Vorwort

Eine Darstellung der Scientology ist Science Fiction, die zum Leben erwacht ist.
Während sich die Zeitspanne zwischen meinem Scientology-Abenteuer und der Gegenwart vergrößert, lassen die krisenhaften Folgen dieses Erlebnisses nach, und das Leben in unserer Welt, dieser großartigen Welt, die die Scientologen als die Welt der Barbaren bezeichnen, gewinnt nach und nach seine wirkliche Bedeutung wieder - als wahre Science Fiction.

Unsere eigene Science Fiction unterscheidet sich nur äußerlich von der der Scientology. Die inneren Tendenzen sind ziemlich dieselben, trotz ihrer unterschiedlichen Einkleidung. Die Kräfte, die die Welt der Scientology bewegen - die Emotionen, die Ziele, die Manipulationen sind universal. Wenn zum Beispiel ein Kind in unsere Welt hineingeboren ist, wird ihm beigebracht, daß es ein Mensch ist, und daß sich die Menschen von allem übrigen im Universum unterscheiden. Man sagt ihm, was sein Geschlecht ist und seine Hautfarbe. Man lehrt es die Sitten und Gebräuche seiner Umgebung, ebenso seine Pflichten gegenüber Familie, Stamm, Religion und Vaterland.
Ein Scientologe würde einem solchen Kind sagen, daß es ein Thetan ist und deshalb einem einzigen Mann Treue schuldet.
Scientology ist die Schöpfung dieses einen Mannes, eines Amerikaners namens L. Ron Hubbard. Ich würde daher einen Scientologen als einen Menschen definieren, der alles glaubt, was aus Hubbards Mund oder Feder fließt.
Hubbards Beschäftigung mit dem Reich der Seele hat ihm einen Nettogewinn von Millionen Dollar auf einem Schweizer Bankkonto eingebracht, außerdem eine Jacht-Flotte, ein Flaggschiff eingeschlossen, mit dem er auf dem Mittelmeer kreuzt. Hinzu kommen zahlreiche Töchter seiner Mutter-Organisation, die über den Erdball verstreut sind. Wie ein Oberaufseher kontrolliert er das Leben vieler Mitglieder. Ein Telex-System hält das ganze Spinnennetz zusammen. Darüber hinaus weiß man wenig über den Mann. Die erreichbaren Mosaiksteine seiner Biographie lassen ganze Abschnitte seines Lebens im Schatten. Seine Jünger halten ihn für übermenschlich.
Die Öffentlichkeit weiß fast so wenig über die Scientology-Bewegung wie über ihren Erfinder. Wenn man nicht Mitglied ist oder war, einen Freund oder Verwandten dabei hatte oder von einem der jungen, Broschüren schwingenden Werber ins Gespräch verwickelt wurde, hat man vielleicht nie etwas von Scientology gehört. Wenn mich jemand fragt: "Was ist Scientology?" dann muß ich ihm sagen, daß es mindestens eine Stunde dauert, um eine angemessene Definition zu geben. Man hat Scientology eine Religion genannt, einen Trick zum Geldmachen, eine Therapie für alle Krankheiten oder einen Gehirnwäsche-Kult, der - was heutzutage ungewöhnlich ist - ganz ohne Drogenanwendung auskommt.
Darüber hinaus hat die Scientology ihren eigenen Kosmos, eigene Gesetze, eigene Techniken und vor allem eine besondere Sprache. Und das alles stammt von L. Ron Hubbard. Zusammen genommen machen alle diese Dinge die Einzigartigkeit der Scientology aus, ihre besondere Atmosphäre. Für einen Scientologen ist diese Atmosphäre eine Wohltat, ein sicherer Hafen dicht am Paradies. Für einen Außenseiter, der ein wenig davon erfahren hat, was innerhalb dieses "Hafens" vor sich geht, mag das alles völlig anders aussehen, so unsinnig, daß er kaum wünscht, mehr darüber zu erfahren.
Um ein genaues Bild der Bewegung zu zeichnen, müßte man Bände schreiben, eine halbe Armee von Schreibern, Rechercheuren und ehemaligen Scientologen beschäftigen. (Letztere sind übrigens in angelsächsischen Ländern eine ständig wachsende Untergruppe unserer Gesellschaft.) Unausweichlich mußte ein solches Unternehmen den faszinierenden und gewichtigen Untersuchungsbericht einschließen, den eine australische Kommission zur Durchleuchtung der Scientology am 28. September 1965 der Öffentlichkeit übergeben hat.
Doch inzwischen lege ich meine eigene Antwort auf die Frage nach dem Wesen der Scientology vor. Es ist eine Dokumentation meines Lebens als Scientologe vom April 1967 bis zum August 1968 ebenso wie der Folgen dieses Abenteuers. Alles in diesem Bericht entspricht den Tatsachen. Techniken, Prozeduren und Personal der Scientology-Bewegung sind so beschrieben, wie sie damals bestanden. Ich habe keinen Anlaß zu glauben, daß sie sich seither wesentlich geändert haben. Verändert wurden nur die meisten in diesem Bericht erwähnten Namen.

Ich lade den Leser ein, mich auf einem Trip durch jene Geisterwelt zu begleiten, geschaffen und beherrscht durch einen gottgleichen Erzschwindler, Messias, genialen Geschäftsmann oder auch hoffnungslos verrückten Größenwahnsinnigen, je nachdem, wie man ihn beurteilen will. Vor mir liegt die Aufgabe, im Zusammenhang darzustellen, wie ich in eine Welt hineingeriet, die mir später wie ein Mittelding zwischen einem bösen Scherz und reinem Wahnsinn vorkam.
Die ständigen Bewohner dieser "Überwelt" sprechen einen Jargon, den ich "Scientologisch" nenne; ein Beispiel dafür ist vor der Titelseite abgedruckt. So groß ist die Zahl der Fachwörter, von denen viele zum Teil die gleiche Bedeutung haben, daß ich ihren Gebrauch weitgehend eingeschränkt habe. (Ein Blick in einige von Hubbards Veröffentlichungen wird den Leser von meinen Anstrengungen in dieser Richtung überzeugen.)
Der fiktive Brief dieses Scientologen an einen anderen soll nur als Beispiel dienen - um dem Leser ein wenig zu zeigen, wie sich Scientologisch anhört. Er darf aber versichert sein, daß ich ihm nicht noch einmal mit etwas ähnlichem kommen werde. Im allgemeinen wird jeder neue Ausdruck erklärt, sobald er zum erstenmal gebraucht wird. Für den Fall, daß beim Lesen eine schnelle Wiederauffrischung des Vokabulars gewünscht wird, findet sich im Anhang eine Übersicht der unumgänglichen Fachausdrücke.
Die Fragen der Auditoren (d. h. der ausübenden Scientologen), die ich kennengelernt habe, sind kursiv gedruckt. Diese Fragen enthalten die Quintessenz der Methoden des Scientology-Prozesses. Während seiner Ausbildung muß sie jeder Auditor auswendig lernen. Schließlich gibt es, ebenfalls kursiv gedruckt, Zitate von L. Ron Hubbard, die sich überall im Buch finden, sowie einige kleingedruckte Passagen - zum Beispiel der Brief -, die mit den Worten des Autors umschreiben, was Hubbard zu sagen hat. Mein Vorschlag: Wann immer der Leser ein Zitat oder eine Umschreibung vor sich hat, möge er sie sich in einem vollen Bariton gesprochen vorstellen... gravitätisch, doch honigsüß, zugleich einschmeichelnd und herrisch.
Es ist die Stimme von Mr. Scientology!

Dianetic

Die Erschaffung der Dianetic ist ein Meilenstein für den Menschen, der Entdeckung des Feuers vergleichbar, und bedeutender als die Erfindung von Rad und Bogen.
(L. Ron Hubbard)

Meine Geschichte beginnt im Jahr 1950, als in den Buchläden ein Werk von L. Ron Hubbard auftauchte: "Dianetic - die moderne Wissenschaft von der geistigen Gesundheit.
Die Behauptungen auf dem hellgrünen Schutzumschlag des Buches wirkten wie eine Bombe. Hubbard nahm für sich in Anspruch, er habe nichts weniger entdeckt, als "die verborgene Ursache aller psychosomatischen Krankheiten und Geistesverwirrungen ... und dazu die Fähigkeit, sie unausweichlich zu heilen".
Ich verschlang das Buch.
Die Grund-Theorie ist ziemlich einfach. Hubbard beschreibt die Seele in einer Art, die an die Begriffe "Es, Ich und Über-Ich" (Id, Ego und Superego) erinnert. In der Version der Dianetic besteht der Geist aus zwei Elementen: dem analytischen Geist und dem reaktiven. Der eine ist gut, der andere schlecht. Der analytische Geist ist der bewußte, denkende Verstand, ein fehlerloser, tragbarer Computer. Der reaktive Geist dagegen ist ein lediglich auf Reize reagierender Medianismus, ein schwachsinniges und krankhaftes Überbleibsel aus den Tagen des Höhlenmenschen. Die alleinige Ursache allen irdischen Jammers soll in "Engrammen" liegen, Erinnerungen an entsetzliche und schmerzhafte Vorgänge, welche - ohne unser Wissen - sich über die Jahre hinweg in unserem reaktiven Geist ablagerten, während unser analytischer Geist infolge von Stress-Situationen nicht funktionierte. Diese Engramme haben nun die Wirkung, das Opfer in die Situation des ursprünglichen Vorfalls zurückzuversetzen, wenn sie "restimuliert" werden, d. h. wenn sie durch einen äußeren Einfluß in die Gegenwart übertragen werden. Das Opfer durchlebt dann bis zu einem gewissen Maß den Schmerz und die emotionale Verwirrung jenes Vorfalls erneut. Da der reaktive Geist nicht denkt, haben die ihm während eines solchen Vorfalls eingeprägten Worte eine vernichtende Wirkung: Engrammatische Worte, die in späteren Jahren restimuliert werden, werden durch das Individuum blindlings und buchstäblich als "Kommandos" mißverstanden.
Die Engramme eines Menschen sind auf der "Zeitspur" eingetragen, einer einem Filmstreifen ähnlichen inneren Aufzeichnung seines ganzen Lebens. Das erste und am meisten zerstörerische Engramm (genannt "Basis der Basis" oder BB) ist vermutlich schon vor der Geburt auf die Zeitspur aufgeprägt; demnach gibt es also "Praenatale Engramme". Nach Hubbards Buch ergeben sich aus dem Vorhandensein des reaktiven Geistes, der Zeitspur und der BB so weitreichende Folgen, daß die Engramme die Ursache des meisten Elends in der Welt sind, von leichten Verhaltensstörungen bis zu Krankheit, Krieg und Wahnsinn.
Hubbard nennt seine Methode, diesem Zustand abzuhelfen, "Auditieren". Dabei geht es ganz einfach darum, alle Vorfälle auf der Zeitspur des Patienten aufzuspüren und sie den Patienten noch einmal erleben zu lassen, in allen schrecklichen Einzelheiten. Schon wenige dieser Wiederholungen genügen, um ein Engramm auf der Zeitspur zu löschen, ebenso seine gefährlichen Wirkungen. Wer sich in dieser Weise von allen seinen Engrammen befreit hat, wird "Clear" (geklärt, befreit, klar) genannt. Er ist dann absolut frei von Neurosen und psychosomatischen Symptomen, mit vollständiger Erinnerung begabt und im Besitz eines fast übermenschlichen Intelligenz-Quotienten. Im Vollbesitz seiner Kräfte wäre ein Clear das erste sich voll selbst bestimmende Wesen auf unserem Planeten, der glückliche Bewohner einer schöneren Welt.
Es war nicht nur die Theorie und Methode, die Hubbards Buch von anderen unterschied (man begegnete in ihm vielen schon bekannten Gedanken, vor allem starken Anklängen an Freud). Es war auch der Stil des Autors, der Aufmerksamkeit erregte. Hubbard erinnerte an die Zeiten der Pioniere, als sich ein Mann nicht schämte, mit seinen Erfolgen zu prahlen. Er war hemmungslos, selbstbewußt und oft arrogant. Überall im Buch "Dianetic" griff er die etablierte Medizin mit prahlerischer Vehemenz an. Hubbard fand es nicht nötig, sehr tief in die Gesetzmäßigkeiten des analytischen Geistes einzudringen. Er konzentrierte sich völlig auf den reaktiven Geist, diesen Speicher aller menschlichen Krankheiten, beschrieb ihn in graphischen Darstellungen und in ausführlichen Schilderungen. Zur Ausschmückung seiner Darlegungen benutzte er eine ständig anschwellende, selbsterfundene Begrifflichkeit. Sie erweckte den Anschein, als sei sie ein Versuch, die gesamte psychiatrische Terminologie zu reformieren. Seine Beschreibungen der verschiedenen Typen von Engrammen waren unheimlich und einprägsam. Zum Beispiel die häufig vorkommende "versuchte Abtreibung" (AA), ein praenatales Engramm, wobei das Opfer sich überschwemmt fühlt, ausgeschabt oder mit Stricknadeln durchstochen. Viele Leute hielten dies für eine faszinierende Lektüre.

Die vielen Leser von "Dianetic", die sich für den Autor interessierten, erfuhren nur wenig über ihn. Hubbard behauptet, er habe ein äußerst wechselvolles Leben hinter sich. In seiner Jugend trieb ihn seine Abenteuerlust bis ins westliche China. Später war es nach seinen Angaben die Universitätsausbildung als Techniker und Physiker, die ihn befähigte, die menschliche Seele zu erkunden und mit mathematischer Präzision zu beschreiben. Und nebenbei hat er sich als Science-Fiction-Autor einen Namen gemacht. Es ist unwahrscheinlich, daß sehr viele der frühen Leser von "Dianetic" Hubbard wirklich für qualifiziert hielten, sich über Seele und Geist zu äußern. Doch dem hielt er unbekümmert entgegen: "Na schön, und wer sonst ist kompetent?" Er war wirklich talentiert, sogar brillant in einer gewissen Weise. Daher die Folgerung: Vielleicht war doch etwas an ihm dran. Und es wäre der sprichwörtliche Triumph des kleinen Mannes gewesen, wenn dieser amerikanische Selfmademan als der Entdecker des Geheimnisses der Seele und ihrer Gesetzmäßigkeiten anerkannt worden wäre. Das Endresultat seiner Methode (falls sie funktionierte) war unwahrscheinlich verlockend: nicht die undefinierbare "Heilung" durch den Psychiater, die im günstigsten Fall einen gut angepaßten Neurotiker produziert, sondern der Mensch im Zustand des "Clear" - ein gigantischer Fortschritt in Richtung zum Obermenschen. Und es schien sogar recht billig zu sein, ein Clear zu werden. Man brauchte nur das Buch zu kaufen.
So oder so - es machte einfach Spaß, Hubbard zu lesen. Ich jedenfalls genoß die Lektüre von "Dianetic", und Tausende von Lesern waren neugierig genug, um das Buch zu einem gewaltigen Bestseller zu machen. Während der frühen fünfziger Jahre kam die Dianetic geradezu in Mode, sie faszinierte nicht nur die weniger Gebildeten. Viele, die sich zum Beispiel niemals für Wunderheilungen durch Handauflegen interessiert hätten, waren von der Dianetic so angetan, daß sie Lust hatten, die Sache auszuprobieren.
Ich war einer von ihnen. Auch ich probierte die Dianetic mit einem Freund aus, der gern einverstanden war, daß wir uns gegenseitig auditierten. Vielleicht, so meinte er, war es ein Engramm, das drohte, seine Ehe scheitern zu lassen. Die Prozedur stellte sich als ziemlich zeitraubend heraus. Einen Menschen bis zum Zustand des Clear zu auditieren, könne Hunderte von Stunden erfordern, hieß es in dem Buch, in dem außerdem nichts darüber stand, woran man erkennt, ob man es tatsächlich geschafft hat. Darüber hinaus bestand die Gefahr, daß man bei Engrammen schwerwiegender Vorfälle die Kontrolle verlor.
In einer Sitzung ließ ich den Anweisungen entsprechend meinen Partner sich hinlegen. Nach kurzem Vorspiel geriet er in einen Autounfall, den er vor einigen Jahren erlebt hatte. Er erinnerte sich an die Worte, die während dieses Vorfalls gefallen waren, und machte noch einmal die Schmerzen durch, die er damals erlitten hatte, als er durch die Windschutzscheibe geschleudert worden war. Ich ließ ihn das ganze mehrfach wiederholen und holte ihn dann in die Gegenwart zurück. Er war ganz durcheinander. Ich hätte das Auditieren dieses Unfalls zu schnell abgebrochen, beschwerte er sich, und damit Hubbards wichtigste Vorschrift verletzt: lasse niemals einen Patienten mitten in einem Engramm allein.
Während der nächsten zehn, zwölf Jahre hörte ich wenig von Hubbard. Er reiste viel herum und sammelte hier und dort Gruppen von Jüngern. Wie es schien, mußte er dauernd versuchen, den Behörden um eine Nasenlänge voraus zu sein; ständig hatte er Schwierigkeiten mit ihnen. Ich las eins seiner neuen Bücher und fand, daß es weit weniger überzeugend war, als sein Erstlingswerk. Es entsprach vielmehr der Science Fiction, die Hubbard früher geschrieben hatte. Es enthielt eine neue, noch verworrenere Terminologie. Da gibt es MEST, eine Abkürzung für Materie, Energie, Raum und Zeit (= matter, energy, space und time): das physische Universum; ferner enMEST, das ist MEST im Zustand der Turbulenz. Dann Theta, der Bereich des Geistigen oder Nicht-Physischen und enTheta (Theta in der Turbulenz, der Unruhe). Die Folgen der Jagd nach Engrammen versetzen Patienten in einen tiefen Abkühlungsschlaf, eine Periode der Erschöpfung oder sogar der Bewußtlosigkeit, die bis zu dreißig Stunden dauert. Ich fragte mich, warum Hubbard diese änderungen für nötig hielt, obwohl er eben erst die ursprüngliche Dianetic als unweigerlich erfolgreich bezeichnet hatte. Eine Werbeschrift, die zusammen mit dem späteren Buch herauskam, enthielt die Mitteilung, daß in Wichita, Kansas, eine "Stiftung zur Erforschung der Dianetic" errichtet worden sei, wo man sich gegen Bezahlung auditieren lassen könne. Daraus konnte man schließen, daß Hubbard irgendwann nach der Veröffentlichung von "Dianetic" auf die Idee gekommen war, daß sich "Laien" nicht gegenseitig auditieren könnten. Ich war enttäuscht zu erfahren, daß die häufige Lektüre von Dianetic und die sorgfältig ausgeführten Auditions-Sitzungen mit meinem Freund eine noch größere Zeitverschwendung gewesen waren, als wir beide angenommen hatten. Jetzt sah es so aus, als ob L. Ron Hubbard selbst nie so ganz an die Dianetic geglaubt hatte, ganz im Gegensatz zu seinen Behauptungen. Die Werbebroschüre verriet außerdem die Tendenz zum Geldmachen zu offen, als daß man darüber hätte hinwegsehen können.
Kaum nötig zu sagen, daß Hubbards Bücher über Seele und Geist von den Kritikern zerfetzt wurden; sie bezeichneten seine Theorien als wissenschaftlich völlig unbegründet. In seinem Buch "Fads and Fal-

lacies in the Name of Science" (etwa "Lug und Trug im Namen der Wissenschaft") ging Martin Gardner mit der Dianetic ins Gericht. Mehr als eine Satire wurde veröffentlicht. Hubbards überzogene Behauptungen, sein arrogantes Vokabular boten perfekte Zielscheiben. Es ging bergab mit ihm. Ein Magazin brachte das Gerücht, Hubbard sei in ein Hospital für Geisteskranke eingeliefert worden. Ich selbst dachte kaum noch an L. Ron Hubbard und an die Dianetic.

