei solle zum "Streß-Abbau" ein Mediationswort, ein Mantra, lautlos meditiert werden. Gedacht ist beim "Streßabbau" an die Auflösung von Karma.
Der Reinkarnationsgedanke wird vorausgesetzt.

Sieben Schritte der Einführung
Vermittelt wird die Methode der TM in einem von MMY genau festgelegten Sieben-Stufen-Plan, nämlich durch
1. einen Einführungsvortrag - hierzu wird per Plakat, Handzettel oder Tageszeitung eingeladen; in diesem Vortrag wird zunächst auf die Wirkungen der TM hingewiesen;
2. einen Vorbereitungsvortrag - hier werden die theoretischen Grundlagen der TM vermittelt;
3. ein persönliches Gespräch mit einem "autorisierten" TM-Lehrer;
4. ein Einweihungsritual (Puja). Es handelt sich hierbei um ein vom Lehrer in der Sprache des Sanskrit vollzogenes Opfer- und Danksagungsritual, dessen religiöser Charakter von der TM allerdings bestritten wird. Dem Schüler wird dabei sein Mantra, ein für ihn bestimmtes geheimzuhaltendes Klangwort übergeben, mit dem er dann meditieren soll.

Liste der geheimen und individuellen TM-Mantren
4-10 ing
14-16 imma
22-24 aima
35-40 hiring
50-55 kirim
10-12 im
16-18 aing
24-30 shiring
40-45 hirim
55-60 shyam
12-14 inga
18-20 ainga
30-35 shirim
45-50 kiring
60  ff shyama

Die Mantren werden entgegen den gemachten Angaben rein schematisch nach Altersstufen vergeben, sie repräsentieren im Hinduismus verschiedene Hindu-Gottheiten, deren Hilfe man sich durch den Gebrauch der Mantren versichert.
Der religiöse Charakter der Zeremonie wird auch dadurch deutlich, daß der Schüler aufgefordert wird, Opfergaben mitzubringen, seine Schuhe während der Puja auszuziehen und sich vor dem Bild Guru Devs zu verneigen. Die Punkte 5.-7. sind drei "Checking" genannte Überprüfungen an den Folgeabenden der Einführung, in denen der Schüler bei seinem Lehrer die gemachten Meditationserfahrungen anhand vorgegebener Fragebögen überprüfen lassen soll. Danach ist der Schüler sich selbst überlassen. Gruppenmeditationen in einem TM-Zentrum werden ihm allerdings empfohlen.
Die derzeitigen Kosten für die Einführung belaufen sich auf ca. 800,- DM. Nach frühestens eineinhalb Jahren Meditationserfahrung mit TM kann der Schüler an "Sidhi-Kursen" teilnehmen (ca. 6000,- DM). Weitere Kurse sind im Angebot. Den Meditierenden wird vegetarische Ernährung und der Verzicht auf Nikotin und Alkohol empfohlen.

Kritik
Die "Aktion für geistige und psychische Freiheit" dokumentierte (Bonn 1978) als gefährdende Folgen der TM-Meditation u.a. folgendes: Störung der sozialen Beziehungen, Bruch mit Familie, Realitätsverlust durch völlige Konzentration auf TM, Abbruch von Ausbildung und Studium, kritiklose Verteidigung der TM, Selbstsisolierung etc.
Die Bundesregierung hatte auf Grund von Betroffenenberichten vor der TM-Bewegung als "Jugendreligion" gewarnt, da deren Technik bei labilen Menschen zu psychischen Erkrankungen führen könne; dies zu erkennen seien TM-Lehrer aufgrund ihrer mangelhaften Ausbildung nicht in der Lage. Die Berechtigung dieser Kritik wurde der Bundesregierung durch Urteile in mehreren Instanzen ausdrücklich bestätigt (BVerwG 7C2.87 vom 23.5.1989).

Beurteilung
Bei der "Wissenschaft der kreativen Intelligenz" und der Technik der "Transzendentalen Meditation" des Maharishi Mahesh Yogi handelt es sich keineswegs, wie behauptet wird, um eine wertneutrale Wissenschaft bzw. Technik. Theorie und Praxis sind, trotz der Anpassung der Außendarstellung an westliche Denkweisen, ohne den Hinduismus nicht verstehbar.
Die Verheißung einer leidens- und problembefreiten Welt, erreichbar durch Mantra-Meditation, erweist sich schon vom Anspruch her als utopisch.
Gurukult und Mantra-Meditation, Karmatheorie und Reinkarnations-vorstellungen sind mit dem christlichen Glauben nicht vereinbar.

Kritische Literatur
Haack/Gandow: Transzendentale Meditation, München: 1992 (6).
Reller u.a. (Hg.): Handbuch religiöse Gemeinschaften, Gütersloh: 1993 (4), 643ff.



TM-Buch


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