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Übermenschen unter uns

(Inside Scientology)

Das unbeirrbare Streben nach Gewißheit ist nicht der Ausdruck wahren Glaubens sondern wurzelt in der Notwendigkeit, den unerträglichen Zweifel zu besiegen.
ERICH FROMM

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Teil 1 - Die Agentur

... wir gehen bei jedem Patienten genau auf das Problem ein, das ihn zu uns gebracht hat, damit wir ihn nie durch eine änderung unserer Taktik erschrecken. Dann wecken wir sein Interesse, clear zu werden...
L. RON HUBBARD

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Umworben

Mitte der sechziger Jahre hörte ich durch zwei Freunde - unabhängig von einander - zum erstenmal etwas über Scientology. Diesen Begriff hielt ich damals für einen Sammelnamen für alles, was L. Ron Hubbard seit 1950 hervorgebracht hatte. Meine Freunde zogen es vor, von einer Erweiterung der Dianetic zu sprechen; das Ganze schien jedenfalls noch mehr ausgeschmückt zu sein als das Buch, das ich in der Zwischenzeit gelesen hatte. Engramme oder den Vorgang des Clear-Werdens erwähnten sie nicht. Statt dessen sprachen sie vom "Thetan", der reinen, ursprünglichen, unsterblichen Seele, und dem Ziel sie zu befreien. Sie waren nicht in der Lage, genau zu sagen, wovon der Thetan befreit werden mußte. Aber was immer es war, es betraf nicht nur sein jetziges Leben, wie die Engramme, sondern es führte den Patienten in frühere Existenzen zurück. Diese Befreiung des Thetan wurde erreicht durch eine Serie von "Beichten", bei denen der Patient oder PC (von preclear: einer, der noch nicht clear ist) einige ziemlich persönliche Fragen beantworten mußte. Diese Tests wurden "Prozesse" genannt und umfaßten fünf Grade, jeder mit einem unterschiedlichen Ziel, wie "Die Stärkung der Kommunikationsfähigkeit des PC" oder "Die Stärkung seiner Fähigkeit Probleme zu lösen". Wollte man die einzelnen Stufen durchlaufen, mußte man verschiedene Reisen zur nächstgelegenen Zweigstelle der Scientology-Organisation unternehmen, der "Org", wie der Fachausdruck lautete, und über 700 Dollar zahlen.
Durch die folgenden Seiten wird der Leser so vertraut mit diesen Begriffen werden, als handele es sich um Worte auf seiner Einkaufsliste. Meine Freunde gaben mir den Eindruck, das wichtigste bei der Scientology seien nicht die Thetanen oder Prozesse, sondern eine Maschine: Während jeder Auditionssitzung umklammerte der Preclear zwei leere Konservenbüchsen, die durch Drähte mit einem "E-Meter" genannten elektrischen Gerät verbunden sind. Der E-Meter schickt ständig eine leichte elektrische Ladung durch den Körper des Patienten und registriert auf einer Skala dessen "Widerstand" gegen gewisse Fragen. Der Auditor kann die Antworten des Preclear überwachen, indem er die Skala beobachtet. Dadurch weiß er, wie bei der Befragung vorzugehen ist. Der E-Meter spürt jede Spannung sofort auf. Er verrät dem Auditor, ob der PC nervös ist, etwas zu verbergen versucht - oder überhaupt etwas denkt!
Meine Freunde lobten die wunderbaren Kräfte dieses Apparates, als wäre es nicht eine Art von kleinem, tragbarem Lügendetektor, sondern

eine magische Wünschelrute. Das galt besonders für einen von ihnen (ich möchte ihn Morton Morvis nennen). Er fand, daß er bei der Befragung mit dem E-Meter seine innersten Gedanken offenbaren mußte, gleichgültig, wie riskant oder selbstanklägerisch sie waren. Er schien dies zu genießen, vor allem wenn der Auditor eine üppige junge Frau war.
Morton liebte es, mich mit Geschichten aus der New York Org zu unterhalten, wo er an einem Kurs als künftiger Auditor teilnahm. Zu den wichtigsten Dingen, die er lernen mußte, gehörte es, beim Auditieren eines Preclear die Fakten nicht durcheinander zu bringen. Er mußte genügend Selbstkontrolle haben, um selbst vor dem extremsten Unsinn aus dem reaktiven Geist des PC nicht zurückzuschrecken, aus dem Teil seiner Psyche, der die Engramme und anderen Verwirrungen beherbergte. Um dem Schüler zu helfen, sich diese Fähigkeit anzueignen, spielte ein Ausbilder die Rolle eines PC, der - voll reaktiven Geistes - nichts anderes im Sinn hatte, als den Auditor in jeder denkbaren Weise durcheinander zu bringen. Dieser Drill war als "Stier-Hetze" bekannt.
Die meisten Ausbilder versuchten, den künftigen Auditor zum Lachen zu bringen. Morton beschrieb mir eine derartige Sitzung. Er und sein Ausbilder saßen sich auf zwei Sesseln gegenüber, der Ausbilder ganz dicht vor ihm, so daß er Mortons Knie mit seinen festhalten konnte. Der Ausbilder machte sich dann daran, Mortons schwache Punkte herauszufinden, die ihn bei der zum Auditieren notwendigen Konzentration stören konnten. Mit Erfolg. Sechs Stunden dauerte es, bis Morton nicht mehr mit hilflosem Gelächter auf die Attacken des Ausbilders und anderer Scientologen antwortete, die ihn mit Juden-Witzen (Morton selbst war Jude) und Imitationen jüdischer Gesänge aufs Glatteis führten.
Die sexuelle Seite des Lebens ergab natürlich die beste Gelegenheit, den Auditor abzulenken. Das gab Morton eine Chance, sich an der Frau zu rächen, die ihn vorher traktiert hatte. Tatsächlich gelang es ihr nicht, ein ernstes Gesicht zu behalten, als er sagte: "Ich habe Lust, mit meiner Zunge zwischen Ihren Beinen zu spielen", wobei er die Bewegungen des Leckens drastisch vorführte. Doch sie behielt das letzte Wort, als sie an der Reihe war, den aktiven Part bei der Stierhetze zu spielen. Sie stellte einen weiteren Schwächepunkt bei ihm fest - Blähungen - und brachte ihn erneut zu Lachkrämpfen, indem sie ihm die entsprechenden Geräusche mit großem Erfindungsreichtum vorführte.
Eine andere Freundin, Hildegard Sonderstrom, beschäftigte sich sehr viel ernsthafter mit der Scientology als Morton, dem es vor allem der Spaß und das spielerische Element in der Org angetan hatten. Sie verbrachte ihre ganze freie Zeit in der Org und drängte mich, ebenfalls hinzugehen, um mich auditieren zu lassen. Hildegard erzählte mir von den Erfolgen des Auditierens, die ihr Leben verändert hätten.
"Vorher konnte ich mich nicht mitteilen", beteuerte sie. "Ich war abgeschlossen, verriegelt, lebte in einem Nebel, bis ich mich auditieren ließ und der ganze Seelenmüll ausgeräumt wurde. Früher erlegte ich mir bei Dingen, die ich tun wollte, die verrücktesten Beschränkungen auf. Das sind "Considerationen", in der Scientologie-Sprache: falsche Betrachtungsweisen; während eines scientologischen Prozesses verhindern sie die Befreiung vom reaktiven Geist. Es ist solch ein Glücksgefühl, wenn man seine Considerationen aufgeben kann. Sie wehen einfach fort! Es ist eine Offenbarung!"
"Aber Hildie, brauchen Offenbarungen nicht etwas Zeit?"
"Nicht mit dem E-Meter. Das ist keine Psychoanalyse oder Positives Denken oder so etwas. Der Meter ist ein wissenschaftliches Präzisionsinstrument. Er hat dazu geführt, daß Scientology so viel schneller ist als Dianetic ... Es ist Hubbards Durchbruch!"
Der einzige Durchbruch, von dem hier die Rede sein kann, dachte ich damals, ist die Tatsache, daß das Wort Absurdität eine neue Dimension gewonnen hat. Doch ich ließ sie weiterreden.
Durch Hildegard lernte ich Felicia Lancia kennen, eine professionelle Auditorin. Hildegard nahm mich eines Abends in ihr Appartement mit, nachdem sie betont hatte, sie führe nichts Böses im Schilde. Felicia Lancia war eine schlanke und hübsche junge Frau mit unwiderstehlichen Augen. Sie und ihr Mann Umberto waren Musiker wie ich, und wir wurden schnell Freunde. Das Paar beeindruckte mich. Sie waren beide keine Fanatiker. Umberto war nicht annähernd so fest von der Scientology überzeugt wie die anderen. Er interessierte sich mehr für seine Kompositionen als für seine Ausbildung zum Auditor. Die Lancias schienen harmonisch zusammen zu leben, obgleich sie Felicias Beruf unterschiedlich wichtig nahmen.
Wie Hildegard versprochen hatte, wurde kein Druck auf mich ausgeübt, mich der Scientology anzuschließen. Selbstverständlich versuchte Felicia nicht die Tatsache zu verbergen, daß sie mich sehr gern auditiert hätte. Als ich auf ihrem Klavier spielte, deutete sie mein Spiel scientologisch und sprach von meinem "Fluß" und meiner "Aura". Hildegard machte mich auf das üppige Wachstum der Pflanzen überall in der Wohnung aufmerksam. "Pflanzen brauchen ebenso Bestätigung wie Menschen", sagte sie. "Wenn man mit ihnen verbunden ist, ihnen - wie wir es nennen - ARC gibt und ihnen Ist-heit verleiht, dann gedeihen sie auch. Ich begrüße meine Pflanzen immer. Ich mache ihnen Komplimente und ich streichele sie."

Felicia ließ mich ein Spiel ausprobieren, bei dem ich Bewegungen ihrer Hände nachahmen mußte. Sie forderte mich auch auf, Hildegard durch den Raum zu schicken und dabei die Wände und einzelne Gegenstände berühren zu lassen. Ich sollte ihren Gehorsam bei der Ausführung der einzelnen Kommandos mit einem "Dankeschön" bestätigen. Ich fand das bald monoton. Die beiden jungen Frauen meinten, ich stelle mich bei diesen Übungen recht gut an und könne eines Tages ein guter Scientologe werden.
Etwa eine Woche später lud mich Felicia in die New York Org ein. Sobald ich ankam, wurde ich zum Empfang gebracht. Dort saß eine aufregende Blondine. Sie hatte die Aufgabe, die Leute zu überreden, sich zum Auditieren und für neue Kurse einzuschreiben. Mir schlug sie vor, sofort mit den unteren Graden zu beginnen und im voraus zu bezahlen. Während sie mir unverwandt in die Augen starrte, wurde mir unbehaglich. Ich versuchte, mich von ihrem Blick zu lösen. Ich antwortete ihr, ich wolle noch ein wenig warten, um die Angelegenheit zu bedenken. Daraufhin ging sie sofort in die Offensive: Offensichtlich habe ich Probleme, meinte sie, Scientology sei der einzige Weg zur totalen Freiheit. Darum würde ich eine Sünde gegen mich selbst begehen, wenn ich länger abwarte.
Ihre Plumpheit stieß mich ab. Ich befreite mich endgültig von ihrem durchdringenden Blick. Später saß ich mit Felicia in einem Cafe. "Ich hätte dich gar nicht hinbringen sollen", sagte sie mit mitfühlendem Lächeln. "Du bist zu sehr Individualist für sie. Du darfst die Empfangsdame nicht tadeln - sie bekommt eine Prämie, wenn sie jemanden wirbt. Aber selbst ich finde sie mitunter ziemlich anstrengend. Ich werde dich privat auditieren, in unserer Wohnung. Auf diese Weise kommst du mit den Fanatikern gar nicht mehr zusammen."
Ich nahm ihr Angebot nicht an. So sehr ich Felicia mochte, so wenig konnte ich einsehen, wie eine Serie von Fragen und eine Maschine mein Leben irgendwie verbessern konnten. Meinen Freunden war es nie gelungen, mir klar zu machen, was genau die Scientology war, und vor allem, wie sie bewirkte, was sie bewirken sollte. Ich hielt die Scientology einfach nur für den privaten Glauben einiger meiner Freunde. Wenn sie ihnen half - um so besser. Es machte mir keine Mühe, ihrer Begeisterung Toleranz entgegenzubringen. Ich hatte einen großen Bekanntenkreis innerhalb und außerhalb der Musikbranche. In jenen Tagen suchten die meisten von uns auf den verschiedensten Wegen nach der Wahrheit. Ich selbst las Bücher über den Zen-Buddhismus, einige meiner Freunde praktizierten Yoga, andere begannen, sich auf Drogen einzulassen. Alle waren zufrieden, solange niemand versuchte, einem anderen seine Wahrheit aufzudrängen. Die Lancias belästigten mich mit ihrer Scientology nicht, darum gewöhnte ich mich daran, sie hin und wieder zu besuchen.
Eine Veränderung trat bald nach meiner Rückkehr nach New York ein. Ich hatte eine sechsmonatige Tournee mit einer Musicalproduktion hinter mir, eine Arbeit, die mir nicht sehr gefiel. Diese lange andauernde Verdrossenheit ließ mich erkennen, wie sehr es mir seit Jahren an Kreativität gefehlt hatte, während ich für minimale Gagen arbeitete und bescheiden in möblierten Zimmern wohnte, in der einzigen Hoffnung, genug Geld zu sparen, um einen großen Gewinn an der Börse zu machen. Genau zu dieser Zeit machte mir Felicia ein Sonderangebot: Ich konnte mich zum ersten Grad auditieren lassen und brauchte nur dann weiter zu machen, wenn ich einen Nutzen davon spürte. Das war in der Tat günstig. Denn in der Org hätte ich sofort für alle fünf Grade unterschreiben müssen, mit dem zusätzlichen Nachteil, ständig aufgefordert zu werden, eine Anzahlung auf gesonderte Trainingskurse zu leisten. Daß Felicia mir Entscheidungsfreiheit ließ, erweckte sofort mein Interesse. Wenigstens hatte ich die freie Wahl. Ich konnte mich von den Fanatikern fernhalten und zugleich meine Neugier befriedigen. Wenn ich schon keine Ahnung hatte, worum es in der Scientology eigentlich ging, mochte es doch eine angenehme Beschäftigung sein, eben das herauszufinden. Wenn ich mich ein paar Stunden von einer hübschen jungen Frau auditieren ließe, überlegte ich mir, würde mich das schon nicht gleich zu einem Jünger machen. Der Spaß des Frage- und Antworte-Spiels und der Reiz, den E-Meter in Aktion zu sehen, würden allein die Kosten von 125 Dollar für den ersten Grad lohnen.
Was war der wahre Grund, weshalb ich mich auf das Auditieren, oder den "Prozeß", wie es auch genannt wird, einließ? Ich habe viele Stunden damit verbracht, mir das zu überlegen. Es liegt auf der Hand, daß mein ganzes Leben zu jener Zeit die Antwort darstellt. Ich möchte den Leser nicht mit einer Nabelschau langweilen. Ich will daher nur sagen, daß ich äußerst neugierig war, beeinflußbar und bereit, zweifelhafte und vielleicht sogar selbstzerstörerische Risiken ohne große Bedenken einzugehen; daß mein Sinn für soziale Verantwortung unterentwickelt war; und daß ich seit langem persönliche Probleme hatte, ohne sie direkt anzugehen. Ich wollte herausbekommen, was das Auditieren bewirkte, und ich wollte kein Spielverderber sein.
Es war im April 1967, volle zwei Jahre, nachdem ich erstmals über die Scientology hatte sprechen hören, als ich mich bereit erklärte, daß Felicia mich auditierte. Dies lange Zögern machte mich, wie ich meinte, zu einem Sonderfall gegenüber den vielen, die schnell und total in die Gruppe eingetaucht waren.

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Preclear

Felicia setzte mich ihr gegenüber an einen Tisch. Der E-Meter, ungefähr so groß wie eine Zigarrenkiste, war in einem Winkel von 45 Grad auf dem Tisch aufgebaut. Nur der Auditor konnte die Bewegungen der Nadel auf der Skala beobachten. Zwei Konservenbüchsen, die früher vielleicht einmal die Etiketten von Campbell's Suppe getragen hatten, standen in meiner Reichweite.
Felicia drehte an verschiedenen kleinen Knöpfen an dem Meter. Dann sagte sie mit fester Stimme: "Bitte nimm die Büchsen. Danke. Beginn der Sitzung." Sie schaute mir direkt in die Augen.
"Dies ist der Prozeß. Worüber willst du mit mir sprechen?"
"Musik", antwortete ich.
"Danke, Was willst du mir darüber sagen?"
"Alles, was ich weiß."
"Gut. Worüber willst du mit mir sprechen?"
"Über viele Dinge."
"Fein. Was willst du mir über sie sagen?"
"Was immer ich kann."
"Danke. Worüber willst du mit mir sprechen?"
Ich zögerte. Da war noch etwas. Ich zuckte zusammen, als mir schlagartig der Gedanke ins Bewußtsein schoß, der mir bei ihrer Frage gekommen war und in meinem Hirn aufblitzte wie eine Leuchtkugel.
"Ich werde die Auditionsfrage wiederholen. Worüber willst du mit mir sprechen?"
Der E-Meter hatte es entdeckt. Ich zögerte.
"Die Nadel reagiert hier auf etwas. Was, meinst du, könnte das sein? Da, da!" rief sie, als sie weitere Reaktionen feststellte. Während ich dasaß und die Konservenbüchsen umklammerte, hatte ich das plötzliche Bedürfnis zu sprechen, ihr alles zu sagen.
"Ich möchte mit dem Po eines Mädchens spielen."
"Danke. Was willst du mir darüber sagen?"
"Dauernd verfolgt mich der Wunsch, Mädchenpopos zu befummeln."
"Danke. Was willst du mir darüber erzählen?"
"Es verfolgt mich ständig."
"Gut. Und was willst du mir darüber erzählen!"
"Das ist alles.... Ich weiß nicht... Ich habe es getan ... Ich meine, ich habe hineingeschaut... verschiedentlich. Ich weiß einfach nicht, wonach ich schaue oder warum. Es ist so dumm."
"Fein. Falls du hineinschaust, was willst du mir darüber erzählen? Nenne einfach ein paar Dinge, die du sehen könntest." "Ein Loch ... ein Rektum ... einen Tunnel."

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"Danke. Noch etwas?"
"Glasierte Kastanien ... eine Orangensaft-Presse ... ein grünes Luftschiff", sagte ich. Allmählich kam ich in Fahrt.
"Gut. Wir wollen das etwas näher betrachten. Wir machen eine Liste aller Dinge, die du sehen könntest."
Ich kam mir etwas komisch vor, während ich meine Phantasie schweifen ließ und der Liste hinzufügte, was immer ich "sah". Jedes einzelne Wort wurde von Felicia genau in ihren Auditor-Report eingetragen. Ich gab ihr eine umfassende Sammlung, von "Schuhen und Schiffen" bis zu "Siegelwachs". Einen Augenblick lang hatte ich das Gefühl, ganz dicht an der Grenze einer Einsicht zu stehen. Aber dann ließ ich nach, meine Kraft schwand, als ob sie sich an verborgenen Widerständen verzehrt hätte. Sofort verstärkte Felicia ihren Druck, um die Liste der Dinge, die ich sehen würde, weiter zu vervollständigen.
Als ich das Wort "Schornstein" aussprach, hatte ich das Gefühl, näher an den Kern des Geheimnisses herangekommen zu sein. Ein erregendes Gefühl begann sich in mir breitzumachen, zusammen mit der überwältigenden Vertrautheit einer seit langem vergessenen Freude. Wie in einer Vision schaute ich in einen Strudel hinab. Ich beschrieb ihn Felicia, und dabei verwandelte er sich in ein Füllhorn, das sich mitten durch meinen Kopf wand und verlorene Empfindungen wieder erschloß ...
"Danke. Mach weiter"
"Jetzt wird es schwächer."
"Gut. Noch mehr?"
"Es ist vorbei."
Als ich später heimging, fragte ich mich, was wohl die angenehmen Empfindungen ausgelöst haben mochte und warum Felicia die Sitzung so beendet hatte, wie sie es tat. Nach zwei Stunden hatte sie lächelnd gesagt: "Danke. Soviel für heute. Welche Fortschritte hattest du bei dieser Sitzung?"
Ich war verblüfft. Ich hatte kaum Zeit gehabt, mir darüber Gedanken zu machen.
Unser letzter Wortwechsel war gewesen: "Fein. Ich überprüfe die Prozeß-Frage. Worüber willst du mit mir sprechen?"
"Über alles."
"Danke. Was willst du mir darüber sagen?"
"Was immer du wissen willst."
Noch etwas hatte sich während der Sitzung ereignet, was ich mir nicht erklären konnte. Wenn ich daran zurückdenke, möchte ich bezweifeln, ob Felicia es bemerkt hatte, obwohl es ihr mit ihrem ersten Auditor ebenso ergangen war, Jahre bevor sie mich auditierte. Denn, wenn

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man genau nach den Stufen vorgeht, die den Preclear von verschiedenen Problemen befreien sollen, scheint es eine Anzahl verborgener Stufen oder Stationen zu geben, die ihn Schritt für Schritt in eine völlig andere Richtung lenken.
Während dieser ersten Sitzung hatte ich meinen eigenen Weg durch diese geheimen Stufen begonnen.

Wir trafen uns zwei Tage später. Als erstes fragte sie:
"Welchen Gewinn hattest du von der vorigen Sitzung?" Ich sagte ihr, daß sich bis jetzt noch keiner eingestellt hätte. Sie begann wieder ihre Fragen zu stellen.
"Wenn du mit einem Polizisten sprechen könntest, worüber würdest du mit ihm reden?"
"Über alles, worüber er sprechen wollte."
"Fein. Wenn du mit einem Polizisten über etwas, worüber er sprechen wollte, reden würdest, was würdest du dann genau sagen?"
"Irgendetwas, das mir keine Schwierigkeiten einbringt."
"Danke. Wenn du mit Vater oder Mutter sprechen könntest, über was würdest du sprechen?"
"... meine Mutter starb vor einigen Jahren."
"Gut. Was sind deine Überlegungen zum Thema Kommunikation?"
"Sie ist nicht in Frieden gestorben."
"O.k. Wenn du mit ihr reden würdest, worüber würdest du mit ihr sprechen?"
"Ich würde ihr sagen, daß es mir leid tut."
"Danke. Wenn du ihr sagen würdest, daß es dir leid tut, was würdest du genau sagen?"
"Wie meinst du das?"
Sie ließ mich die Büchsen für einen Moment hinstellen, während sie erklärte, ich könne so tun, als ob meine Mutter anwesend wäre. Ich griff wieder nach den Büchsen und sagte meiner Mutter, daß ich wünschte, ich wäre freundlicher zu ihr gewesen, als sie noch lebte. Am Ende der Sitzung wollte Felicia wissen, welche Fortschritte ich gemacht hätte. Ich konnte ihr keine genaue Antwort geben. Etwa eine Stunde nach dem Beginn der dritten Sitzung richtete sich Felicia in ihrem Stuhl kerzengerade auf, sie hatte den abwesenden Blick eines Hundes, der in den Wind schnüffelt. Meine Antworten kamen jetzt schneller, und ihre Augen glänzten, als ob gleich etwas Wunderbares passieren müßte.
"Ich überprüfe folgende Frage: Wenn du mit einem Richter ein Gespräch führtest, worüber möchtest du mit ihm reden?"
"Über alles."

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"Fein. Wenn du dich einem Publikum von mehreren tausend Menschen mitteilen könntest, worüber möchtest du dann sprechen?"
"Über alles."
"Gut. Und wenn du mit irgendjemand sprechen könntest, worüber möchtest du dann reden?"
"Über alles. Über alles in der Welt."
So erreichten wir den ersten wichtigen Markstein, den sie schon während der ersten Sitzung im Auge gehabt hatte. Felicia nahm auf dem E-Meter genau die Anzeige wahr, auf die sie schon gewartet hatte und kündigte das Ende des Prozesses an: "Danke, 0.K.! Das wär's!" Sie ließ mich die Konservenbüchsen abstellen. "Herzliche Glückwünsche, du bist ein 'Release', ein Befreiter, Grad 0 - Kommunikation."
Als sie mich wie beim Beginn und am Ende jeder vorhergehenden Sitzung nach meinen Gewinnen fragte, war ich leicht irritiert. Diese Fragen suggerierten geradezu, daß ich Gewinne erzielt hätte. Nun wurde mir also gesagt, was ich war - ein Release - durch den Auditor und durch die Maschine. Ich hatte bares Geld bezahlt, um diesen so erstrebenswerten Titel zu erhalten, aber das war ein Status, den ich schon vorher besessen hatte. Ich hatte mich schon immer leicht mitteilen können. Jetzt wurde mir unterstellt, daß ich nicht so kommunikativ gewesen sei, wie ich geglaubt hatte. Das war schwer zu verstehen. Offensichtlich war es für Felicia wichtig, daß ich Gewinne machte und befreit wurde, ob ich wollte oder nicht; auch wenn - soviel mir bewußt war - nichts passiert war. Einen Augenblick lang hatte ich den Verdacht, daß ich für verborgene Zwecke ausgenutzt wurde, daß man mich für ein unbekanntes Ziel präparieren wollte. Ich hatte keine Gewinne zu melden.
Ich teilte Felicia mit, ich würde ihr in einer Woche sagen, ob ich die Sitzungen fortsetzen wollte. Trotz meines Unbehagens gab es doch Dinge, die mir am Auditieren gefielen; die Sache hatte etwas für sich. Obwohl es mich manchmal langweilte, verwirrte, ärgerte oder mich benommen machte, fühlte ich mich doch herausgefordert. Auf seine Weise war der Prozeß faszinierend, und er hatte geheimnisvolle Saiten in meiner Psyche angeschlagen. An erster Stelle, so glaube ich, war es Felicias Werk: ich wollte mich ihrer Hoffnung würdig erweisen. Während jeder Sitzung hatten ihre Augen die meinen nur losgelassen, wenn sie schnell auf den E-Meter schaute, an seinen Knöpfen drehte oder meine Antworten in ihren Bericht eintrug. Ihr Blick war munter und wachsam, als ob sie meine Antworten aus mir herausholen wollte, die sie jedesmal bestätigte. Ihr "Danke!" klang aufrichtig und wurde jedesmal von einem direkten Blick begleitet und einem ermutigenden Lächeln, als ob sie sagen wollte: "Schon gut, ich habe deinen Gedanken

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erfaßt, und es ist gut, daß du ihn hattest und ihn mir mitgeteilt hast." Diese konzentrierte Aufmerksamkeit und das bemerkenswerte Tempo, mit dem wir intime Phänomene ausgelotet hatten, brachten mich zu der Überzeugung, daß der Prozeß des Auditierens mich vielleicht mehr berührte, als alles, was ich vorher getan hatte. Dabei hatte ich immer noch keine Ahnung, wohin das alles führte. Mir scheint, daß Felicia eine Menge Einfühlungsvermögen hatte, aber in ganz anderer Weise, als mir je begegnet war. Es war ein Hauch von Erotik dabei - wenn auch anders als üblich - oder machte ich mir etwas vor? Ich wußte, daß Felicia eine Freundin war, daß sie mich respektierte, ganz gleich, wie ich auf eine Auditionsfrage antwortete; und daß sie etwas von mir wollte, das ich ihr nicht verweigern mochte.
Eine Woche später bezahlte ich und nahm die nächste Serie von Sitzungen auf: "Grad I: Probleme."

Umberto Lancia hielt die Scientology für heilsam, meinte aber, daß man sich nicht von ihr beherrschen lassen solle. Er freute sich auf unsere gemeinsamen musikalischen Abende und auf unsere langen Spaziergänge im Park, weil er dadurch der dauernden Fachsimpelei seiner Frau und ihres Kreises entgehen konnte. Vor allem Hildegard Sonderstrom war es, die ihn mit ihrer Angewohnheit, Luftschlösser auf Hubbards Ideen aufzubauen, in Wut versetzte. Sie lebte praktisch in seiner Wohnung, wenn sie sich nicht in der Org aufhielt. Ein anderer häufiger Besucher war Maurice Moussorgsky. Er war schon seit langem Scientologe und einer von Felicias ersten Auditoren. Er war bekannt dafür, daß er Preclears mit seinen anerkanntermaßen unorthodoxen Methoden schnell zum Release brachte. Er war kräftig gebaut, blauäugig und pockennarbig, mit einem groben, doch ebenmäßigen Gesicht und einem Vollbart. Umberto fand ihn unerträglich.
An dem Abend, an dem ich Maurice kennenlernte, führten Hildegard und ich ein Streitgespräch über die Frage, wie man ein Musikstück einstudieren mußte. Immer wenn wir darüber sprachen, ertappte ich mich zu meinem ärger dabei, daß ich mit ihr wie ein Student im zweiten Semester sprach. So äußerte ich mich über den "Schmerz, den manche Leute durch das Üben zu erleiden fürchten". Maurice, der den Anschein erweckt hatte, in ein anderes Gespräch verwickelt zu sein, brüllte mir durch das ganze Zimmer zu:
"Und was bringt Sie auf die Idee, Sie wüßten etwas von Schmerz oder Freude? Sie sollten diese Dinge selbst erfahren, bevor Sie darüber reden!"
Hildegard und ich besprachen den Vorfall später, als ich sie nach Hause brachte.

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"Maurice hat immer einen guten Grund für alles, was er tut, und er hat schon schrecklich vielen Leuten geholfen", sagte sie. Sie konnte aber weder den "guten Grund" noch die Hilfe für mich erklären. Der Zusammenprall mit Maurice, praktisch zwanzig Minuten, nachdem wir uns zum erstenmal die Hand gegeben hatten, machte es mir schwer zu verstehen, warum Hildegard und Felicia so große Stücke auf ihn hielten.
An einem der nächsten Abende teilte mir Felicia mit, sie werde in einigen Wochen nach England aufbrechen, um sich dem Clear-Prozeß zu unterziehen. Wegen der ziemlich hohen Kosten werde Umberto den Prozeß nur bis zu Grad V: "Power Release" (= Befreiung der Energie) mitvollziehen. Maurice war in der gleichen Sache schon drüben gewesen, durfte uns aber nicht viel darüber sagen. Alle Grade über IV, also auch Stufe VII: Clear, waren geheim. Man konnte sie nur in England machen, im sogenannten "Hill", Saint Hill Manor, in der Nähe der Stadt East Grinstead in Sussex, wo die Scientology-Organisation ihr Hauptquartier und eine Schule besaß. Damit war ein neues Element eingeführt: Geheimhaltung.

Du als ein Theta-Wesen magst vielleicht Griechenland oder Rom gesehen haben - oder auch nicht.
L. RON HUBBARD

"Dies ist der Prozeß. Sag mir ein Probleme
"Manchmal kann das Leben ein Problem werden."
"Fein. Wie würdest du es lösen?"
"Ich weiß nicht."
"Ich wiederhole die Auditionsfrage: Wie würdest du es lösen?"
"Wahrscheinlich gibt es mehrere Wege."
"Fein. Worin könnten sie deiner Meinung nach bestehen?"
"Aktiv sein...passiv sein...kämpfen...fliehen...wie verrückt arbeiten...gammeln..."
"Gut. Sag mir alle möglichen Lösungen"
"Dinge tun. Ich könnte bessere Arbeit suchen, eine Wohnung mieten, mich verlieben, heiraten, etwas studieren."
"Danke. Noch andere Lösungen?"
"Sport treiben. Nicht mehr rauchen, vernünftig essen, meditieren, lesen, alle Dinge tun, die ich mir vorgenommen hatte."
"Danke. Wie würdest du es lösen?"
"Klavier üben, eine Vorstellung geben, ein Buch schreiben, alle meine Pläne ausführen. - Eben fällt mir etwas ein. Aber es hat nichts mit dem zu tun, womit wir uns gerade beschäftigen. Ich habe ein seltsames Gefühl."

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"Gut. Was, meinst du, könnte das sein?"
""Ich sehe mich in Afghanistan, in einem Zelt. Draußen sind grüne Felder, Fahnen, Pferde."
"Fein. Wann ist das?"
"Mein erster Gedanke ist das fünfzehnte Jahrhundert..."
"Gut. Ist das die Zeit?"
"Ja, das glaube ich."
"Gut, danke. Ist sonst noch etwas auf diesem Bild?"
"Ja, ich war einmal auf einer Konzertreise in Afghanistan. Das ist komisch: ich sah ähnliche Felder und Fahnen letzten Sonntag bei einer Versammlung im Central Park."
"Danke. Noch etwas?"
"... aber jetzt ist es anders. Ich glaube, Flammen zu sehen, oder Fackeln, Rauchwolken. Es ist seltsam, ich kann es nicht glauben, aber mir ist, als ob ich schon vorher dort gewesen wäre."
"Danke. Was sind deine Überlegungen zum Thema Realität?"
"Ich weiß einfach nicht, ob dies wirklich passiert, oder ob es ein Traum oder ein Phantasie-Gebilde ist. Ich sinke immer tiefer hinein. Es bereitet mir Unbehagen ...ja, ich glaube, ich werde in dem Zelt gefangen gehalten."
"Danke. Noch etwas?"
"Ich möchte da heraus. Tatsächlich bin ich drinnen und bilde mir ein, ich wäre draußen und sähe die Pferde. Es gibt ein Rennen oder so."
"Danke. Wie würdest du es lösen?"
"Ich kann es nicht lösen. Ich stecke fest, ich bin hilflos. Das ist es. Ich bin ein wenige Monate alter Säugling und ich kann überhaupt nichts tun. Ich bin für das, was geschieht, nicht verantwortlich."
"Verstanden! Was sind deine Überlegungen zum Thema Verantwortlichkeit?"
"Das Wort hat eine unangenehme Nebenbedeutung für mich. Ich verbinde damit Schuld, Scham, den Zwang, Dinge zu tun, die man eigentlich nicht tun will - und wenn man sie unterläßt, erntet man Tadel."
"Gut. Stell jetzt die Büchsen auf den Tisch. Hier ist ein Webster Lexikon. Schlag das Wort 'Verantwortlichkeit' auf. 0.K., was bedeutet es also?"
"Ich merke, worauf du hinaus willst, aber ich mag das Wort einfach nicht. Es geht mir gegen den Strich."
"Ich möchte sicher gehen, daß du weißt, was das Wort wirklich bedeutet. Denn es ist eins der Hauptziele des Prozesses, das Verantwortungsgefühl zu stärken. Je mehr einer bereit ist, Verantwortung für seine Vergangenheit zu übernehmen ..."
"War es ein früheres Leben, was ich dir beschrieben habe?"

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"Es ist deine Sache, das zu beurteilen."
"Oder meinst du, ich hätte versucht, alle meine Probleme ins 15. Jahrhundert zurückzuschieben?"
"Auch das kann ich nicht für dich beurteilen. Nimm bitte wieder die Büchsen. Ich möchte es mit dem E-Meter überprüfen. Was bedeutet für dich Verantwortlichkeit?"
"Oh Gott, ich glaube ich habe immer Dinge in das Wort hineingelesen - wahrscheinlich wegen etwas, das in meiner Kindheit passierte."
"Gut. Und was denkst du heute über Verantwortlichkeit?"
"Es passierte nichts. Niemand wollte etwas von mir. Ich muß es irgendwo aufgelesen haben."
"Danke. Noch etwas dazu?"
"Es ist letzten Endes nur ein Wort. Ich werde über die Assoziationen hinwegkommen."
"Gut. Nun überprüfe ich die Frage: Wie würdest du es lösen?"
"Indem ich fähig bin es zu lösen."
"Danke. Sag mir ein Problem."
"Probleme haben ist ein Problem."
"Und wie würdest du es lösen?"
"Indem ich keine Probleme mehr habe."

"... und nun sehe ich ein Baby in blauen Kleidern vor mir. Es ist dasselbe Blau, wie der Deckel des Fotoalbums, in dem meine Mutter die ersten Schnappschüsse von mir aufbewahrte."
"Danke. Noch mehr darüber?"
"Es ist, als betrachte ich mich von außen."
"Gut. Welche Überlegungen hast du dazu?"
"Da ist eine sehr schwache Erinnerung, fast wie ein Traum. Ich wußte, daß nahe Verwandte ein Baby hatten. Es starb kurz vor meiner Geburt. Nun bin ich ihm so nahe, das Baby tut mir leid...ich beweine es...weißt du, ich glaube, das Baby war ich selbst...in einem früheren Leben."
"Danke. Und wenn das ein Problem wäre, wie würdest du es lösen?"
"Indem ich mich dafür verantwortlich fühle."
"Verstanden. Ich möchte die Frage mit dem E-Meter überprüfen: Sag mir ein Problem!"
"Es gibt keine Probleme."

Die hier beschriebenen Auditionssitzungen sind nicht wörtlich dargestellt. Sie haben den Charakter einer Rekonstruktion. Stundenlange Sitzungen sind teilweise in einem Satz zusammengefaßt. Aber der Bericht zeigt genau, was in den Sitzungen passiert, oder zumindest pas-

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sieren kann.
Was die Fragen selbst betrifft, sie sind selbstverständlich so angelegt, daß sie den Preclear anfangs etwas unbehaglich machen. Das ist nötig, damit er später Erleichterung spüren kann. In der Sprache der Scientologen: "Sein reaktiver Geist wird absichtlich restimuliert (= wieder angeregt), damit er destimuliert (= abgeregt, beruhigt) werden kann." (Abgekürzt: "Restim zum Zweck des Destim".)
Eine sehr allgemeine Frage wird in dem Prozeß ständig wiederholt. Zuerst sieht der Preclear keine Möglichkeit, hieb- und stichfest zu antworten. Dennoch wird er versuchen, nach besten Kräften zu antworten, wobei er die Antwort immer auch einschränkt. Bis zu einem gewissen Maße fühlt er sich unter Druck, unter Zwang und in eine Falle gelockt. Seine nächste Reaktion ist der verstärkte Wunsch, die wiederholte Frage zu beantworten, denn jedesmal, wenn er seinen Mund öffnet, erhält er eine kleine Belohnung in Form einer Bestätigung (Fein! Gut! OK! usw.). Schließlich möchte er das Gefühl haben, jede Frage beantworten zu können, so daß er möglichst viele Belohnungen erhält. Und zu diesem Zweck ist er bereit, Antworten zu erfinden. Wenn er zögernd antwortet (das wird "Comm-Unterbrechung", Abkürzung für Kommunikationsunterbrechung, genannt), wird die Frage automatisch wiederholt, damit er schneller antwortet. Nun ist er brav.
Schließlich möchte er ja selbst vorankommen. Nach einiger Zeit ist ihm ganz egal, was er sagt. Sein Verstand wird wie ein Computer behandelt, und was er sagt, ist wie ein Rechenexempel, das auf dem E-Meter registriert wird. Die ständigen Bestätigungen und die Nichtbewertung seiner Antworten durch den Auditor prägen ihm das deutlich ein. Während der Sitzungen wird ihm tatsächlich nie gesagt, was er glauben soll. Aber wenn man ausspricht, was man nie aussprechen wollte, ist es nur noch ein kleiner Schritt, auch zu glauben, was man gesagt hat. Der Preclear möchte sowieso glauben, daß alles, was geschieht, ihm hilft. Die Auditionssitzung ist präzis darauf ausgerichtet, diese Haltung auszunutzen.
Felicia selbst hatte nichts dazu beigetragen, um meine Visionen von einem früheren Leben zu fördern. Sehr gewandt vermied sie jedes eigene Urteil, in genau gleicher Weise bestätigte sie, was ich entweder für trivial oder für bedeutsam hielt. Anscheinend gab sie auf diese Weise ihre Zustimmung zu meinen seelischen Wanderungen -, aber es gab nichts Konkreteres als ihre bloße Bestätigung von allem, was ich als Antwort auf ihre Fragen sagte. Von vornherein hatte ich gewußt, daß ich in diesem Prozeß früher oder später mit meiner früheren Existenz oder mit der Loslösung meiner Seele vom Körper zu tun haben

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würde. Und vielleicht hatte die Tatsache, daß ich für einen weiteren Grad bezahlt hatte, mich dazu veranlaßt, diese Vorstellungen in den Sitzungen auszuprobieren. Ich konnte nichts Falsches in solchen Ideen sehen. Seit Urzeiten hatte sich die Menschheit damit beschäftigt, sie gehörten zu den Grundüberzeugungen vieler Religionen, sie waren anerkanntermaßen Gegenstand wissenschaftlicher Forschung; es wäre vermessen gewesen, sie einfach als Unsinn einzustufen.
Allerdings hatte ich mir einen Hauptirrtum zuschulden kommen lassen (wenn wir für einen Augenblick die Annahme beiseite lassen, daß der Irrtum wahrscheinlich darin bestand, daß ich mich überhaupt auditieren ließ). Der Irrtum bestand in der Überzeugung, daß die scientologische Technik des Auditierens irgendeine Bedeutung hinsichtlich dieser okkulten Dinge hätte.
Hubbard hatte ein Bild des menschlichen Geistes gezeichnet: die Zeitspur. Sie lief durch die unzähligen früheren Existenzen zurück, die durch traumatische Erlebnisse beeinträchtigt waren. Er schenkte uns auch den E-Meter. Nirgends erklärte er genau, was diese Maschine eigentlich registrierte. Man erinnere sich daran, daß Felicia ihr ganzes Material - Antworten auf die Fragen, Träume, Phantasien, eingebildete Erinnerungen und deren Daten - von mir selbst erhalten hatte! Aber das System des Auditierens ließ es so erscheinen, als ob alles, was ich sagte, sich auf dem E-Meter spiegelte. Ich hatte mich von Anfang an selbst in die Irre geführt, indem ich die natürlichen - oder auch die widernatürlichen - Regungen meiner Psyche mit der Atmosphäre und den Wirkungen des Auditierens in einen Topf warf. Ich hatte mich auch über die Länge des Seils getäuscht, das man mir ließ, um mich daran selbst aufzuhängen. Hat man sich einmal auf das Auditieren eingelassen, dann läuft alles seine vorgezeichnete Bahn. Ich war zu sehr bereit, den Dingen ihren Lauf zu lassen. Was mit mir geschah, war mehr, als ich durchschauen konnte. Und bis jetzt war ja auch noch nicht so viel passiert. Später, vielleicht in der nächsten Sitzung, würde ich herausbekommen, worauf alles hinauslief.
Es dauerte gar nicht mehr lange, bis ich mir einbildete, daß sich durch das Auditieren in meinem Leben etwas änderte. Meistens war mir das Duell, daß zwischen Felicia und mir, zwischen Auditor und Preclear, stattfand, nicht einmal bewußt. Auch sie durchschaute nicht, daß die Kontrolle, die sie während der Sitzungen über meine Seele erlangte, letzten Endes die Qualität einer Falle hatte. Bald wurden Phantasien zu Tatsachen. Ich steckte schon tief im Reich der Phantasie und hatte schon ein gutes Stück der verborgenen Straße ins Land Nirgendwo zurückgelegt.
"Dies ist der Prozeß. Was hast du getan?"

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"Diese Frage beschwert mich sehr. Sie erweckt alle schlechten Dinge, die ich getan habe, zum Leben."
"Ich wiederhole die Auditionsfrage: Was hast du getan?"
"Ich habe manchmal auch Gutes getan. Doch jetzt verbinde ich die Frage mit den bösen Taten, die ich begangen habe. Ich höre die Frage, als ob sie lauten würde: ,Was hast du Böses getan?'"
"Stell die Büchsen einen Moment ab. In der Stufe II haben wir es mit dem 'Verborgenen' und mit dem 'Zurückgehaltenen' zu tun. Ich möchte, daß du selbst diese Begriffe im Scientology-Lexikon hier nachschlägst."
Das "Verborgene" (= "Overt") wird als ein schädlicher oder gegen das Überleben gerichteter Akt definiert; das "Zurückgehaltene" (= "Withhold") als ein verheimlichter Overt.
"In Ordnung. Was hast du getan?"
Ich teilte ihr meine verborgenen Akte mit, soweit ich mich zurückerinnern konnte. Viele waren sexueller Art.
"Danke. Was hast du getan?"
"Ich fühle mich noch immer schuldig gegenüber meiner Mutter."
"Danke. Was sind deine Überlegungen zum Thema Schuld?"
"Sie ist unbegründet. Ich habe nichts Schreckliches getan."
"Fein. Andere Überlegungen?"
"Ich habe nie viel mit ihr gesprochen, aber ich fühle mich vollkommen frei, ihr das jetzt zu sagen, falls sie noch am Leben wäre - wie du es schon von mir verlangt hast."
"Danke. Was hast du nicht gesagt?"
"Das ist lächerlich. Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, daß ich mich wegen irgendwelcher Dinge, die ich getan habe, schuldig fühle, es wäre auch sinnlos. Nichts davon war sehr wichtig, und was ich auch getan habe, es entsprach meinem kindlichen Alter. Kann es sein, daß ich diese verborgenen Akte beging, weil ich mich von Anfang an schuldig fühlte? Ich glaube, jetzt sind wir dabei, etwas herauszubekommen."
"Verstanden! Ich überprüfe die Frage: Was hast du nicht gesagt?"
Während der nächsten Sekunden dachte ich an unsere erste Sitzung zurück. Es war noch etwas übrig, was ich noch nicht gesagt hatte, aber was war es? Es existierte nicht einmal - ich jagte Einbildungen nach! Ich wußte schon besser Bescheid und konnte schneller die Möglichkeiten erkennen, die während der Sitzungen im Nu auftauchen konnten. Aber wenn ich auf die Dinge stieß, die ich seit Jahren getan hatte, konnte ich das so schnell aufgeben?
Felicia, die intensiv den E-Meter beobachtete, lächelte. Ich hatte mich so oft selbst gequält - und nun kündigte Felicia schon mein Release, meine Befreiung, an.

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Hildegard, die in der Küche gesessen und gelesen hatte, kam herein und umarmte mich unter Glückwünschen. Früher hätte ich mich darüber amüsiert. Ich hatte nichts weiter getan, als Fragen zu beantworten und hin und wieder einen seelischen Höhenflug anzutreten. Woran es gefehlt hatte, das war meine aktive Teilnahme. Doch jetzt hatte ich mir ihren Beifall dadurch verdient, daß ich die Dinge selbst in die Hand genommen hatte - gerade dadurch hatte ich eine wirkliche Erkenntnis erzielt, einen Erfolg für Felicia und für mich.
Das Auditieren kam mir nun wie selbstverständlich vor. Bestätigungen waren in unserer Gesellschaft so selten zu erlangen, daß ich einige Sitzungen gebraucht hatte, um mich daran zu gewöhnen. Felicias freundlicher aber durchdringender Blick schüchterte mich nicht länger ein. Eine Zeitlang hatte ich meine Augen immer von ihren abgewandt; nun konnte ich mich der Wärme und den guten Absichten öffnen, die ich in ihren Augen lesen konnte. Ich kostete es aus, daß ich jetzt fähig war, einem anderen Menschen in die Augen zu sehen. Wie ausweichend hatte ich mich während meines ganzen Lebens verhalten! Wie sehr waren meine Beziehungen im Vergleich zu dieser eingeengt und flüchtig gewesen! Es war sehr schade, daß Felicia nach England mußte, bevor wir die nächsten beiden Grade erledigen konnten.
Ich fühlte mich nicht mehr unter Druck oder Zwang, wenn ich ständig nach meinen Fortschritten gefragt wurde. Ich versuchte, so zu antworten, daß ein Fortschritt dabei herauskam. Anfangs machte mich das ein wenig verlegen, als ob man noch einmal sprechen lernen müßte. Doch sobald sich mehr Fortschritte einstellen würden, wollte ich mir selbst beibringen, sie noch besser auszudrücken.

Maurice

Eine Woche, nachdem die Lancias nach England abgereist waren, begann Maurice Moussorgsky mich anzurufen. Felicia hatte vorgeschlagen, ich sollte die beiden noch ausstehenden unteren Grade III und IV mit seiner Hilfe abschließen. Aber ich war davon zunächst gar nicht begeistert. Maurice lebte bei seinen Eltern in Queens und machte täglich Ausfälle nach Manhattan, wobei er seinen E-Meter in einem Diplomatenköfferchen trug, wie ein Vertreter, der seinen Bezirk mit Warenproben abläuft. Jede erreichbare Wohnung diente ihm als Stützpunkt. Im Apartment der Lancias hatte er geduscht, sich rasiert, sein Hemd gewechselt und den Kühlschrank geplündert. Seltsamerweise

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stand er trotz seiner Schmarotzerei in dem Ruf, als Auditor ein As zu sein; ich war natürlich ein wenig neugierig, den Grund zu erfahren. Eigentlich konnte es nicht schaden, die beiden Grade bei ihm zu absolvieren, solange er sich nicht vollends zum Parasiten entwickelte.
Bei Grad III ging es um Störungen, die durch fremde Personen verursacht worden waren. Unangenehme Begegnungen mit den verschiedensten Leuten wurden bis in meine Kindheit zurück verfolgt. Der Gedanke dabei war, sich von jenen Erlebnissen zu befreien und eine Wiederholung in der Gegenwart auszuschließen. Störungen durch Personen hießen ARC-Brüche (A = Affinität; R = Realität; C = Kommunikation. Zusammengenommen bedeutet ARC: Gegenseitiges Verständnis).
Maurice wirkte wie eine Karikatur mit seinen kalten blauen Augen, seinen Pockennarben und seinen exzentrischen Hemd-Krawatten-Kombinationen. Seine Bestätigungen bestanden aus einem knappen "In Ordnung", danach verzog er seine Oberlippe, so daß ich mich fragte, ob es wirklich "in Ordnung" war. Häufig unterbrach er die Sitzung mit dem Kommando: "O.k., setzen Sie die Büchsen ab." Dann gab er mir Erklärungen, die ich selten verstand. Eine dieser Erklärungen hatte es mit "Ausweichen" zu tun, was Menschen mit einem reaktiven Geist anscheinend dauernd tun (offenbar war auch ich ausgewichen). "Angenommen, Sie sitzen am Klavier und versuchen zu üben, und dabei meinen Sie dauernd, einen Alligator zu sehen. Da ist er wieder, er kommt durch den Fußboden nach oben! Da, da! Manchmal fragen Sie sich dann, was, zum Teufel, los ist. Wenn Sie es sich richtig überlegen, genau so gehen die meisten Leute durch ihr ganzes Leben." Maurice wich so oft von der Hauptlinie des Prozesses ab, daß es oft schien, er improvisiere nur. Während der ersten Sitzung veranstaltete er einen S&D- (= Search and Discovery: Suche und Entdeckung) Prozeß, um die Person aufzuspüren, die mich unterdrückt hatte. Ich mußte jeden Erwachsenen nennen, der mich zurechtgewiesen hatte, als ich noch ein Junge war. Mitten während der zweiten Sitzung entschied er plötzlich, ich müsse "dianetisch" auditiert werden. Gewisse Aspekte davon seien neu für mich, da Hubbard sie erst nach seinem Buch entdeckt habe. Fälle von Verlusten, "Secundarien" genannt, würden vor den Engrammen behandelt, da sie für den Preclear einen bequemeren und leichteren Beginn darstellen. Es werde für unnötig gehalten, ihn alle seine Engramme erneut durchleben zu lassen; die Behandlung einer wichtigen Kette von Vorfällen oder sogar eines einzigen Ereignisses reichten aus, um die "Dianetic Release" herbeizuführen.
Maurice dirigierte mich also durch eine "Secundarie", die sich ereignet hatte, als ich sechs Jahre alt war: damals hatte mich ein älterer Junge

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mit dem Schlitten in einen Hohlweg gefahren. Ferner behandelte er eine Kette von zwei Engrammen, ein verletztes Ohr und eine Brustfellentzündung. Dann erklärte er mich zum "Dianetic Release" und fügte hinzu, für das zusätzliche Auditieren schulde ich ihm 150 Dollar. Ich weigerte mich mit der Begründung, daß vorher von Extra-Kosten keine Rede gewesen sei.
Gegen Ende der Sitzung wurde Maurice wütend auf mich, offensichtlich wegen der Art, in der ich eine seiner Fragen beantwortet hatte.
"Ich werde Sie nicht weiter auditieren!" brüllte er, und begann seinen Meter und die Niederschriften einzupacken. Ich spürte, daß er nicht wirklich zornig war, sondern mir nur etwas vorspielte. An der Tür zögerte er, die Aktentasche in der Hand, und fing an, mir eine weitere Vorlesung zu halten. Ich wäre auch bereit gewesen, auf Felicias Rückkehr im Herbst zu warten, aber er mäßigte seinen Ton, holte seinen E-Meter wieder hervor und nahm die Sitzung auf, als sei nichts geschehen.
Später hörte ich, daß diese Szenen zu seiner Auditionstechnik gehörten. Er provozierte ähnliche Auftritte mit den meisten seiner Schüler: vermutlich, um es zu einem ARC-Bruch kommen zu lassen, den er auditieren konnte.
Grad III wurde ohne weiteres Theater abgeschlossen, indem einige ARC-Brüche aufgespürt und behandelt wurden - den eingeschlossen, den wir beide gerade hatten.
Ich hätte mich ohne weiteres weigern können, Grad IV mit Maurice zu machen, aber es schien mir nicht wichtig. Das Auditieren, so folgerte ich, hatte sein eigenes Gewicht, unabhängig von der Person hinter dem Meter und ihrem Charakter.
Der Zweck von Grad IV ist es, das "Service Facsimile" herauszubekommen. Dieser Begriff wird so definiert: Eine Behauptung, die das Individuum erfindet, um sich selbst ins Recht und andere ins Unrecht zu setzen, um zu herrschen oder sich nicht beherrschen zu lassen, sowie das eigene Überleben zu fördern und der Überlebenschance anderer zu schaden. Das "Service Facsimile" bringt das Individuum dazu, bestimmte Teile seines reaktiven Geistes absichtlich restimuliert zu halten, um damit Mißerfolge in seinem Leben zu erklären. Dieser neurotische Schutzmechanismus kann - sobald er entdeckt ist - im allgemeinen in einem einzigen Satz ausgedrückt werden.
Im Grad IV-Prozeß erhielt ich die Einführung in die Technik des Listen-Aufstellens und Nullens. Sie wurde angewendet, um den Gegenstand mit der größten Spannung auf einer Liste festzustellen. Unter Spannung wird die Strom-Ladung verstanden, die sich auf der Zeit-Spur (= dem imaginären Filmstreifen über die Vergangenheit eines

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Menschen) angesammelt hat; sie wird so genannt, weil "Gedanken elektrischer Natur" seien. Engramme und Secundarien haben die meiste Spannung, aber Probleme, verborgene und zurückgehaltene Akte ("overts und withholds") sowie ARC-Brüche sind auch "geladen". Ein großer Teil des Auditierens besteht darin, Spannung abzubauen. Felicia hatte das mit ihren Listen erreicht, obwohl sie sich nicht damit aufgehalten hatte, auch das Nullen vorzunehmen, das notwendig ist, um das allerwichtigste Problem festzustellen. Das Nullen geht so vor sich, daß der Auditor die Liste des Preclear laut vorliest und einen Strich (/) hinter jeden Gegenstand einträgt, der auf dem E-Meter eine Nadel-Reaktion verursacht und ein X, wenn der Meter nicht reagiert. Dann wird die Liste erneut vorgelesen, diesmal ohne die mit einem X versehenen Punkte. Dabei hören viele angestrichene Gegenstände auf, den Meter zu beeinflussen. Sie erhalten nun auch ein X, weil auch sie nun "sauber" sind (= ohne Nadel-Reaktion). Bei der dritten oder vierten Wiederholung werden weitere Punkte "sauber" und es gibt mehr Xe. Schließlich sind alle Punkte bis auf einen ausgenullt, und das ist dann der Punkt mit der größten Spannung. Schon das Auffinden dieses Punktes, so heißt es, baut genügend Spannung ab, um den Preclear hinsichtlich des fraglichen Gegenstandes zu erleichtern.
Maurice ließ mich, wiederum aus unerfindlichen Gründen, eine Liste der Dinge anfertigen, die ich nach der Sitzung tun möchte: ein Steak essen, einen Mädchenpopo streicheln, ins Kino gehen - das waren einige der Punkte auf der Liste. Als mir nichts mehr einfiel, las Maurice mir die Liste vor, seine Stimme klang monoton. Ich konnte sehen, wie er die Xe und Striche notierte, während sein Kugelschreiber die Liste entlang ging. Gewisse Punkte nullte er aus, andere wiederholte er ebenso monoton:
Steak-Essen //X
Mädchenpo streicheln ///
ins Kino gehen ///

"Einen Mädchenpopo streicheln. Das war unentschieden. Ich wiederhole":
Einen Mädchenpopo streicheln /// X
im Kino gehen ////
Ich weiß nicht mehr, welcher Punkt schließlich übrig blieb, und warum Maurice gerade diese Liste nullen wollte. Nach der Sitzung gingen wir jedenfalls ein Steak essen.
Eine andere Liste bestand aus den "Mädchen, die mir gefallen hatten". Sie begann mit einem Baby-Sitter, setzte sich in chronologischer Reihenfolge bis zu gegenwärtigen Bekanntschaften fort und umfaßte

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schließlich mehrere Dutzend Eintragungen - Filmstars, Romanheldinnen und Schulfreundinnen. Zu meinem Erstaunen war die Eintragung mit der größten Spannung der Name von Betty Grable. Der Sinn auch dieser Liste blieb mir verborgen.
Maurice kam schließlich zu der Prozeß-Frage: "Welche Methode haben Sie in Ihrem Leben gebraucht, um andere ins Unrecht zu setzen?" Nach einer Stunde des Listen-Aufstellens und Nullens kamen wir zu meinem "Service-Facsimile". Es war der Satz: "Ich wurde ausgeschlossen und daran ist nichts zu ändern."
Das waren also die verborgenen Worte, die mein ganzes Verhalten erklärten, Worte, die ich durchs Leben getragen hatte, wie eine überflüssige Rüstung. Ich hatte sie gebraucht, um meine Schwächen zu rechtfertigen und mein Versagen zu entschuldigen. Als ich sie schließlich aussprach, kamen sie mir unangenehm bekannt vor. Ich war sehr glücklich über diese Enthüllung und wartete ungeduldig auf die Fortschritte, die mir Grad IV einbringen würde.

Considerationen

... ein Individuum in so gründliche Kommunikation mit dem physikalischen Universum zu bringen, daß es die Macht und die Fähigkeit der Selbstbestimmung wieder erlangen kann.
L. RON HUBBARD

Mit dem "Service Facsimile"-Konzept traf ich etwas neues in der Scientology an, etwas, das für mein Denken verstehbar war. Mindestens ein Zweig der modernen Psychotherapie behauptet, daß die Neurosen und viele physische Krankheiten in erster Linie durch Worte und Sätze verursacht sind, die sich in der Jugend unbewußt eingeprägt haben, und zwar auf der Basis fehlerhafter Beweise. Nach dieser Theorie besteht das Heilmittel darin, die falschen Schlüsse ans Licht zu bringen und gegen sie anzukämpfen. Daß zwischen Psychiatrie und Scientology eine solche Brücke bestand, kitzelte meinen Intellekt. Allerdings entging mir, daß es einen entscheidenden Unterschied gibt: In der Psychotherapie erfordert es heftige Anstrengungen, um diese Erkenntnisse zu erlangen, und dann muß man ein gutes Stück Arbeit leisten, damit sie wirksam werden...
Der große äußere Unterschied zwischen dem Verhalten von Maurice und dem von Felicia beim Auditieren verdunkelte meine Kenntnis

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davon, wie eine Release zustande kam. Ich war sicher, daß der Auditionsprozeß Vorteile bot und daß er von den ausübenden Personen nicht abhängig war. Mir war alles egal, wenn nur eine Release erfolgte. Denn Inzwischen war ich fest überzeugt, daß es eine Release gab, die von der Nadel des E-Meters auf der Skala angezeigt wurde. Ich war entschlossen herauszufinden, warum der Scientology-Prozeß funktionierte.
Die sogenannten "Considerationen" waren der entscheidende Faktor; das waren die Vorurteile und selbstauferlegten Beschränkungen, die man aufgeben mußte, bevor der Meter die Release im Hinblick auf die jeweilige Prozeßfrage anzeigte. Die Considerationen hielten die Spannung aufrecht. Der Preclear wurde häufig gefragt, was seine Betrachtungsweisen, seine Considerationen waren; es ging nicht darum, sie erneut zu durchleben, wie bei den Engrammen, noch viel weniger sollten sie analysiert werden. Es war nichts weiter nötig, als sie dem Auditor mitzuteilen. Wie Hildegard es einmal beschrieben hatte, zeigte der Meter dann an, wie die Spannung sofort abfiel, während sich die Considerationen in dünner Luft auflösten. Der Auditor mußte vor allem den E-Meter richtig ablesen können. Dadurch funktionierte der Prozeß. Selbst mit einem Tölpel wie Maurice an der Skala.
Es gab viele Considerationen, die man loswerden mußte. Durch Erziehung oder Vererbung wuchs jeder Mensch mit den verschiedensten trügerischen Ansichten auf, dafür war das "Service Facsimile" ein sehr gutes Beispiel. Außerdem war es möglich, daß man schon in früheren Existenzen zu den Considerationen gekommen war. Aber die Considerationen, die das Auditieren am meisten aufhielten, waren solche über Scientology selbst. Vermutlich jedermann hatte feste Ansichten über den Wert von Zeit und Geld. Eine Zeitlang war ich darüber verärgert, wie schnell man die einzelnen Prozesse absolvieren konnte. Ich hatte versucht, jede Sitzung in die Länge zu ziehen, um den richtigen Gegenwert für mein Geld zu bekommen. Eine weitere Consideration war, daß jeder wirkliche Erfolg große Anstrengungen über einen langen Zeitraum notwendig machte. Derartige vorschnelle Urteile, so glaubte ich jetzt, hatten mich bisher daran gehindert, alle Möglichkeiten in meinem Leben voll auszuschöpfen. Kein Wunder, daß ich immer das Gefühl hatte, irgend etwas mit mir müsse nicht ganz in Ordnung sein! Ich hatte den Druck des Auditiert-Werdens nötig, um meine Wahl zu treffen: ob ich krank oder gesund sein wollte. Die ständig sich wiederholenden Fragen hatten dieses Kernproblem von allem Beiwerk entkleidet. Irgendwann war mir klar geworden, daß ich gesund werden wollte. Von da an war ich willens, all diese falschen Meinungen aufzugeben, an denen ich mich mein Leben lang festgeklammert hatte. Durch

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diese änderung meiner Haltung war ich nun fähig, die beim Auditieren erzielten Fortschritte auch zu spüren. Ich wußte noch nicht ganz genau, worin sie bestanden, aber ich hoffte, daß sie vor mir lagen, irgendwo in der nächsten Zukunft.
Weiter wollte ich damals meine Überlegungen nicht treiben. Noch mehr Rückfragen interessierten mich nicht. Etwa, warum ich ein mystisches Erlebnis gleich bei meiner ersten Sitzung hatte. Oder warum es Spannung, die ich allerdings nie bemerkt hatte, ausgerechnet in bezug auf Betty Grable gab. Eine allzu genaue und kritische Natur konnte leicht alle Fortschritte im Keim ersticken. Oder - man konnte es auch so ausdrücken - der Glauben war das Maß für künftige Fortschritte. Der Glaube war das wichtigste. Ich entschied mich ganz aus freien Stücken. Ich mußte frei werden, zur wirklichen Selbstbestimmung kommen, meine eigenen "Postulate" aufstellen. Postulate unterschieden sich von Considerationen: Considerationen gehörten zum alten, Postulate zum neuen Menschen; der neue war gut, der alte schlecht: am Ende war es eine Frage der freien Entscheidung.

Die New York Org

Indien mit seinem "Eingehen ins Nirwana" hat uns 'Techniken' gegeben, DIE UNTER GARANTIE EINEN THETAN SO ENG MIT EINEM KÖRPER VERBINDEN, ALS WäRE ER ANGENIETET ODER MIT EISEN-BäNDERN FESTGEBUNDEN.
L. RON HUBBARD

Maurice bereitete alles vor, damit ich zur Org gehen konnte, um meine Grade überprüfen zu lassen und ein Zertifikat zu bekommen, das mich als Grad IV Release auswies.
Die New York Org war kürzlich erweitert worden und nahm nun den zweiten Stock eines Vorstadt-Hotels ein. Die Rezeption war eine große Halle, die von einem Buchkiosk und einem riesigen Porträt von L. Ron Hubbard beherrscht wurde. Sein gottgleiches Gesicht, visionär zum Horizont gereckt, sah aufgedunsen und roh aus. Die Halle wirkte ein wenig wie ein Irrenhaus; Scharen junger Leute in den Geburtswehen des Nirwana wirbelten durcheinander und berichteten sich gegenseitig von ihren Fortschritten.
Ein junger Auditor trat an mich heran und brachte mich in eine Zelle. Dort begann er mit der Überprüfung meiner Stufen, indem er mir eine

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oder zwei Fragen zu jedem Auditions-Prozeß stellte. Die Absicht war, daß ich jeweils den Moment der Release erneut erlebte, wobei er mich mit dem E-Meter kontrollierte.
Die maschinengleiche und herablassende Freundlichkeit des Auditors machte mich nervös. Er gebrauchte ständig die gleiche Bestätigungsformel: ein zuckersüßes, öliges "Danke", das er mit leicht nasaler Stimme anbrachte. Jedes "Danke" war eine perfekte Wiederholung des vorhergehenden. Während ich ihm in der engen Auditionszelle gegenüber saß, hatte ich Mühe, mich an irgend etwas aus meinen früheren Sitzungen zu erinnern. Der Meter reagierte nur stockend, dauernd unterbrach er die Überprüfung und versuchte, in verschiedenen Nebenprozessen Spannung abzuleiten. Ich hatte sowieso keine Lust gehabt, die Org aufzusuchen, und genau dies schien der Meter anzuzeigen. Nach zwanzig unbehaglichen Minuten führte mich der Auditor in ein kleines Zimmer, kaum größer als die Auditionszelle. Auf dem Schild über der Tür stand: ETHIK. Ein Mädchen mit Rattenschwänzen saß in würdevoller Haltung an einem Schreibtisch und spielte an einem E-Meter herum. "Nehmen Sie die Büchsen", sagte sie brüsk. Offenbar hatte ich etwas falsch gemacht.
"Stehen Sie mit einer suppressiven (d. h. die Scientology ablehnenden) Person in Verbindung?"
"Nein", antwortete ich. Diesen Prozeß hatte ich bereits mit Maurice absolviert.
"Danke. Ich überprüfe das mit dem Meter. Jetzt brauchen Sie nicht zu antworten: 'Stehen Sie mit einer suppressiven Person in Verbindung?' Das ist sauber. .Stehen Sie mit einer suppressiven Gruppe in Verbindung?"'
Ich verstand das als Frage nach einer Gruppe, die meine Loyalität zur Scientology in Frage gestellt hätte. Während der letzten Jahre hatte ich mit den verschiedensten Gruppen zu tun, aber ich hielt sie nicht für suppressiv.
"Nein."
"Danke. Ich überprüfe das mit dem Meter. 'Stehen Sie mit einer suppressiven Gruppe in Verbindung?' Da ist eine Reaktion. Was meinen Sie, könnte das sein?"
Ich konnte mir nicht vorstellen, weshalb die Nadel ausschlug. Aber ich hatte nicht die Absicht, die "Ethik" einzuwickeln. Ich zerbrach mir also den Kopf, um eine Antwort zu finden.
"Ich war zum Meditieren in einem Zen-Zentrum."
"Danke. Ist das die suppressive Gruppe?"
"Hin und wieder mache ich Yoga-Übungen."
"O.K.", sagte sie, "solange sie auditiert werden, müssen Sie damit

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aufhören."
"Warum? Ich mache es sowieso nicht oft. Weshalb kann das schaden?"
"Wenn Sie hier fertig sind, können Sie tun, was Sie wollen - Sie können sich auf den Kopf stellen, wenn Sie Lust dazu haben. Aber nicht, während Sie auditiert werden. Ich möchte nicht, daß Sie schließlich nicht mehr wissen, was Ihnen die Fortschritte gegeben hat. Bei dieser Meditation versuchen Sie doch, in Ihre Seele zu schauen, nicht wahr?" "Nicht in dem Stadium, in dem ich bin. Meditation ist nur ein Name. Es ist eine Art von Konzentrationsübung."
"Jedenfalls müssen Sie versprechen, alle Übungen aufzugeben, solange Sie auditiert werden."
"Einen Augenblick! Was verstehen Sie überhaupt unter Übungen? Sie meinen doch alles, was die Leute tun, um sich zu beruhigen oder besser nachdenken zu können, nicht wahr? Dann dürfte ich nicht mehr Klavier spielen. Aber der Teufel soll mich holen, wenn ich Ihnen folge, wo ich doch nächsten Monat ein Konzert habe. Wenn ich Ihnen gehorchen wollte, müßte ich den ganzen Tag über, von Minute zu Minute, überlegen, was man als Üben verstehen könnte. Ich wette, da käme einiges zusammen. Ich bin gern bereit, darüber mit Ihnen zu diskutieren. Wir werden sehr viel Zeit brauchen, um auszusortieren, was ich tun darf, und was nicht."
"Sagen Sie nur, ob Sie es nun aufgeben wollen oder nicht."
"Ich versuche nur ehrlich zu Ihnen zu sein. Ohne einen guten Grund gebe ich gar nichts auf."
"Gut, dann müssen wir es eben fallen lassen."
"Wunderbar", sagte ich. Ich stand auf, um hinauszugehen.
"Zu schade, daß Sie auf die vollkommene Freiheit verzichten wollen", sagte die Ethik-Auditorin, als ich zur Tür ging.
Später rief Maurice mich an, um zu erfahren, wie es gelaufen war. Als ich ihm von der Katastrophe berichtete, bat er mich, alles aufzuschreiben, damit er eine Untersuchung gegen die Ethik-Auditorin in die Wege leiten konnte. Ich sandte ihm einen vollständigen Bericht. Darin stand unter anderem:
"Gewisse Leute innerhalb der Organisation mißbrauchen die Scientology, und sie bedienen sich der Scientology, um andere zu mißbrauchen."
Danach hörte ich nichts mehr von meinem Besuch bei der New York Org.

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Saint Hill

Umberto Lancia kam ohne seine Frau in die Staaten zurück. Felicia hatte den "Clear-Kurs" noch nicht absolviert. Um ein Clear zu werden, mußte man sich selbst auditieren, wobei man eine besondere Büchse in der Hand hielt, die andere hatte man frei, um den E-Meter zu bedienen und die Auditionsberichte auszufüllen. Felicia war nun schon seit vielen Wochen damit beschäftigt, offensichtlich hatte sie Schwierigkeiten, den Status eines Clear zu erreichen. Der Prozeß selbst war ein streng gehütetes Geheimnis. Felicia hatte ihrem Mann angedeutet, daß es etwas mit "Goals" (Zielen) zu tun hatte (gemeint war offenbar, was man im Leben erreichen wollte). Die viele Zeit, die sie bei dem Prozeß brauchte, außerdem die Tatsache, daß sie sich selbst auditieren mußte, statt von einem Auditor geführt zu werden, das alles ließ mich vermuten, daß das Clearen nicht ohne innere Kämpfe abging.
Die Lancias hatten in England in der Nähe des Hubbard College in einem alten Schloß namens Fyfield gewohnt. Umberto schwärmte mir von der Schönheit und dem Frieden an diesem Ort vor. Er hatte den "Power-Prozeß" (Grad V) schnell absolviert. Während Felicia im Saint Hill Grad VI machte (den Kurs, in dem sie lernte, sich selbst zu auditieren) und sich in ihrem Zimmer eingeschlossen hatte, hatte er alle Muße gehabt, im Schloß zu lesen oder zu komponieren, und im nahen Ashdon-Wald ausgedehnte Spaziergänge zu unternehmen.
Das Hubbard College lag inmitten einer herrlichen englischen Landschaft. Ein Prospekt zeigte Fotos von einem vornehmen Park, ebenfalls mit einem Schloß, und mit den Bungalows, in denen sich die Klassenräume befanden. Auf den Bildern bewegten sich glückliche und sorgenlose Menschen auf der Straße zum Status eines "Clear". Der Prospekt enthielt höchstes Lob für die verschiedenen Kurse und Stufen. Fast im Ton eines Kommandos rief er dazu auf, zum Saint Hill zu kommen, um den "Sicheren und gewissen Weg zur vollkommenen Freiheit" nicht zu versäumen.
Der Prospekt enthielt eine weitere, ebenso verlockende Ankündigung: Jenseits des Clear-Status gab es neue Stufen. Ein "Clear" war, nachdem er vom üblen Einfluß des reaktiven Geistes befreit worden war, wie ein neugeborenes Kind. Und nun waren weitere Prozesse nötig, um ihn zu stabilisieren, ihm neue Orientierung zu geben und die eben entstandene Leere wieder aufzufüllen. Die oberen Stufen trugen die Bezeichnung OT (Operating Thetan - ein in jeder Beziehung voll wirksamer, aktiver Thetan). Im Prospekt war das Bild einer achtsprossigen Leiter zu sehen. Neben jeder Sprosse schwebte ein gütig

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aussehender kleiner Geist. Es gab keine Andeutung, worin diese höheren Stufen tatsächlich bestanden. Wenn der "Clear-Status" schon mehr als phantastische Fortschritte ermöglichte, wie konnte das durch die OT-Stufen noch übertroffen werden?
Umberto hielt für möglich, daß man, wenn man ein "Operating Thetan" geworden war, auf Scientology vielleicht nur noch zurückblickte, wie auf ein Werkzeug, das dazu beigetragen hatte, damit man sich seinen höchsten Zielen voll widmen könnte: den schönen Künsten, der Philosophie, der ästhetik und ähnlichem. Möglich. Umberto hatte im Saint Hill sogar einige Leute getroffen, die freundschaftlich mit Nicht-Scientologen verkehrten, die unterschiedliche Ansichten respektierten und die sich zuerst als Menschen und erst in zweiter Linie als Scientologen fühlten. Unglücklicherweise waren diese Leute in der Minderheit. Die meisten Scientologen waren in kulturellen Dingen unbewandert und interessierten sich nur für Hubbards äußerungen. Viele waren reaktionär, fast faschistisch in ihren politischen Ansichten. Sie waren der Überzeugung, daß die Armen und Unterdrückten auf der Welt, die Bewohner von Ghettos und Obdachlosensiedlungen selbst für ihre Lage verantwortlich seien: sie ließen sich von ihrem reaktiven Geist beherrschen und bekämen genau, was sie verdienten. Scientologen aus Südafrika unterstützten fast einstimmig die Apartheidspolitik.
Ihre besessenen Anstrengungen, das Evangelium von Hubbard zu verkünden, hatten dazu geführt, daß Umberto einen Bogen um Saint Hill machte, sobald er Grad V absolviert hatte. "Sie füttern dich damit", sagte er. "Im College sind sie so unvernünftig in ihrem Eifer, für das Auditieren und für die verschiedenen Kurse zu werben, daß es schon bedrohlich wirkt. Sie behaupten, Scientology nütze jedem ohne Ausnahme, und gehen so weit zu sagen, daß sonst nichts auf der Welt etwas tauge. Wenn du nicht mitmachst, erklären sie dich für 'suppressiv'. Sie haben es fertig gebracht, sich völlig von der benachbarten Stadt East Grinstead abzukapseln, indem sie verschiedene Buchhändler, die Hubbards Schriften nicht verkaufen wollten, schlecht machten. Wenn man nur das geringste Interesse an Scientology zeigt, dann lassen sie einen nicht mehr in Ruhe, sie bombardieren einen geradezu. In der New York Org hast du es ja selbst erlebt - sie sind ein Haufen von Blutsaugern!"
Umberto war noch aus einem anderen Grund verärgert. Sein Grad V, der ihn 1200 Dollar gekostet hatte, war innerhalb von zwanzig Minuten vollständig absolviert. Danach hatte er einen guten Teil des verbleibenden Abends damit verbracht, sich auf der Terrasse von Fyfield Manor, in Sussex, England, zu übergeben.

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Der OT II

Ein Preclear ist in besserem 'Zustand und läßt sich leichter auditieren, wenn er außer sich ist, und nicht "in seinem Kopf."
L. RON HUBBARD

Umbertos Beschreibung von Saint Hill und den Scientologen überraschte mich nicht mehr. Bei meinen beiden Besuchen in der New York Org hatte ich Vorahnungen, daß ich dabei war, mich von einer komplizierten Maschine einfangen zu lassen, die von Leuten bedient wurde, die kaum menschliche Züge aufwiesen. Ich zerbrach mir den Kopf darüber, welch unterschiedliche Elemente zu der Gruppe gehörten. Einige von ihnen schätzte ich sehr, andere waren mir zuwider, eine dritte Gruppe betrachtete ich mit gemischten Gefühlen. Die Ziele der Org waren sicher nicht identisch mit denen von Felicia, oder selbst von Maurice, der - auch wenn er nicht gerade charmant zu mir war - mir nach meinem Krach mit der Ethik-Auditorin genügend moralische Unterstützung geliehen hatte, um mir zu beweisen, daß er letztlich auf meiner Seite stand. Aber manchmal war es schwer, die eine Gruppe von der anderen zu unterscheiden, in dem großen Gemälde Einzelheiten zu erkennen. Irgendwie kam ich über meine Verwirrung hinweg, zumindest ließ ich die Angelegenheit ruhen, bis ich mit Felicia darüber sprechen konnte. Immerhin hatte der Fanatismus innerhalb der Bewegung sie nicht davon abgehalten, im Saint Hill zu bleiben, um den "Clear-Prozeß" fortzusetzen. Vielleicht waren alle meine Einwände letzten Endes doch nur "Considerationen".
Umberto erhielt ein Telegramm von Felicia. Es lautete: "Clear!!!" Bald darauf kam ein Brief an, in dem sie ihm schrieb, sie werde noch einige Wochen in Europa bleiben, um sich von den Anstrengungen zu erholen. Umberto war nervös und schweigsam: er wußte, daß sie kein Geld für einen Urlaub hatte.
Nach Felicias Rückkehr wurde ich sofort eingeladen, um einen ersten Blick auf den neuen Clear zu werfen. Sie schien sich verändert zu haben: noch wissender als vorher. Sie gab sich als privilegierter Inhaber eines wunderbaren Geheimnisses, das wir alle eines Tages mit ihr teilen sollten.
Felicia hatte von England Gerald Tiber mitgebracht, einen OT II Auditor Klasse VII. Ein OT II (Operating Thetan) hatte also die zweite Stufe oberhalb von Clear inne, und zur Klasse VII gehörten die kenntnisreichsten und erfahrensten Auditoren. Um sich für den

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zweiten Titel zu klassifizieren, hatte Gerald zwei Jahre lang als Interner im Saint Hill gearbeitet. Voller Stolz bezeichnete er sich als den einzigen OT II der Klasse VII außerhalb von England.
Im äußeren von Gerald gab es nichts Ungewöhnliches, abgesehen davon, daß er eher rundlich war; und da er immer vergnügt war, hatte er so tiefe Lachfalten, daß er weniger einem Weisen als einem begeisterten Säugling glich.
Er neigte zu einem Sprechstil mit vielen Wiederholungen und zu einer pedantischen Höflichkeit, die etwas steif wirkte. Ich fand sein höfliches Wesen schmeichelhaft und angenehm. Mit seinem freundlichen Spott schien er jeden im Raum wie einen Mitverschwörer zu behandeln. Als er seine Erlebnisse bei der Rückreise zum Besten gab, fiel mir auf, wie beherrscht er war, wie sehr er über den Dingen stand. Selbst Schwierigkeiten beim Zoll hatten ihn nicht aus der Ruhe gebracht.
Gerald war nach Amerika gekommen, um hier eine eigene Scientology-Niederlassung zu eröffnen. Felicia sollte seine Partnerin werden. Das bestätigte, daß er in der Welt der Scientologen zur Elite gehörte, wenn schon nicht als Scientologe, so doch als Individualist. Jeder, der Grad V (Power Release) erreicht hatte, einen Übungskurs absolvierte und eine schriftliche Erlaubnis vom Saint Hill erhielt, konnte sich als Auditor etablieren, solange er die Regeln beim Auditieren und in seinem Geschäftsgebaren einhielt und eine Lizenzabgabe von zehn Prozent seiner Bruttoeinnahmen an Hubbard überwies. Das taten allerdings nur wenige; nur die Unternehmungslustigsten wollten neben ihrem geistigen Gewinn durch Scientology auch noch finanziellen Vorteil daraus ziehen. Die meisten waren zufrieden, ihren Lebensunterhalt außerhalb der Bewegung zu verdienen, oder sie arbeiteten gegen geringen Lohn in der Org. Ohne es direkt auszusprechen vermittelte Gerald Tiber doch den Eindruck, daß er die Org-Mitglieder für schlechte Geschäftsleute mit leicht masochistischen Neigungen hielt.
Gerald sollte, während er eine passende Wohnung für seine Agentur suchte, auf einem Sofa im Wohnzimmer der Lancias schlafen. Mir kam das seltsam vor. Hatte sich Felicia mit dem Mann eingelassen und ihn deshalb bei sich aufgenommen? Aber selbst wenn es so war, zögerte ich, das Betragen von Clears und OTs in Frage zu stellen. Ich war von Gerald enorm beeindruckt; seine unbekümmerte Art und sein lautes, herzliches Lachen verrieten unerschütterliches Selbstvertrauen. Er machte sich daran, in einem fremden Land ein neues Geschäft aufzuziehen, als sei er nur mit kleinem Gepäck zu Besuch gekommen, und sei seiner Sache so sicher wie ein Mann in weißer

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Schürze, der sein Geld in ein Pizza-Restaurant steckt.
Als ich die Lancias am nächsten Tag besuchte, war Umberto nicht zuhause. Felicia teilte mir mit, daß sie unmittelbar vor der Scheidung stünden. Ich antwortete, daß ich mir schon so etwas gedacht hätte. Ich hatte meine Einstellung dazu schon im voraus festgelegt: da sie ein Clear war, nicht mehr länger im Besitz eines reaktiven Geistes, war sie jetzt sozusagen unfehlbar, völlig frei, ihr Leben so zu gestalten, wie es vorher unmöglich war. Sie war stark genug zu tun, was sie wirklich wollte.
Als ich später mit Umberto sprach, zeigte sich, daß auch er für die Trennung war. Sie sei unvermeidlich, sagte er. Ihre Beziehung war nach wie vor freundlich, vielleicht noch freundlicher als vorher. Und für den Fall, daß nach fünf stürmischen Ehejahren eine verborgene Verbitterung übrig geblieben war, hatte Gerald Tiber mit ihm vereinbart, ihm kostenlos eine "Review-Sitzung" (= Revisions-Sitzung: zusätzliche Hilfe) zu gewähren, um etwaige Spannungsrückstände von seiner Zeit-Spur zu löschen. Auch ich wollte ihn eine Review-Sitzung mit mir machen lassen. Es mußte eine lohnende Erfahrung sein, sich von einem OT II der Klasse VII auditieren zu lassen, und sicher waren bei den fragwürdigen Methoden von Maurice noch Spannungen zurückgeblieben.
Gerald erklärte sich bereit, mir für 25 Dollar pro Stunde "Review" zu erteilen.
Er war tatsächlich ein bemerkenswerter Auditor: er kam rasch vorwärts, ohne etwas in der Schwebe zu lassen. Seine Bestätigungen variierten und klangen ebenso natürlich und höflich, wie außerhalb der Sitzungen. Er hielt sich an jedem Punkt genau so lange auf, bis ich vollständig zufriedengestellt war. Im Vergleich mit ihm hatte Felicia fast wie ein Amateur auditiert.
Unser erstes Thema war Maurice, der sich in einem weiteren Aufspür- und Zerstörungs-Prozeß als für mich suppressiv herausstellte. Nach meiner Grad IV Release hatte er mich zu zwei improvisierten Sitzungen mit dem E-Meter verleitet. Solche überflüssigen Sitzungen weichen radikal vom Standard ab und sind von Hubbard streng untersagt, hörte ich später von Umberto.
Maurice hatte die erste Sitzung zum Abbau der Spannung vorgeschlagen, die durch eins meiner Konzerte verursacht worden war. Die Spannung war hauptsächlich dadurch entstanden, daß in einer Zeitung am nächsten Tag eine sehr herablassende Kritik erschienen war. An jenem Tag hatte ich außerdem erfahren, daß Maurice herumging und den Leuten erzählte, für den Erfolg meines Konzertes seien er und die Gruppe, zu der er gehöre, verantwortlich. Daraufhin

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stellte ich ihn zur Rede. Die daraus resultierende Auseinandersetzung ließ noch mehr Spannung entstehen, die Maurice in einer weiteren Sitzung abbauen konnte. Er war wenigstens vernünftig genug gewesen, dafür nicht auch noch kassieren zu wollen. Jetzt teilte ich Gerald das alles mit.
Die Sitzung brachte einen weiteren suppressiven Menschen ans Tageslicht, einen Arzt. Vermutlich war es der gleiche, der mich zur Welt gebracht hatte. Während des S&D-Prozesses sah ich Kontraste zwischen hell und dunkel. Dann erinnerte ich mich an eine Zeit, als ich "außerhalb meines Körpers" war. Ich war in einen Raum geschwebt und über einem Sofa stehen geblieben.
"Er drückt sie", sagte ich.
"Fein", sagte Gerald. "Gehen Sie den Vorfall durch."
"Das ist alles. Ich sehe einen Mann und eine Frau, die sich auf dem Sofa drücken."
"In Ordnung. Noch mehr davon?"
"Ich weiß nicht, wer sie sind, aber der Vorfall wirkt auf mich suppressiv, ich fühle mich unterdrückt."
"Danke. Ich darf Ihnen sagen, daß der E-Meter Ihre Erklärung bestätigt hat: der Vorfall ist wirklich suppressiv."
Gerald wiederholte meine Grade. Er begann mit den dianetischen Auditionen, die Maurice mir gegeben hatte, und ging dann weiter zu den Graden 0, I, II, III und IV.
"Ich möchte bestätigen, daß 'Ich wurde ausgeschlossen und daran ist nichts zu ändern' tatsächlich Ihr Service Facsimile ist", schloß er.
"In Ordnung, Sir, Sie haben eine wundervoll saubere Nadel! Das wär's."
Wir hatten vier Stunden gebraucht. Und wieder schien es nicht sehr viel auszumachen, ob ich wirklich "außerhalb meines Körpers" gewesen war, und ob das meine häufigen Träume von körperlosen Wanderungen zufriedenstellend erklärte. Inzwischen war das alles schon Routine, und ich war völlig bereit, meine Fragen zu unterdrücken, um das Tempo der Sitzung nicht zu behindern. Als Gerald fragte: "Welche Fortschritte, Euer Ehren?" konnte ich ehrlichen Herzens sagen, daß ich mich leichter und freier fühlte.

Die Dianetic-Klasse

Felicia und Gerald mieteten ein Penthouse auf der West Side von New York und begannen sofort einen Dianetic-Kurs. Umberto, zwei

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Damen und ich waren die ersten Schüler. Die Stellung der Dianetic in der Hierarchie der Scientology war zu jener Zeit unentschieden, aber sie wurde zu Trainingszwecken angewandt. Wir sollten zwei- oder dreimal die Woche abends zusammenkommen, und der Kurs sollte eher einige Monate dauern als die wenigen Wochen intensiver Arbeit wie in der Org üblich. Gerald betonte die ungezwungene Atmosphäre in seiner Zweigstelle, die der übermäßigen Aktivität in der Org entgegengesetzt war. Wir wurden darüber informiert, daß die Absolvierung des Dianetic-Kurses eine Vorbedingung für die Reise zum Saint Hill in England war. Der Kurs kostete 500 Dollar. Gerald und Felicia gingen davon aus, daß jeder Schüler anschließend nach England gehen würde. Ich fand es ganz natürlich, mich einzuschreiben, obwohl ich mich noch nicht bewußt entschieden hatte, auch den Status eines Clear anzustreben.
Bevor ich allerdings die Zahlung für den Kurs leistete, glaubte ich Gerald sagen zu müssen, daß der gute Effekt der Review wieder vergangen war. Seine Auditionskünste hatten nicht verhindert, daß ich mich ärgerte, weil ich ihm weitere 100 Dollar dafür bezahlen mußte, damit er Maurices Behandlungsfehler korrigierte.
"Sie haben sogar ein Geschäft gemacht, lieber Freund", sagte Gerald. "Im Saint Hill hätte ein S&D (das Aufspüren der suppressiven Personen) allein soviel gekostet. Wir sollten das auf der Stelle in Ordnung bringen. Wir können in einen Nebenraum gehen und eine weitere Review machen."
"Sie machen wohl Witze", sagte ich. "Wir haben schon vier Stunden hinter uns. Was soll ich denn noch sagen?"
Drei Minuten später saß ich am Auditier-Tisch, die Büchsen in der Hand.
"Etwas beschäftigt mich", sagte ich, "ich bin noch immer an Frauenpopos fixiert."
"Danke. Was sind Ihre Considerationen zum Thema Frauenpopos?"
"Jedesmal, wenn ich eine Frau sehe, ist es das erste, das allererste, ihren Hintern anzugaffen."
"Danke. Wir beginnen jetzt einen Prozeß zu diesem Thema: ,Was bedeutet Hintern jetzt für Sie?'"
"ärger."
"Danke. ,Was bedeutet Hintern jetzt für Sie?'"
"ärger. ärger über Geld." Wieder begann die Aufstellung einer Liste. Die Prozeß-Frage wurde fast eine halbe Stunde lang wiederholt...
"Gut. Und was bedeutet Po jetzt für Sie?"
"Ich denke an einen Burschen, den ich kannte. Er war von South-Carolina. Er sagte immer: ,Heute habe ich ein Mädchen gesehen,

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Mann, das hätte dir Spaß gemacht, ihren süßen Po zu tätscheln!"
"Danke. Wiederholen Sie den Satz!"
"Mann, du hättest den Po getätschelt!"
"Fein, Nochmal."
"Mann, du hättest den Po getätschelt!"
"In Ordnung, nochmal."
"Es hätte dir wirklich Spaß gemacht, ihren süßen Po zu tätscheln."
"Gut. Und was bedeutet Po jetzt für Sie?"
"...gestern abend habe ich eine Prostituierte mit nach Hause genommen. Heute morgen fühlte ich mich seit Monaten zum erstenmal schuldig."
"Danke. Welche Considerationen haben Sie dazu?" "Ich fühle mich schuldig, nicht weil ich sie aufgelesen habe, sondern weil es mir keinen Spaß machte. Sie hat mir nicht gefallen. Aber ich habe die nicht gefunden, die ich suchte. Schon daß mir das jetzt klar geworden ist, bringt mir große Erleichterung."
Es waren noch 45 Minuten von der vierten Stunde übrig. Gerald begann deshalb gleich noch den "Geld-Prozeß", er war dazu bestimmt, alle Considerationen (= falsche Meinungen) über Geld aufzulösen. Manche Scientologen behaupteten laut Gerald, das Geld fließe ihnen in die Taschen, nachdem sie diesen Prozeß absolviert hatten. Die Prozeß-Frage lautete: "Wie könnte man Geld verschwenden?" Ich gab viele Antworten und kam zu der Erkenntnis: man verschwendete kein Geld, so etwas gibt es überhaupt nicht. Verschwenden kann man nur sich selbst; hauptsächlich, indem man irgend etwas bereute. Gerald teilte mir mit, jetzt habe ich eine "schwebende Nadel", das Zeichen auf dem E-Meter für eine Release. Er dankte und die Review war vorüber. Ich hatte eine Fülle neuer Erkenntnisse. Ich fühlte mich wohl, die 200 Dollar waren gut angelegt. Wenn Gerald mich verließ, hatte ich immer ein Hochgefühl.

Die Dianetic-Klasse wurde wirklich ungezwungen geleitet. Es gab keinerlei Druck auf die Schüler. Wir konnten spät kommen, früh gehen und sogar einfach fortbleiben.
Es war unsere erste Aufgabe, zwölf Tonbänder über Dianetic und Scientology abzuhören. Allein damit verbrachten wir mehrere Wochen, weil wir uns nur unregelmäßig trafen. Die Abende verliefen so, daß Gerald ein anderthalbstündiges Tonband startete, und sich dann in eins der Schlafzimmer zurückzog, um einen Preclear zu auditieren. Felicia tat das gleiche im anderen Schlafzimmer. Später kam Gerald zurück, um uns eine eigene Vorlesung zu halten - sein besonderes Angebot in diesem Kurs. Die Akustik im Wohnzimmer war fürchter-

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lich, so daß man zeitweilig die Worte auf dem Tonband nicht verstehen konnte. Die Stimme, die aus dem Lautsprecher kam, war freundlich, volkstümlich, Vertrauen erweckend und schwungvoll. Sie gehörte L. Ron Hubbard, den die Scientologen einfach Ron nannten.

Die Fähigkeiten des Theta-Wesens können derzeit noch nicht mit allen Daten dargelegt werden...es wäre gegenüber der Zukunft unfair, wollte man sie in allen Einzelheiten schriftlich festlegen.
L. RON HUBBARD

Das Theta-Wesen, oder der Thetan, wird durch den griechischen Buchstaben Theta bezeichnet. Es ist reiner Geist und hat weder Masse, Energie, Zeit, Raum oder Wellenlänge, außer wenn es sie 'postuliert' (= sich entschließt, sie zu haben). So ist der Thetan nicht ein Ding, sondern ein Schöpfer von Dingen, ein 'Static' (= bewegungsloses Wesen), das durch seine eigenen 'Postulate' das physikalische Universum aus Materie (= Matter), Energie (= Energy), Raum (= Space) und Zeit (= Time)- also MEST erschafft.
Der Thetan kann zur gleichen Zeit innerhalb und außerhalb eines MEST-Körpers sein. Sein idealer Aufenthaltsort ist die Nähe eines Körpers, ihn kontrollierend. Ein Thetan stirbt nicht. Ein Thetan hat telepathische Kräfte, er kann Gegenstände bewegen, ohne sie mit MEST zu berühren. Die Beschränkungen des MEST gelten für ihn nicht. Theta-Wesen sind gesellig, haben sehr viel Sinn für Gerechtigkeit und sind vor allem an ästhetischen Dingen interessiert.
Du bist ein Thetan. Du bist nicht dein Geist, dein Körper oder dein Name. Du bist du. In deinem ursprünglichen Zustand warst du deiner als eines unsterblichen geistigen Wesens vollkommen bewußt. Du warst im Besitz der Fähigkeit, dein eigenes Universum, deine eigene Welt und deinen eigenen Körper zu erschaffen.
Die Schwierigkeit mit dem Thetan besteht darin, daß er in einen niedrigen Status absinken kann. In seinem statischen Zustand fängt er an, MEST zu erschaffen - alles, was er selbst nicht ist - vielleicht zum Spaß, vielleicht aus purer Langeweile. Fein! Doch was läßt ihn die Skala hinabsausen, bis er ins Bodenlose stürzt? Natürlich, er vergißt, daß er das selbst erschaffen hat! Er leugnet jede Verantwortlichkeit - und dabei helfen ihm viele andere Wesen im Universum - und schließlich wird er mehr zum Ergebnis als zur Ursache der Dinge. Wenn er seine geistige Identität erst einmal vergessen hat, dann gerät der Thetan in die Falle, wird bis zur vollkommenen Bewußtlosigkeit hypnotisiert und versklavt.
Einem Thetan kann wieder beigebracht werden, ein "verursachendes Wesen" zu sein. Wir sind jetzt im Besitz der einzigen funktionsfähigen Technik, die dich wieder in deinen früheren stolzen Status versetzen kann. Diese Technik heißt "Scientology-Prozeß". Dieser Prozeß ist so schnell und so gründlich, daß du die Stufen zu den höheren Rängen in wenigen Stunden hochsteigen kannst. Dann besitzt du die Fähigkeit, deinen gegenwärtigen MEST-Körper zu ändern, sein Gewicht, sein äußeres, selbst die Größe, was aber nicht der eigentliche Zweck der Scientology ist. Scientology ist das Studium des Wissens im eigentlichsten Sinne des Wortes. Scientology ist nicht eine Heilkunst wie die Dianetic. Dianetic behandelt nur Körper und Verstand, Scientology den Geist. Dianetic heilte die Kranken und die Wahnsinnigen. Scientology befreit die Seelen.
Scientology ist ferner eine Religion. Ihre Kirchen stehen überall auf dem Planeten.

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Sie hat viele Quellen, denn sie ist ein Kompendium östlicher und westlicher Weisheit. Die Weisheit war im Westen lange Zeit kein beherrschendes Thema. Wenn du dir einen Augenblick lang klarmachst, daß es rund 50 000 Bücher über die Weisheit im Osten gibt, dann siehst du ein, warum es mit unserer Weisheit nicht weit her ist. Ist es weise, viele tausend Gegenstände zu bedenken, wenn uns nur einer wirklich not tut? Und man geht wegen jeder Krankheit zu einem anderen Spezialisten. Wie unnötig! Die 'Wissenschaftler', die sogenannten 'großen Autoritäten', haben nichts getan, um den beklagenswerten Zustand der Welt zu verändern. Im Gegenteil. Ihr Bestreben geht nur dahin, die Thetanen hypnotisiert zu halten. Dafür haben sie die verschiedensten Methoden, sie gebrauchen vor allem die Elektrizität, um die Thetanen folgsam zu machen. Damit dramatisieren sie, was sie auf ihren eigenen Zeit-Spuren nicht ertragen können. Im Augenblick halten sie die Bewohner der Erde in einem hypnotisierten Zustand. Darum können die ärzte weitermachen, wie in den Jahrhunderten zuvor; sie hacken und stochern, sie sägen den Schädel auf, sie lassen Elektrizität auf die Wahnsinnigen los, sie pumpen die Kranken mit Drogen voll. Es ist einfach Unwissenheit. Aber diese Unwissenheit hat die Menschheit in einen Wettlauf zwischen Vernichtung und Überleben geführt. Ich gebe euch das Werkzeug, euch und die Menschheit zu bessern, den Wettlauf zu gewinnen. Um Himmels willen, geht ans Werk und bessert die Welt!

Margo Zumbrich, eine der Schülerinnen, hielt sich wahrend der Tonbandvorführungen oft in einem anderen Raum auf und hatte dort Review-Sitzungen. Gerald hatte sie kürzlich zur Grad IV Release auditiert. Aber dieser neue Status war schmerzhaft für sie. Zum erstenmal konnte sie ihre Vergangenheit und ihr gegenwärtiges Leben klar sehen, ebenso die Menschen in ihrem Leben, ihre Familie und deren kranke, negative Seiten. Die zahlreichen Sitzungen mit Gerald gaben ihr nur zeitweilig Erleichterung. Er hatte sie ohnehin nur ungern auditiert. Nach schrecklichen Erlebnissen in Europa während des zweiten Weltkrieges war sie mit Elektro-Schocks behandelt worden, und solche Fälle wurden in der Regel als "nicht auditierbar" klassifiziert.
Auch Umberto Lancia nahm viele Review-Sitzungen. Auch er machte rauhe Zeiten durch, nur selten nahm er an den Stunden in der Klasse teil. Gerald sagte mir, er habe ihn sogar kostenlos behandelt, aber jedesmal, wenn ihm eine Sitzung genutzt habe, sei er beim nächstenmal nicht erschienen. Fast schien es, als ob Umberto absichtlich im Zustand der Apathie verblieb.
Empress Green, eine große, gut gebaute Frau, war außer mir der einzige Schüler, der regelmäßig an den Klassenstunden teilnahm. Manchmal machten wir spitze Bemerkungen und bekamen Lachanfälle, während wir die Bänder abhörten. Unsere Witzeleien waren nicht unbegründet: wir fanden es einfach ärgerlich, daß unsere Köpfe ständig mit Worten bombardiert wurden, die wir nicht richtig verstehen konnten. Wir mußten uns als Individuen behaupten, um nicht

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wie Flugsand von dieser hämmernden Stimme durch den halbdunklen Raum getrieben zu werden. Empress und ich saßen nebeneinander auf dem Sofa. Wir mühten uns ab, Rons Botschaft mitzubekommen. Wenn das Tonband besonders schwer zu verstehen war, nickten wir zusammen ein. Einmal wachten wir erst auf, als Gerald eintrat, um seine Vorlesung zu halten.
Gerald war immer überschwenglich und auf dem Sprung, ob er nun vor zwei Menschen sprach oder vor zwanzig. Zu Beginn der Klassenstunden trug er weder Schlips noch Jacke, doch wenn das Tonband abgelaufen war, trug er einen Schlips und den blauen Blazer, was Felicia liebevoll sein "Vorlesungskostüm" nannte.
"Ihr seht blendend aus, Königliche Hoheiten", so pflegte er etwa zu beginnen, wobei er jeden Zuhörer lächelnd anschaute. Er hatte eine wohlklingende Stimme. Beim Sprechen ging er auf und ab.
Wenn man nicht genügend aufpaßte, blieb er stehen und wandte sich mit vergnügtem Augenblinzeln an den Missetäter: "Wo haben Sie denn Ihre Gedanken?" Geralds Vorlesungen waren lebhaft und unterhaltsam. Er hatte eine plastische Art, den reaktiven Geist, oder das "Unterbewußte", wie er es betonte, zu beschreiben. Verschiedentlich bat ich ihn um Wiederholungen, wie ein Kind seine Mutter um ein Kinderlied. Er verglich den reaktiven Geist mit einem Tiger, der durch den Scientology-Prozeß systematisch vernichtet wurde. Auf der Dianetic-Ebene wurde der Tiger in einen Käfig gesperrt, wo wir ihn aus sicherer Entfernung beobachten konnten. Im Scientology-Grad 0 konnten wir näher herangehen und seine linken Vorderkrallen ausreißen, bei Grad I die rechten, und so fort bis zu Grad IV, wo die hinteren Krallen ausgerissen wurden, und Grad V und VI nahmen dem Tier Zähne und Schwanz. Nun waren wir für den Clear-Prozeß bereit, für die vollständige Vernichtung des Tigers. Besonders begeisterte es mich, als Gerald gegen Ende seiner Demonstration in großen Sprüngen durch das Zimmer hetzte, mit schwabbelndem Bauch, wobei er mit einer imaginären Machete auf das hilflose Tier einhackte.
Eine von Geralds Ansprachen fand ich besonders unterhaltsam. Ihr Thema war ein Mechanismus des reaktiven Geistes, der "missed withhold" (= übersehener zurückgehaltener Akt) hieß.
"Ein Withhold kommt nach einem Overt (= verborgener Akt)", erklärte er, "es ist der Versuch, etwas zu verschleiern. Wenn man etwas Verborgenes getan hat, versucht man natürlicherweise, es nie gegenüber jemandem zu erwähnen. Das ist ein Withhold."
Der Missed Withhold ereignet sich, wenn man denkt, jemand habe etwas über unseren Withhold, besser gesagt, über den Overt er-

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fahren. Irgendetwas in seinem Verhalten veranlaßt uns zu der Befürchtung, er habe uns durchschaut. Aber man weiß es nicht genau; und man wird schließlich fast verrückt, weil man nicht sagen kann, ob er es nun wirklich weiß, oder nicht. Zum Beispiel, du kommst spät am Abend nach Hause, du hast deine Frau betrogen. Du gehst durch die Küche, und der Hund blickt dich seltsam an. Er wedelt zwar mit dem Schwanz, aber er hat einen komischen Augenausdruck - du trittst nach ihm. Das ist ein Missed Withhold. Solche Vorgänge verursachen viel ärger.
"Und jetzt, versammelte Hoheiten", fügte er mit einem Lächeln hinzu, "werde ich euch eins der innersten Geheimnisse des menschlichen Wesens verraten. Wenn ihr das durchschaut habt, kennt ihr die Menschen besser. Wenn jemand euch ein wenig zu heftig kritisiert, ohne daß er einen offensichtlichen Grund hat, dann gibt es nur eine Erklärung: Er hat euch etwas angetan. Er hat an euch einen Overt begangen, etwas ganz Bestimmtes. Vielleicht trägt er gar keine Schuld, aber er fühlt sich schuldig - er hat euch gegenüber einen Withhold, sogar einen Missed Withhold; er weiß ja nicht, ob ihr ihn durchschaut. Deshalb greift er euch an. Laßt euch das nicht entgehen: Laßt ihn sich hinsetzen und euch ansehen, dann fragt ihn: ,Was hast du mir angetan?'"
"Einfach so?" fragte Empress.
"Einfach so. Ihr dürft ihn nicht ausweichen lassen. Sagt ihm: ,Nun komm schon, sei ehrlich, sag mir, was du mir getan hast!' Dabei müßt ihr ihm voll in die Augen sehen. Laßt euch nicht abschütteln, bevor er es zugegeben hat. Dann ist ihm wieder wohl und ihr seid wieder Freunde. Wahrscheinlich ist er euch sein Leben lang dafür dankbar, was ihr für ihn getan habt."
"Wie wahr", dachte ich, "wie tiefsinnig. Das erklärt so vieles."
Auch außerhalb des Unterrichts wandte ich dieses Prinzip in meinem alltäglichen Denken an. Ich hatte das Gefühl, daß ich damit viel von dem besser verstand, was um mich vorging. Leider wollte mich in dieser Woche niemand kritisieren. Darum konnte ich meine neue Erkenntnis nicht voll ausnutzen. Ich versuchte, eine Begegnung mit einem Mädchen zu erzwingen, das seit einem Streit vor mehreren Jahren nichts mehr von mir wissen wollte. Falls ich mich mit ihr verabreden konnte, wollte ich sie in ein Café einladen; dabei wollte ich ihr dann fest in die Augen blicken und sie fragen: "Also: Was hast du mir vor ein paar Jahren getan?" Leider lehnte sie die Verabredung ab; deshalb konnte ich nicht feststellen, ob Geralds Methode in jedem Fall funktionierte.
An einem anderen Abend sprach Gerald über abstraktere Themen:

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"Der Thetan als ein Static, At Cause über das MEST (= der Thetan als ein statisches, Materie, Energie, Raum und Zeit erschaffendes Wesen)." Ich versuchte, mich in der Rolle des statischen Wesens zu sehen, das MEST erschuf. Es war schwer, diese Vorstellungen zu verstehen, und ich war keineswegs sicher, ob sie sich mit meinen eigenen, vage mystischen Gedanken trafen. Ich hätte sehr gern einen Ausweg gefunden, obwohl ich mich zu jener Zeit kaum noch daran erinnern konnte, was ich früher für wahrscheinlich gehalten hatte.
"Gerald", sagte ich, bemüht ihm zu glauben, obwohl es mir irgendwie widerstrebte, "willst du vielleicht ein kosmisches Bewußtsein beschreiben, das alle Gegensätze als Teil einer ineinanderfließenden Totalität umfaßt?"
"Ganz und gar nicht, euer Ehren...mit einer ineinanderfließenden Totalität hat es nichts zu tun."
Gerald neigte dazu, sehr lyrische Vokabeln (die Umberto jedesmal erschreckten) zu gebrauchen, um die hochfliegenden Gedanken eines oberen Scientologen zu beschreiben.
"Vergeßt nie, daß ihr wundervolle Wesen seid - Ihr seid wunderbar. Und sucht bei anderen immer nach dieser Schönheit. Die Menschen sind im Grunde gut und wundervoll: seid immer bereit, ihnen wahre Existenz zuzubilligen. Pflegt die Rosen und nicht die Dornen...und ihr schreitet aus der schwarzen Nacht der Pein auf die grünen Auen und in den blauen Himmel der Heiterkeit..."
Sonntagabends gab Gerald kostenlose Einführungsreferate, um für seine Agentur zu werben. Es gab Erfrischungen, Fragen waren zugelassen, die in der Regel zu Diskussionen führten. Ich schleppte so viele meiner Freunde herbei, wie ich nur konnte. Bei diesen Gelegenheiten begann Gerald mit Ausführungen über die Begründung der Scientology in der östlichen Weisheit und kam dann zu seiner Standard-Ansprache: über die Fortschritte, die man vom Auditieren erwarten durfte.
"Unser endgültiges Ziel ist es, dies Ding, das wir reaktiven Geist nennen, völlig auszuradieren. Mit anderen Worten, wir werden unser Unterbewußtsein los. Es gibt fünf wichtige Schritte zu diesem Ziel: die unteren Grade, die Sie hier im Haus absolvieren können. Zuerst erreichen Sie die Kommunikation-Release, wodurch Sie mit jedermann über alles zu jeder Zeit reden können. Dann werden Sie ein Problem-Release, fortan können Sie ein Problem sofort durchschauen. Sie erkennen darin zwei widersprüchliche Behauptungen, wovon eine eine Lüge ist. Nun können Sie die Lüge entdecken, und in der Regel löst das das Problem. Die Overt-Release befreit Sie von Schuld aus Ihrer Vergangenheit, und die nächste Stufe, ARC-Brüche,

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beseitigt alle Störungen, die Ihnen durch dritte Personen entstanden sind. Grad IV, der Ihr Service Facsimile offenlegt, heißt Fähigkeiten-Release, denn es macht Sie so sehr frei von Ihrem reaktiven Geist, daß Sie Ihr Talent voll entwickeln können. Es ist kein Zufall, daß so viele Preclears einen künstlerischen Beruf haben. Der Scientology-Prozeß kann Ihnen viel dabei nützen! Sie werden in der Lage sein, zurückzuschauen und zu erkennen, warum so viele Dinge in Ihrem Leben nicht erfolgreich waren. Falls Sie sich für den Dianetic-Kurs einschreiben wollen, werden Sie Ihren Geist verstehen lernen, und Sie werden wissen, wie Sie sich gegenüber dem reaktiven Geist bei anderen verhalten müssen."
Den Gästen wurde dann ein großes Schaubild gezeigt, das eine Übersicht der verschiedenen Klassifizierungen, Stufen, Erkenntnisse, Ränge und Zeugnisse enthielt. Im wesentlichen enthielt es eine mehr ins einzelne gehende Wiedergabe von Geralds Vorlesung über die Stufen. Das Dokument war in zwei etwa gleich große Hälften geteilt: "Scientology-Training" und "Scientology-Prozesse". Es wirkte wie eine Bienenwabe aus Zahlenkolonnen, Kästchen, Linien, Scientology-Ausdrücken - viele davon unverständlich - und nach oben zeigenden Pfeilen. Das alles mußte auf Uneingeweihte wirken, wie ein Computer-Programm, das in einer der neuen symbolischen Sprachen geschrieben war. Mir schien das ein ziemlich unwirksamer Weg zu sein, neue Mitglieder für die Bewegung zu werben, es sei denn, daß sich manche Leute durch die komplizierte Darstellung beeindrucken ließen.
Gerald bat mich oft, noch mehr Gäste zu diesen Sonntagsveranstaltungen mitzubringen. Er fragte außerdem nach einer Liste mit den Telefonnummern meiner Freunde. Das störte mich. Ich war nicht der Ansicht, daß er auf jeden einen guten Eindruck machte: Seine historischen Kenntnisse waren fragwürdig, orientalische Worte sprach er falsch aus, und er wiederholte sich ständig, um seine Ansichten klar zu machen, als ob er Kretins oder Roboter vor sich hätte. Nach einigen Sonntagabenden wußte ich schon im voraus, was er sagen würde, und ging nicht mehr hin.
Trotzdem hatten die zusätzlichen Vorlesungen ihre Wirkung erzielt. Ich hatte mich nie sehr um den spezifischen Wert der einzelnen Grade gekümmert, Grad IV ausgenommen. Aber nachdem ich alle Einzelheiten so oft angehört hatte, fing ich an, mich tatsächlich als ein Kommunikation-Release, als ein Problem-Release und so weiter zu fühlen. Das ging so weit, daß ich bei Geralds Referaten ins Schwelgen kam. Er berichtete von meinen Fortschritten, er beschrieb mich als Grad IV Release. Ich dachte an meinen Konzertabend vor

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ein paar Monaten zurück: Die Initiative, die Town Hall zu mieten, den ganzen Sommer zu üben und zum erstenmal allein aufzutreten, wie ich es seit Jahren vorgehabt hatte, die Fähigkeit, mit einem großen Publikum in Kommunikation zu kommen - jetzt war mir völlig klar, daß alles, was mit dem Konzert zusammenhing, letzten Endes doch ein Erfolg des Auditierens war. Ich verdankte es der Scientology, auch wenn ich mich anfangs geärgert hatte, als Maurice den Leuten genau das gesagt hatte. Ich war froh, daß ich den Kurs genommen hatte, daß ich auch zu den Sonntagsvorlesungen gegangen war. Erst nachdem Gerald die lange Reihe meiner Fortschritte aufgezählt hatte, wurden sie für mich auch Wirklichkeit.

Die Bulletins

Scientologisches Wissen heißt R-Faktor (R steht hier für Realität). Und wenn man einem Preclear eine Erklärung für einen Begriff oder einen Prozeß gibt, dann wird ihm ein R-Faktor vermittelt. Ein Preclear macht die besten Fortschritte, wenn er einen guten R-Faktor hat. Scientology-Training ist der wirkungsvollste aller R-Faktoren.

Als die meisten Tonbänder abgespielt waren, erhielten wir einen Packen von Bulletins (= Hubbards Bekanntmachungen), die wir zuhause studieren sollten, ferner ein Kontrollformular, in dem wir die abgehörten Bänder anstreichen sollten, ebenso die Bücher und Bulletins, die wir lasen, und später die praktischen Übungen. Als Höhepunkt des ganzen Kurses sollten wir die Erfahrung machen, Preclears mit Hilfe der Dianetic-Stufen zu auditieren. Im Dianetic-Paket gab es etwa dreißig Bulletins, sie waren alle in rot oder grün gedruckt, mit Ausnahme von zwei blauen, die nicht von Hubbard verfaßt waren. Die Bulletins bestanden entweder aus einem einzigen Absatz oder aus drei oder vier Seiten. Jedes Bulletin hatte einen besonderen Titel, es enthielt ferner Anweisungen, wo es verteilt werden durfte. Sie datierten alle aus den Jahren 1962 bis 1967. Das ganze Paket mit seinen zusammengehefteten Vervielfältigungen wirkte, als ob Hubbard im Laufe der Jahre Dutzende von Bulletins herausgegeben und dann einen Teil davon unorganisch zusammengestellt hatte, als er es für notwendig hielt, diesen Kurs einzurichten. Die für besonders wichtig gehaltenen Bulletins waren auf dem Kontrollformular mit einem Stern versehen. Über sie mußten die Schüler bei einem Instruktor Prüfungen ablegen. Es gab ferner eine Liste mit 174 Abkürzungen.
Die meisten Bulletins überflog ich nur, nur die mit einem Stern ver-

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sehenen mußte man auswendig lernen. Das Bulletin zum Thema "Heilung, Wahnsinn und die Quellen von Beschwernissen" ließ erkennen, daß die Position der Scientology in diesem Bereich unter juristischen Gesichtspunkten dürftig war. Es betonte, daß "Heilung" sich nur auf "die Auflösung von Schwierigkeiten, die aus geistigen oder seelischen Gründen entstehen" beziehe. Ein Preclear, der physisch krank sei, solle, so hieß es weiter, zu einem Arzt geschickt werden. Wenn sich die Krankheit weder als rein physisch noch als vorhersagbar heilbar erweise und der Arzt das bestätige, dann solle ein geistiger oder seelischer Ursprung dieser Krankheit angenommen werden. In diesem Falle könne ein Kranker auditiert werden. Das gab dem Auditor viel Spielraum; denn viele Krankheiten können nicht als "ausschließlich physisch" bedingt angesehen werden; andere wiederum, wie Krebs, können nicht als "unbedingt heilbar" bezeichnet werden.
Eine ähnliche Klausel sorgte für Preclears, die erwiesenermaßen geisteskrank sind. Sie dürften auditiert werden, solange sie nicht in einer Heilanstalt waren.
Es folgt eine Liste von Eigenschaften, die einen Menschen als "mögliche Quelle von Schwierigkeiten" vom Auditieren strikt ausschließen:

Alle, die einem Menschen nahestehen, der ein Gegner der Scientologie ist (Suppressive Personen);
alle, die gedroht haben, die Scientology-Bewegung zu verklagen oder sie sonst zu behindern;
alle, die nur neugierig sind, also nur sehen wollen, wie die Scientologie funktioniert;
alle, die Informationen für die Presse sammeln;
alle, die sich ein Urteil über Scientology verschaffen wollen;
alle Kriminellen.

Ich mußte über die Klausel lächeln, die Neugierige betraf. Ich war also selbst eine "mögliche Quelle von Schwierigkeiten", doch niemand hatte es bemerkt.
Ein anderes Bulletin enthält die Eigenschaften des SP (der suppressiven Person), die auch als Anti-Scientologen oder als "unsoziale Personen" bekannt sind. SP sind:

alle, die häufig Verallgemeinerungen gebrauchen, z. B. "es wird behauptet";
alle, die ständig schlechte Nachrichten verbreiten - ein SP läßt jede Nachricht schlechter erscheinen, als sie ist;
alle, die nicht glauben, daß man auf dieser Welt jemandem helfen kann;
alle, die immer die falschen Ziele bekämpfen (wenn sein Wagen eine Panne hat, ohrfeigt er seine Frau);
alle, die nicht auf das Auditieren eingehen, nicht reagieren;
alle, die sich vor anderen Menschen übertrieben fürchten. Ein SP kann völlig normal erscheinen, trotzdem bewirkt er, daß jeder in seinem Umkreis krank, erfolglos und unsicher wird. Ein Preclear, der in Verbindung zu einem SP steht, macht beim Auditieren keinerlei Fortschritte. Dadurch wird er selbst

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zur "möglichen Quelle von Schwierigkeiten". Es ist Sache des Auditors herauszubekommen, wer ihn zu Boden zieht, zuhause, an der Arbeitsstelle, oder von einem viele tausend Meilen entfernten Ort aus. Dies geschieht in einer S&D-Sitzung. Wenn der SP gefunden ist, schreibt ihm der Preclear einen Scheidebrief. Glücklicherweise sind nur zwanzig Prozent der Bevölkerung SP, und davon wiederum sind nur zweieinhalb Prozent wirklich gefährlich.

Ich nahm diese Bulletins nicht allzu ernst. Gerald und Maurice hatten mit mir S&D-Sitzungen absolviert, aber sie hatten keine Scheide-Briefe von mir verlangt. Obwohl in den Organisationen und Agenturen die Anweisungen im Hinblick auf Heilungen und Geisteskrankheiten befolgt werden mußten, um legale Schwierigkeiten zu vermeiden, war doch ganz offensichtlich, daß alle, die dorthin kamen, in irgendeiner Form Heilung suchten. Was sollte daran falsch sein? Ich neigte ohnehin dazu, mit allem zu sympathisieren, was ärzte und Psychiater umging. Wenn die Scientology Erfolg hatte, um so besser. Und wenn sie moralisch bedenklich war, was war dann mit den ärzten, ihren Tranquillizern, unnötigen Operationen und den Patienten, die ohne erkennbaren Grund in Heilanstalten saßen?
Was die "Quellen von Schwierigkeiten" und SP-Personen anging, war Hubbards Stil manchmal prägnant, häufiger langweilig dozierend; vollends verrückt aber wurde es, wenn er sich mit den Feinden der Scientology beschäftigte. Ich wußte, daß die Org-Mitglieder die Bulletins buchstabengetreu befolgten, aber das hieß nicht, daß ich das Gleiche tun mußte. Außerdem glaubte ich, keine SPs zu kennen. Felicia und Gerald nahmen die Sache auch nicht ernst. Sie behandelten das Ganze pragmatisch und beschäftigten sich hauptsächlich damit, was für den Kurs wesentlich war: die Unterrichtung in den Dingen, die man wissen mußte, um Preclears über die Dianetic-Grade zu auditieren, was unser Ziel war. Sie überprüften mich oberflächlich hinsichtlich der SPs und der "Quellen von Schwierigkeiten", wonach ich sofort alles wieder vergaß, was ich gelernt hatte.
Am schwersten war es, das Bulletin zu lernen, das über die Tone Scale (= Stimmungsskala) informierte, eine Tabelle, auf der die verschiedenen Stadien des Befindens oder der Gefühle in eine Reihenfolge gebracht waren, von den negativen zu den positiven. Auf der Liste stand unter anderem: Apathie, verborgene Feindseligkeit, Sorge, Furcht, Antagonismus, Langeweile, Enthusiasmus und Heiterkeit. Jeder Punkt hatte eine Nummer, von 0 bis 20, dies höchste Stadium war die "Heiterkeit des Seins". Eines der Ziele des Auditierens war selbstredend, die Stimmungslage des Preclear zu heben.
Verschiedene Stadien unter 0, zum Beispiel "Sich Verstecken" oder "Einen Körper Brauchen", hatten Minus-Nummern. Ich bat Gerald,

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das zu erklären, worauf er in seiner nächsten Vorlesung auf die Stimmungsskala einging.
"Die Skala über 0 gibt die Tonleiter der Gefühle wieder. Man kann sie in Sekunden durchmessen, wobei allerdings nie auch nur ein Punkt ausgelassen wird. Man kann zum Beispiel so schnell von Apathie zum Enthusiasmus aufsteigen, daß man die Zwischenstadien nicht bemerkt - es gibt Hunderte, die nicht auf der Tabelle sind. Die Punkte, die sich auf der Skala unter 0 befinden, betreffen die geistige Situation des Thetan; ihr Umfang ist noch viel größer."
"Der Tod des physischen Körpers bedeutet nicht die Vernichtung des Thetan. Andererseits sind viele Leute, die angeblich lebendig sind, ziemlich im unteren Teil der Tabelle angesiedelt, wenn es um das Wissen über ihr eigenes Wissen geht. Sie sind eigentlich schon mehr als tot."

Ich würde euch diese Daten nicht geben, wenn sie nicht mit Leichtigkeit an jedem Preclear demonstriert werden könnten. Und ich würde sie euch nicht geben, wenn ihr sie nicht nötig hättet. Hier sind sie.
L. RON HUBBARD

Die Mitteilungen über die Dianetic waren der Kern des Bulletin-Pakets in unserem Kurs. Obwohl ein Teil des Materials eher technischer Natur war, konnte man doch erkennen, daß Dianetic-Auditieren heute einfacher war als 1950. Jetzt besaßen wir den E-Meter, um Spannungen sofort aufzuspüren und abzubauen. Statt jedes einzelne Engramm des Preclear zu behandeln, brauchte der Auditor einfach nur die Nadel auf der Skala des Meters zu beobachten. Es war ein Kinderspiel, den Augenblick der Dianetic-Release zu erkennen. Es genügte, wenn man eine "schwebende Nadel" erkennen konnte: wenn die Nadel auf der größeren der beiden Skalen träge hin und her schwankte, als ob sie durch nichts gestützt wurde, dann war der Preclear von den Engrammen befreit.
Jetzt gab es als Vorbereitung für die Behandlung der Engramme zwei neue Prozesse: "Direkter Draht zum ARC" und "Secondarien". Der "direkte Draht" sollte das Gedächtnis des Preclear schärfen. Er bestand aus drei Kommandos:
"Erinnern Sie sich an eine Kommunikation, worin bestand sie?"
"Erinnern Sie sich an etwas Tatsächliches, was war es?"
"Erinnern Sie sich an ein Gefühl, was war es?"
Diese Fragen wurden so lange wiederholt, bis die Nadel "schwebte". Der PC hatte dann höchstwahrscheinlich eine Erkenntnis, zum Bei-

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spiel: "Aha, mein Gedächtnis ist besser, als ich glaubte!" Zur gleichen Zeit hob sich seine Gemütslage spürbar bis zum Enthusiasmus, Punkt 4.0 auf der Stimmungsskala, was einen positiven Effekt anzeigt: "Der PC ist fröhlich!" Beim ersten Anzeichen einer schwebenden Nadel mußte der Auditor mit ruhiger Stimme sagen: "Erledigt", und den PC veranlassen, die Konservenbüchsen abzustellen. Ein Aufseher mußte dann das "Release" auf dem Meter nachprüfen.
"Secondarien" wurden jetzt als notwendige Vorbereitung auf die Engramme (die ziemlich schrecklich verlaufen konnten) angesehen. Der Auditor gab zunächst einen R-Faktor, indem er erklärte, einige Verlust-Erlebnisse sollten festgestellt und dann mehrfach durchgenommen werden. Es sei am besten, mit einem leichten Verlust zu beginnen, zum Beispiel einem verlorenen Gegenstand. Sowie sich der PC an etwas Derartiges erinnerte, wurde er vom Auditor gebeten, an den Anfang des Erlebnisses zurückzugehen und dann alles der Reihe nach zu berichten. Der Auditor sollte dann "bestätigen", d. h. dem PC danken und ihn danach auffordern, das ganze Erlebnis nochmals durchzugehen. Nachdem der leichte Verlust ein, zweimal behandelt war, wurde der PC aufgefordert, zu einem früheren Verlust zurückzugehen. Früher oder später würde er so bei einem großen Verlust ankommen, etwa bei dem Tod eines lieben Menschen. Die ganze Prozedur wurde dann mehrfach wiederholt, bis es wieder zur schwebenden Nadel bei gleichzeitig gutem Ergebnis auf der Stimmungsskala kam. Wiederum überprüfte ein Aufseher die Release.
Bei den Engrammen wurde die gleiche Methode angewandt: Augenblicke des Schmerzes, der Bewußtlosigkeit, des Schocks oder extremen seelischen Unbehagens wurden von dem Preclear noch einmal durchlebt. Auch hier begann man mit einem einfachen Vorgang, zum Beispiel einem aufgeschnittenen Finger. Dann ging man zu früheren Vorfällen zurück, bis das Ende der Kette erreicht war. Das konnte bis zu früheren Existenzen des PC gehen. Vielleicht kam es jetzt zur schwebenden Nadel. Falls nicht, wurde eine weitere Kette von Vorfällen behandelt, notfalls noch eine und immer noch eine, bis die schwebende Nadel erreicht war, falls auch die Stimmungslage ein gutes Ergebnis anzeigte, war damit die Sitzung beendet. Nach der Überprüfung wurde der Preclear zum Dianetic Release erklärt.
Beim Studium dieser Bulletins, dem theoretischen Teil des Kurses, mußten die Teilnehmer "Demos" (Demonstrationsobjekte) anfertigen. Mit Hilfe von Büroklammern, Bleistiften und anderen kleinen Gegenständen illustrierten sie Begriffe der Scientology. Aus Radiergummis ließen sich Engramme machen, und die Zeit-Spur ließ sich gut durch einen Bleistift oder ein Stück Bindfaden darstellen...

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Dianetic Training

Dies ist nützliches Wissen. Damit sehen die Blinden wieder, die Lahmen gehen, die Kranken werden gesund, die Unvernünftigen werden vernünftig und die Gesunden werden noch gesünder.
L. RON HUBBARD

ARC hat beim Auditieren sehr große Bedeutung. Das A bedeutet Affinität (= hier: enge Verbindung, Wahlverwandtschaft), das R Realität und das C Kommunikation. Zusammengenommen bedeutet ARC das aus einer starken und realen inneren Verbindung erwachsende "Verständnis". Ganz offensichtlich meint dieser Gedanke einfach die Qualität einer warmen persönlichen Beziehung. Aber für einen Scientologen ist ARC mit einem intensiven, geradezu mystischen Sinn ausgestattet. ARC steht in engem Zusammenhang mit der Auditionssitzung bis hin zum "Bestätigen" (= dem formellen 'Danke' nach jeder Antwort), wobei man dem Preclear tief in die Augen schaut. Ein Auditor tut alles Erdenkliche, um einen ARC-Bruch zu vermeiden, einen plötzlichen Verlust von Affinität, Realität oder Kommunikation. Die Schüler wenden viel Zeit auf, um gewisse Trainingsmethoden - "TRs" - zu erlernen, die beim Auditieren wesentlich sind: wie man dem Preclear entgegentritt, die Auditionskommandos erteilt und bestätigt, und bei alledem ARC aufrecht erhält. Die TRs werden für so bedeutsam gehalten, daß ihre Bezeichnungen - TR l, TR 2 usw. - zu Attributen der Schüler werden. Sie lernen die TRs nicht nur, sie haben sie; zum Beispiel: "Er hat einen wundervollen TR 3." Die TRs machen mehr Spaß als die Tonbänder und Bulletins, da sie den Schüler zunehmend in Situationen bringen, die dem Auditieren entsprechen.
Wir wurden von den Instruktoren ermutigt, indem sie uns das Gefühl gaben, daß wir bei den TRs gute Fortschritte machten. Margo Zumbrich war meine Trainingspartnerin. In der Abgeschiedenheit von Geralds Schlafzimmer begannen wir mit TR 0. Hier ging es um die Fähigkeit, einfach dazusitzen, einander aus kurzer Distanz in die Augen zu sehen und schlicht nur da zu sein. Wenn man das Gesicht verzog, den Körper bewegte, zuviel mit den Augen blinzelte oder unaufmerksam vor sich hin träumte, sagte der Partner, der den Trainer spielte: "Falsch!" Wir mußten lernen, zwei Stunden lang bewegungslos, aber nicht starr, da zu sitzen.
Schon nach wenigen Minuten tränten unsere Augen. Krampfhaft versuchten wir, nicht zu blinzeln, und konnten es wenig später doch nicht sein lassen. Der Versuch, uns ständig in die Augen zu blicken, machte

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uns todmüde. Das Gefühl, unbedingt schlucken zu müssen, das es zu unterdrücken galt, ließ unsere Gesichter starr werden, und der Versuch, das zu ändern, führte erneut zum Kommando: "Fehler - Neu anfangen!"
Margo und ich brauchten lange, bis wir TR 0 lernten. Gerald kam gelegentlich in das Zimmer und machte uns auf besonders kritische Punkte aufmerksam.
"Sie hat einen Fehler gemacht, Bob. Sehen Sie nicht, daß ihr Hals links steif wird?" sagte er zum Beispiel; oder: "Margo, er macht einen Fehler. Er macht ein trauriges Gesicht. Er hat höchstens noch 0,5 auf der Stimmungsskala!"
Wir brauchten einen ganzen Abend und den größten Teil eines zweiten, um TR 0 zu lernen, bevor Gerald mit uns zufrieden war. Am zweiten Abend fanden wir es schon angenehm, uns ständig in die Augen zu schauen.
Als nächstes war der "Stierkampf" an der Reihe. Um meinen schwachen Punkt zu finden, konzentrierte sich Margo auf die Frage "Warum hat ein netter junger Mann wie du noch keine Frau gefunden?" Sie spielte mir eine Nymphomanin vor, die mich verführen wollte. Gerald kam herein und forderte uns auf, die Rollen zu tauschen. Ich brachte Margo zum Lachen, indem ich auf der Bettvorlage herumhüpfte wie ein Affe.
Gerald flüsterte mir ins Ohr: "Es gibt noch viel mehr, als sie nur zum Lachen zu bringen. Versuchen Sie es mal mit dem Schwächepunkt 'Nicht-Existenz,! Sie werden schon sehen. Sagen Sie ihr: 'Du bist nicht da," Ich wiederholte den Satz immer wieder und schmückte ihn aus: "Margo, du hältst es nicht aus! Heimlich würdest du viel darum geben, wenn du verschwinden könntest! Du bist nicht da!"
Sie machte ein ängstliches Gesicht. Gerald fiel ein: "Gut. Weiter so. Sie vollführt Bocksprünge auf der Stimmungsskala. Jetzt ist sie hellwach. Wenn man die TRs macht, verbessert sich die Stimmungslage."
Allmählich arbeiteten wir uns zu TR 4 vor. Das war eine Kombination aller vorhergehenden TRs und kam fast dem richtigen Auditieren gleich. Der Schüler mußte versuchen, auf seine Fragen Antworten zu bekommen, obgleich der Trainer versuchte, ihn aus der Fassung zu bringen. Waren die äußerungen des Trainers aber ernst gemeint, mußte der Schüler sie "bestätigen". Auf diese Weise lernte der Schüler, sicher zu beurteilen, wie die Reaktionen eines Preclear zu bewerten waren. Zum Beispiel:
"Können Vögel fliegen?"
"Welche Vögel?" (Der Trainer antwortet ausweichend.)
"Ich wiederhole die Auditionsfrage: .'Können Vögel fliegen?'"

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Der Trainer bewegte seine Arme auf und nieder. Er will den Schüler aus der Fassung bringen.
"Ich wiederhole die Auditionsfrage: .'Können Vögel fliegen?'"
"Nein." (Immerhin eine Antwort.)
"Danke. Können Vögel fliegen?"
"Gestern abend hatte ich ein interessantes Erlebnis ... usw., usw."
(Der Auditor hört ruhig zu.) Dann: "Fein. Können Vögel fliegen?"

Wenn Frau Honigkuchen zu uns kommt, um zu lernen, dann verwandle den unbestimmten Zweifel in ihrem Auge in eine feste Überzeugung. Dadurch wird sie Gewinn haben - wie wir alle. Aber wenn du ihren Zweifeln nachgibst, dann verlieren wir alle.
L. RON HUBBARD

Ron Hubbard behauptete, die Verbreitung der Scientology sei leicht. Alle, die es nicht schafften oder die Bemühungen anderer kritisierten, hatten etwas zu verbergen, vielleicht suppressive Tendenzen. Wenn man sich diesem Thema hinreichend widmete, konnte man sicher gehen, daß der Werber den nötigen Fleiß zeigte. Bei einer korrekten Werbung waren vier Punkte zu beachten:

Kontakt:

1.einen Preclear finden und ihn ansprechen.
2. Beeinflussung: seine Einwände gegen die Scientology entkräften.
3. Ködern: die Schwäche des Preclear herausbekommen, seine Probleme.
4. Einverständnis: ihn überzeugen, daß Scientology seine Probleme lösen kann und ihn zum Auditieren überreden.

Ich mußte bei Gerald fast Brachialgewalt anwenden, um von ihm das Werbe-Training als "Bestanden" attestiert zu bekommen. Während ich versuchte, ihn zu "beeinflussen" und zu "ködern", spielte er einen betrunkenen Homosexuellen, der versuchte, mich mit Getränken voll zu schütten und ins Schlafzimmer zu zerren. Zu seiner Zeit hatte sich Gerald als kühner und unwiderstehlicher Werber hervorgetan, nicht wie diese schüchternen Knaben, die auf der Straße Broschüren verteilten, sondern in einer originellen Art, die seinem Stil entsprach. In London hatte er einmal einen Mann mitten auf der Straße am Arm gepackt, ihm ins Ohr gebrüllt: "Du wirst es schaffen", und ihn in die nahegelegene Org geschleppt.

Um deutlich zu sein: Das Auditieren kann ohne einen Elektro-Psycho-Meter nicht optimal sein. Ein Auditor ohne seinen E-Meter erinnert mich an einen Jäger, der in stock-

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dunkler Nacht Enten jagen will, indem er blindlings um sich schießt.
L. RON HUBBARD

Eine dünne Glasscheibe bedeckt die Oberfläche des Meters. Am auffälligsten ist die leicht gebogene Nadel-Skala, die etwa zwei Drittel der Oberfläche einnimmt. Der elektrische Strom, den der Meter ständig in die Hände des Preclear schickt, bildet einen Stromkreis. Die Bewegungen der Nadel sind angeblich von der sich ändernden Energie und Masse der Gedanken des Preclear verursacht, die an der Grenze zwischen dem Unterbewußtsein und dem Bewußtsein entstehen und elektrische Ladung in den Meter zurückleiten.
Die Bedienung des E-Meters ist genau vorgeschrieben und muß bei jedem Gebrauch der Maschine in immer gleicher Weise ausgeführt werden.
Es gibt Übungen für das Aufstellen des Meters, für das Ein- und Ausschalten und für das Zentrieren der Nadel. Neben der Skala befindet sich ein runder Knopf, der Abstimm-Knopf. Mit ihm kann die Nadel zentriert werden. Der Abstimm-Knopf hat eine eigene kleine Skala, die in sieben gleich große Segmente aufgeteilt ist. Die entsprechenden sieben Ziffern zeigen an, in welchem Zustand der Preclear während der Sitzung ist. Sie entsprechen zwar nicht den Ziffern auf der Stimmungsskala, auf der die gefühlsmäßigen und geistigen Stimmungslagen tabellisiert sind; dennoch zeigen extreme Bewegungen auf dieser Skala an, ob der Preclear entspannt oder gespannt ist. Es gilt als ideal, wenn der Abstimmknopf auf die Mitte der Skala zeigt; zum Beispiel muß er zwischen zwei und drei stehen, damit eine "schwebende Nadel" anerkannt werden kann. Der Auditor hält die Nadel zentriert, indem er den Abstimmknopf leicht mit seinem Daumen bewegt; so kann man leicht erkennen, ob die Nadel schweben will. Wenn der Preclear aufgefordert wird, die Büchsen in die Hand zu nehmen, kann der Auditor auf diese Weise feststellen, ob der PC sie zu fest umklammert oder ob er sie zu lose hält; denn das würde erneutes Zentrieren erforderlich machen. Die Nadel reagiert, je nachdem, wie fest der auf die Büchsen ausgeübte Druck ist. Der Preclear darf keine Ringe tragen, weil sie den Stromkreis beeinflussen.
Die Bulletins enthalten zahlreiche Einzelheiten über die Beurteilung der verschiedenen Weisen, wie sich die Nadel bewegt. Zunächst durften wir uns nur mit der "schwebenden Nadel" befassen. Was im einzelnen die Nadel reagieren läßt und wieso der Auditor durch die Beobachtung des Meters so viel erfährt: um diese Fragen beantworten zu können, mußte der Schüler auf einen Kurs für Fortgeschrittene warten.

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Gewisse Methoden tragen zu raschen Fortschritten im Verlauf der Sitzung bei. Der "R-Faktor", der vor den einzelnen Prozessen vermittelt wird, indem man den nächsten Schritt erklärt, soll dem Preclear jede Nervosität nehmen. Diese Auskünfte verringern den Eindruck des Geheimnisvollen, der den Prozeß und den Meter umgibt, sie tragen auch zum Verständnis der jeweiligen Fachausdrücke bei. Hubbard legt besonderen Nachdruck auf den "Auditor-Kodex", die Maßregeln für das Verhalten des Auditors gegenüber dem Preclear innerhalb und außerhalb der Sitzungen. Ihr Zweck ist es, ARC aufrecht zu erhalten.

Diese und fünfzehn weitere Gebote mußte man auswendig lernen. Gerald verriet mir andere nützliche Vorbereitungen. Falls der Preclear besorgt wirkte, war anzunehmen, daß er ein PTP hatte, ein "Present Time Problem" (= aktuelles Problem). In einem solchen Falle war es geboten, vor dem Auditieren darüber mit ihm zu sprechen, um im voraus etwas Spannung abzulassen. Wenn der Preclear verärgert oder wortkarg war, hatte er vermutlich einen ARC-Bruch, und bevor der bereinigt war, galt jedes Auditieren als Zeitverschwendung. Wer die Scientology kritisierte, galt als Querulant. Ein solcher Preclear mußte "Considerationen" haben, die im Gespräch auszuräumen waren, indem der Auditor alles "bestätigte", was er sagte. Eine andere Störung, die den Preclear unauditierbar machte, war ein "Overt", d. h. der PC hatte kürzlich etwas getan, weshalb er sich schuldig fühlte. Wenn man ihn dazu brachte, darüber zu sprechen und dabei alles "bestätigte", konnte man ihn zufriedener stimmen. Gerald erklärte das alles so, daß man es für völlig vernünftig hielt.
Zum Thema "unauditierbare PCs" hatte Gerald, der auf seine Fähigkeit stolz war, jede Nuß zu knacken, eine besondere Geschichte: "Als ich als Interner im Saint Hill anfing, mußte ich einen Preclear auditieren, der zu den größten Fanatikern gehörte, aber gegenüber jeder Kur völlig resistent war. Er war zu keiner Zusammenarbeit bereit. Er blieb nur dabei, weil er - wie er sagte - L. Ron Hubbard absolut vertraute. Das Personal zerbrach sich wochenlang den Kopf. Da ich im Hill als ein As galt, dauerte es gar nicht lange, bis sie den Fall auf mich abwälzten. Ich auditierte ihn dreißig Stunden lang. Ich muß gestehen, daß ich am Ende meines Lateins war. Schließlich sagte ich ihm: ,Ich habe gerade eine Botschaft von Ron bekommen.' Dabei zeigte ich ihm ein leeres Blatt Papier. Ich ,las' es ihm vor: ,Ich, L. Ron Hubbard, bekenne hiermit, daß die Scientology nur ein Scherz ist. Ich habe diese

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Posse nur zu meinem Vergnügen aufgezogen. Es ist der größte Betrug des 20. Jahrhunderts.' Gleichzeitig beobachtete ich die Nadel aus den Augenwinkeln. Das erste Anzeichen, daß überhaupt etwas passierte, war, daß die Anzeige der Abstimm-Skala um eineinhalb Punkte abfiel. Plötzlich änderte sich sein Verhalten. 'Ich wußte es', schrie er, 'ich wußte es die ganze Zeit. Deshalb war ich so fanatisch - tief im Innern wußte ich es und ich hatte nicht den Mut zuzugeben, daß alles Quatsch ist. Jetzt bin ich frei!' Während dieser Worte bekam er eine schwebende Nadel, und ich hatte einen weiteren unlösbaren Fall gelöst."

Umberto

Außerhalb der Klassenstunden stellte ich Listen der Leute auf, die bereit waren, sich zeitweilig als Preclears zur Verfügung zu stellen und sich gratis auditieren zu lassen. Meine Freunde waren hilfsbereit, obwohl die meisten nichts mit Scientologie im Sinn hatten. Sie hatten nichts dagegen, mir zu helfen, damit ich die zwanzig Stunden für neue PCs zusammenbekam, die ich nötig hatte, um den Kurs attestiert zu bekommen. Bevor ich einen von ihnen zur Dianetic-Release auditierte, absolvierte ich, sozusagen als Testflug, mit Margo eine Secondarie, wobei Gerald mich beaufsichtigte. Während der TRs und der E-Meter-Übungen hatte Margo so große Fortschritte gemacht, daß Gerald mich beiseite nahm und mir sagte, sie habe auf der Stimmungsskala den Weg nach oben beschritten und sei dabei, sich ihrer Fortschritte bewußt zu werden. Es gab nichts, was den Fortschritt so beschleunigte, als die Möglichkeit, andere zu auditieren. Allein die Aussicht darauf bewirkte Wunder.
Umberto Lancia hatte nicht dieses Glück. Er war immer noch deprimiert und erschien nicht mehr in der Wohnung von Gerald und Felicia. Ich hielt ihm vor, er solle sich auf die guten Seiten konzentrieren und seine Sitzungen mit Gerald wieder aufnehmen. Darauf hielt er mir einen zornigen Monolog:
"Ich kann ihr ständiges Dankes-Gemurmel nicht mehr aushalten. Es macht mich verrückt! Auch wenn du ein kümmerlicher Preclear bist, klopfen sie dir lobend auf die Schultern. Es ist für sie eine Sünde zu sagen, die Scientologie sei wirkungslos. Sie wollen einfach nicht zur Kenntnis nehmen, daß es auf der Welt Probleme gibt, die sie nicht lösen können. Sie leben in einer Scheinwelt. Erst glaubte ich, nur in der Org sei es so. Dann hingen Hildegard und Maurice ständig bei uns zuhause herum. Und Felicia ließ sich von ihnen beeinflussen.

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Das hat unsere Ehe zerstört. Wie konnte sie Achtung vor einem Kerl wie Maurice haben? Er tut, was ihm gerade einfällt, ganz egal, ob er andere damit beleidigt. Er ist in jeder Beziehung pervers. Erst macht er dich fertig, dann mußt du noch mehr Geld anlegen, damit er den Schaden repariert. Denk an die Sitzungen mit Gerald, die du brauchtest, weil Maurice illegale Sitzungen mit dir gemacht hat. Es gibt nichts, was er nicht tun würde. Habe ich dir erzählt, daß er mich eines Tages sogar telefonisch auditiert hat? Eines Abends rief er mich an. Ich beschwerte mich, weil ich Kopfschmerzen hatte. Er sagte: '0.k., fangen wir gleich mit der Sitzung an'. Ich wollte widersprechen. Er brüllte: 'Mund halten. Tu, was ich dir sage! Was hast du schon zu verlieren. Sag mir als Antwort, was dir als erstes einfällt. Welches Jahr ist es?' - '1845', schätzte ich. 'In Ordnung. Und was passiert?' 'Eine Hinrichtung. Ich bin es, - ich werde aufgehängt...' - Er ging das mehrfach mit mir durch. Mitten drin hing er auf. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, meinte ich, mein Kopf würde zerspringen."
"Er meint es gut", sagte ich.
"Wirklich? Wie findest du aber das: Du kennst Empress Green vom Kurs. Weißt du, wie sie mit ihm bekannt wurde? Er beschaffte sich ihre Telefonnummer, rief sie aus heiterem Himmel an und überredete sie, sich von ihm draußen in Queens auditieren zu lassen. Als sie bei ihm ankam, machte er seine Tür in einem purpurroten Bademantel auf. Ein unglaublicher Gestank stieg ihr in die Nase. Den Grund dafür hörte sie von Maurice selbst. Er hatte sich die Unterhosen schmutzig gemacht, als er eilig zur U-Bahn rannte, und hatte es nicht für nötig befunden, sich zu säubern."
Umberto war entmutigt, was seinen eigenen Fall anging: "Ich bin ziemlich sicher, daß sie mich im Saint Hill nicht richtig auditiert haben. Ich wurde auffällig schnell zum Release erklärt. Selbst nach den Scientology-Regeln war es zu schnell. Zusätzlich zu den 1200 Dollar für Grad V Power mußte ich weitere Hunderter hinblättern, um Review-Sitzungen zu absolvieren. Und nun muß ich nach England zurück, wenn ich mich in Ordnung bringen lassen will. Gerald sagt, er könnte es auch tun, aber nur im Saint Hill hätten sie das Recht, die Power-Release zu wiederholen."
Ich sprach mit Gerald darüber und er stimmte mir zu, daß Umbertos Power-Prozeß durch einen Rückfall aufgehoben war.
"Aber ich glaube nicht, daß er schon wieder nach England reisen kann", sagte ich.
"Gut, Euer Ehren. Ich werde ans Hill schreiben und fragen, ob sie mir erlauben, daß ich ihm helfe. Ich habe ja selbst dort zwei Jahre

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lang zum Grad V auditiert. Inzwischen versuchen Sie doch, ihn ein wenig aufzuheitern."
Später vertraute mir Umberto an, was mit seiner Ehe los war. Seine ersten Review-Sitzungen mit Gerald waren hilfreich gewesen. Aber er ärgerte sich, weil er zu immer neuen Kursen in die Agentur kommen mußte. Den Ehebruch seiner Frau, der zweifellos schon in England begonnen hatte, akzeptierte er. Ebenso war er mit der Scheidung einverstanden. Aber es störte ihn, daß sie sich Gerald zugewandt hatte. Der Besucher aus England hatte Umberto nie sehr imponiert. Doch Gerald war da, und ständig bot er ihm an, ihn gratis zu auditieren. Umberto wurde immer deutlicher, wie lächerlich die Situation war. Er konnte seine Bitterkeit nicht mehr länger verheimlichen.
Umberto war groß und aristokratisch schlank. Der rundliche Auditor Klasse VII war zwar auch nicht häßlich, aber neben dem blendenden MEST-Körper von Felicia wirkte er irgendwie unpassend.
Ich selbst nahm die kaum verhüllte Affäre zwischen den beiden hin. Vermutlich war es unter Scientologen ganz normal. Jedes andere Verhalten wäre eine Consideration gewesen. Und ich hatte angenommen, daß Umberto ähnlich dachte.
Aber jetzt begann ich, Umberto nicht ohne Mißtrauen anzusehen. Er war ein Grad V Power Release, und doch behauptete er, die Scientologie habe ihm nicht geholfen. Er hatte sich selbst geschadet, nur weil er sich über seine Frau und ihren Liebhaber ärgerte, obwohl er die ganze Zeit so tat, als sei ihm egal, was sie taten. Und darüber hinaus hatte er die Gratis-Sitzungen ausgeschlagen. Irgend etwas an ihm mußte von Grund auf falsch sein.
Vielleicht waren Rons Bulletins doch mehr als nur heiße Luft; vielleicht beschrieben sie die Tatsachen des Lebens. Gerald hatte mit Umberto schon einen S&D-Prozeß absolviert (= die Suche nach einer suppressiven Person in seiner Bekanntschaft); er konnte also keine "mögliche Quelle von Schwierigkeiten" sein. Doch wenn er selbst SP war? Umberto mochte wohl eine suppressive Person sein. Ich wollte nicht dogmatisch sein, aber ich mußte aufpassen - oder er würde mich verführen, ebenso negativ zu denken.
Aber Gerald hatte in seiner Vorlesung doch gesagt, daß die Menschen im Grunde gut seien. Umberto hatte nie versucht, mir auszureden, zum Saint Hill zu gehen, wie immer er selbst darüber urteilte. Vielleicht hatte er doch noch einen Rest von Glauben an die Scientology. Er hatte sich immer mit mir über meine Fortschritte gefreut, und - seltsamerweise - hatte er mehr als andere dazu beigetragen, daß ich mich der Bewegung angeschlossen hatte. Vor meiner ersten Sit-

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zung hatten seine vernünftigen und zuweilen pointierten äußerungen über die Scientology meinen ersten Eindruck korrigiert, alle Scientologen seien nur beschränkte Anhänger eines verrückten Kultes. Nein, Umberto war im Grunde gut. Er war mein Freund; und ich wollte seine augenblicklichen Schwierigkeiten einem ausgeprägt melancholischen Zug seines Wesens zuschreiben. Es gab immer noch Hoffnung für ihn, wenn er sich überreden ließ, die Vergangenheit zu vergessen und seine Sitzungen mit Gerald wieder aufzunehmen. - Allerdings: für eine vollkommene Heilung würde er wohl doch nach England zurück müssen.

Ich auditiere

Der Dianetic Clear verhält sich zum gewöhnlichen normalen Individuum, wie der gewöhnliche Normale zum Geisteskranken.
L. RON HUBBARD

Mein erster Preclear war ein alter Freund, der in dem Ruf stand, eine glückliche Ehe zu führen. Während ich den E-Meter aufstellte und die Formulare für den Prozeß "Direkter Draht zum ARC" vorbereitete, beichtete er mir, daß er seit einem Jahr eine Geliebte habe. Gegenwärtig versuche er, unter mehreren komplizierten Plänen einen auszuwählen, um seine Frau zu einer Scheidung zu überreden. Gerald hatte erwähnt, es könne unter Umständen großer Überredungskünste bedürfen, um einen PC dazu zu bringen, über gewisse Dinge zu sprechen. Dieser hier hatte seine Information freiwillig gegeben. Offenbar versetzte schon die Atmosphäre der Sitzung manche Preclears in Beichtstimmung.
Nachdem mir mein Freund sein Herz ausgeschüttet hatte, ging das Auditieren gut voran, und schon nach zwei Stunden hatte ich die drei schwebenden Nadeln. Ich bat Gerald herein, damit er den PC über Direkten Draht, Secondarien und Engramme prüfen konnte, was er tat, indem er ihn fragte, ob er in allen drei Punkten eine Release gehabt habe, wobei er auf den Meter schaute, um die Bestätigung zu erhalten.
Es gab auch weniger dankbare Typen. Ich verlor zwei verheiratete Frauen, weil sie sexuelle PTPs (aktuelle Probleme) hatten, über die sie sich nicht äußern mochten; außerdem ein Mädchen, das sich nicht von seinen Tranquillizern trennen wollte (PCs dürfen 48 Stunden

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vor einer Sitzung keine Drogen einnehmen, weil sich dadurch die Nadel festsetzt). Ein junger Mann, der innerhalb von 90 Minuten ein wichtiges Engramm erreicht hatte, sagte mir später, daß er vom vorhergehenden Abend noch völlig betrunken sei. Aber da sich seine Nadel völlig frei auf der Skala bewegt hatte, wertete ich ihn als Glücksfall und Dianetic Release. Ein anderer junger Mann zerbrach eine Lampe in Geralds Wohnung, kurz bevor die Sitzung begann; er hatte einen solchen ARC-Bruch entweder mit sich oder mit der Lampe, daß ich ihn nicht auditieren konnte.
Von diesen Ausnahmen abgesehen, war mein Auditieren erfolgreich, und ich genoß es sehr. Der letzte PC - eine Frau - war mein Meisterstück. Gerald hatte sie schon stundenlang bearbeitet. Aber ihre Stimmungslage war nicht gut, sie war deprimiert, sehr weit unten auf der Stimmungsskala. Er übergab sie mir, was ich als großes Kompliment empfand.
Sie war gerade dabei, ihren Mann zu verlassen. Obwohl sie ihre persönlichen Probleme nicht verschwieg, hatte sie erfolgreich vermieden, die wirkliche Quelle ihrer Sorgen anzugeben, ihre mit starker Spannung aufgeladenen Secondarien und Engramme. Gerald hatte vorausgesagt, sie würde eine schwer zu knackende Nuß sein. Ich solle sie nicht vom Haken lassen, auch wenn sie sich eine ganze Woche lang drehen und wenden würde. Sie hatte fast ständig eine nahezu schwebende Nadel, die allerdings schneller schwankte als sie sollte. Die Abstimmskala zeigte auf weniger als 2.0. Nach Geralds Worten bedeutete das, daß sie an mangelndem Verantwortungsbewußtsein litt. Ich sollte mich von der schwebenden Nadel nicht täuschen lassen und sie weiter auditieren, bis der Abstimm-Knopf eine bessere Stimmungslage anzeigte.
Ich behandelte mit ihr eine Kette von ehelichen Secondarien. Sie sprach über weiter zurückliegende Vorfälle in ihrem Leben, um die gefährliche Spannung auf der Zeit-Spur ihres gegenwärtigen Lebens nicht berühren zu müssen. Ich brachte sie dazu, sich mit dem letzten heftigen Streit mit ihrem Mann zu beschäftigen, und behandelte diesen Vorfall immer wieder von neuem. Sie versicherte mir, sie habe kein wichtiges sexuelles Detail ausgelassen. Während ich im Verlauf des Prozesses auf sie einhämmerte, verlief ihre Stimmungskurve in weiten Abständen nach oben und nach unten. Wenn sie im unteren Bereich der Skala war, weinte sie.
Endlich - ein großer Teil des dritten Abends war schon vorbei - konnten wir ihren Widerstand brechen. Wir stießen zu einem Grund-Engramm durch. Es handelte sich um ein Ereignis, als sie noch ein Säugling war. In einer Klinik lag sie im Bett neben ihrer

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Mutter, die vor Schmerzen schrie. Nach mehrfachen Wiederholungen hatte sie eine gute Anzeige und ich eine weitere Dianetic-Release. Gerald überprüfte sie. Innerhalb der letzten Sitzung war ihre Ablese von unter zwei auf vier angestiegen und verweilte jetzt zwischen zwei und drei. Er gratulierte mir und nannte mich einen großen Auditor. Ich war stolz und froh.
Die Tonbänder, die Bulletins, Geralds Vorlesungen, sogar selbst auditiert zu werden - das alles war nichts im Vergleich zu der Erfahrung, selbst richtige PCs zu auditieren. Es hatte mir ein Gefühl der Güte und der Macht gegeben, wenn ich einem Preclear meine Fragen stellen durfte, wenn ich seine innersten Geheimnisse anhörte und die Vorgänge auf dem Meter kontrollierte. Vor allem mein letzter Fall. Das Mädchen hatte mir zugetraut, daß ich sie über die Klippen ihrer Gefühle hinwegführen könnte. Dabei hatte ich selbst doch kaum das Nötigste gelernt, um sie zu auditieren.
Die ganze Situation war einfach unwiderstehlich!
Gerald hatte gesagt, was wirkliches Wissen betreffe, seien die meisten Leute mehr als tot. Wie wahr! Indem ich andere Menschen auditierte, hatte ich das Leben aus einer neuen Perspektive kennengelernt. Die Stimmung in der Agentur war fröhlich und pulsierend, die Welt draußen voller Hoffnungslosigkeit: Was hatten die meisten Menschen schon, das ihnen Hoffnung machen konnte?

Eine Party unter Scientologen

Auch nachdem ich den Kurs bestanden hatte, war ich bei Felicia und Gerald willkommen. Abends besuchte ich sie oft, um mit ihnen zu plaudern, und wenn die Kurse stattfanden, blieb ich, bis die Schüler gegangen waren. Die beiden schienen sich über meine Gesellschaft genau so zu freuen, wie über meine Fortschritte im Kurs. Gerald hörte mir gern beim Klavierspielen zu, er ließ mich nie aus dem Haus, ohne daß ich ihm einige seiner Lieblingsstücke vorgespielt hatte - und zwar zweimal. Ich hatte nie den Eindruck, daß diese Zuneigung nur auf meiner Mitgliedschaft in der Scientology-Bewegung beruhte.
Da ich der erste Schüler ihrer Agentur gewesen war, der den Kurs abgeschlossen hatte, gab Gerald mir zu Ehren eine Party, woran etwa dreißig Leute teilnahmen. Nachdem alle mit Essen und Trinken versorgt waren, verkündete Gerald, daß ich bestanden hatte, und überreichte mir eine eindrucksvolle blaue Urkunde. Dann wurde -

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wie man mir vorher gesagt hatte - von mir erwartet, daß ich eine kurze Rede hielt, in der ich den Kurs und meine Fortschritte preisen sollte. Es waren auch einige Leute von der New York Org anwesend, und da gewisse Spannungen zwischen Org und Zweigstelle bestanden, hatte ich das Gefühl, unter genauer Beobachtung zu stehen.
Die Scientologen von der Org trugen ihre TRs überall mit sich herum wie Waffen. Das machte das Gespräch mit ihnen mühsam: Ihre Augen wichen nie von denen ihres Gesprächspartners, und sie "bestätigten" alles, was man ihnen sagte, mit einem abrupten "Danke" oder "Fein", das sie einem ins Gesicht klatschten wie eine nasse Makrele. Einer von ihnen, der eine Lederjacke trug, war mir besonders zuwider. Geradezu strotzend vor TRs fragte er mich, wann ich nach England fahren würde. Sobald ich das Geld hätte, antwortete ich. "Sie müssen das Geld nur postulieren, und Sie reisen früher als Sie denken", sagte er, womit er mir eine starke Dosis TR 0 verabreichte; denn nicht genug Geld für das Auditieren zu haben, galt als besonders schwerwiegender Fehler.
Von der Angewohnheit abgesehen, einem dauernd in die Augen zu starren, fiel an den Org-Mitgliedern am meisten auf, wie sie sprachen. Genau genommen hatten sie einen eigenen Dialekt, der immer dann, wenn er für sie besonders bedeutsam klang, auf Nicht-Eingeweihte wie purer Schwachsinn wirkte. Natürlich würzten sie ihre Sprache großzügig mit Hubbards Terminologie, die mit der Ausnahme weniger Begriffe aus Kunstwörtern bestand. Diese Wörter bezogen sich dann auf das Auditieren, den reaktiven Geist usw. Andere, nicht technisch gebrauchte Vokabeln waren mit mystischem Tiefsinn befrachtet: ganz alltägliche Wörter wie "handhaben", "Absicht", "fließen". Verben wurden zu Substantiven gemacht und umgekehrt, Adjektive in Verben oder Substantive verwandelt, zum Beispiel "clear", das in jeder dieser drei Wortarten gebraucht wurde. In diesem Idiom wurde auch den Präpositionen übel mitgespielt, besonders "in" und "out": die Rangstufen, die Ethik, die Postulate eines Scientologen waren entweder "in" oder "out" (= je nachdem, ob sie in Ordnung waren oder nicht). Dieser Sprachgebrauch, zusammen mit Dutzenden von Abkürzungen (ARC, TR, SP etc) führten zu einer Hubbardisierung der englischen Sprache. Außerdem gab es gelegentlich Spuren der Jazz-Musiker-Sprache, der Idiome von der Madison Avenue und aus Gebetsversammlungen, Armee-Slang und Geschäftsjargon, je nachdem, welchen Hintergrund der Einzelne hatte. Insgesamt klang Scientologisch wie ein eigener Dialekt. Wie die Papageien plapperten die Org-Mitglieder nach, was sie von Hubbards Bulletins und Tonbändern gelernt hatten.

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Die Leute, die ich an jenem Abend in der Agentur traf, waren nicht unbedingt humorlos, obwohl selbst ihre Scherze einen Hintersinn hatten. Sie zogen sich ständig gegenseitig auf, vermutlich, um die überspannte Atmosphäre in der Org auszugleichen. Zuweilen war ihr Lachen geradezu hysterisch, vor allem bei Wortspielen mit Scientology-Begriffen.
Nachdem ich sie eine Weile beobachtet hatte, suchte ich in Geralds Gesellschaft Zuflucht. Während die Party weiterging, standen wir draußen auf der Terrasse und philosophierten.
"Weißt du, Euer Ehren" - er sagte Du zu mir - "ein Clear und ein OT zu sein ist nicht immer leicht. Zuweilen ist mir, als hätte ich kaum Freunde. Dann komme ich mir sehr einsam vor. Bei meiner Erfahrung im Trainieren und Auditieren durchschaue ich die Menschen sofort. Ich habe niemanden, mit dem ich die Sublimitäten des wahren Seins oder die Schönheit ästhetischer Vibrationen diskutieren könnte."
Ich bemitleidete ihn ein wenig. Auch fragte ich mich, ob dies das Wissen und die Erleuchtung war, die ich suchte. "Sei unbesorgt", antwortete ich, "wenn ich aus England zurückkomme, als Clear oder als OT, dann sind wir schon zu zweit!"
Der Entschluß war gefallen.

Im inneren Kreis

Um dem Leser das Verständnis zu erleichtern, will ich jetzt versuchen, möglichst logisch darzustellen, wie unlogisch sich meine Gedanken damals entwickelten. Allerdings kann ich nicht mehr rekonstruieren, wann genau ich mich entschlossen habe, nach England zu gehen, um ein Clear zu werden.
Dieser Entschluß war im Wesentlichen von meiner Überzeugung beeinflußt, es gebe eine schnelle und leichte Lösung aller Probleme. Deshalb unterdrückte ich alle meine Zweifel, sowohl an den Methoden als auch an den Menschen, die diese Methode anwendeten. Was ich über den Scientology-Kult gesehen und gehört hatte, war mehr als genug, um meine Zweifel zu wecken. Maurice und die Org-Leute waren das Produkt der Scientology; ebenso die gescheiterten Freundschaften und Ehen der Scientologen. Hinzu kamen Umbertos abschreckende Schilderung vom Saint Hill, die irritierenden Bulletins, die seltsamen Behauptungen der Scientologen: das alles vermittelte den Eindruck, daß etwas Unerklärliches vor sich ging, und ließ

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Hubbards Ideen-Gebräu als eine unheimliche Mischung aus unheilvollen und lächerlichen Bestandteilen erscheinen. Doch eine Vielzahl äußerer Einflüsse führte dazu, daß ich diese negativen Eindrücke unterdrückte und zu dem Entschluß kam, Tausende von Dollar aufzuwenden - meine gesamten Ersparnisse -, um den Hauptgewinn zu machen.
Kleinere Zweifelsfragen wurden von Gerald Tiber schnell ausgeräumt. Zu Felicia oder Gerald konnte ich nie Nein sagen. Wenn ich schon einmal Gegenargumente brachte, hatte Gerald meine Ansichten bestätigt, so daß ich bald Auseinandersetzungen vermied; sie waren doch nur Zeitverschwendung. Ich bewunderte Gerald, und in einem wichtigen Punkt wollte ich sein wie er: er machte sich niemals Sorgen. Er hatte mir suggeriert, durch den Clear-Prozeß könne ich werden wie er. Abgesehen davon, daß er Rons Auditier-Methoden gut hieß, war Gerald von der Scientology nicht sonderlich begeistert. Für einen Eingeweihten war seine Haltung ziemlich unkonventionell. Nach seiner Meinung konnte die Erleuchtung ohne große Mühe erreicht werden. Und ihre Frucht bestand im wesentlichen darin, daß man die Freuden des Lebens noch mehr genießen konnte. Außerdem hielt ich ihn für einen mutigen und entschlußkräftigen Mann. Das mußte er sein, wenn er Jahre im Saint Hill verbracht hatte, wenn er von der Scientology bekommen hatte, was er wollte, und das alles unverletzt überstanden hatte. Gerald hatte mich zweifellos am meisten beeinflußt. Seit seiner Ankunft in New York hatten sich mir völlig neue Perspektiven eröffnet.
Doch wenn ich den entscheidenden Augenblick nennen sollte, an dem ich den Entschluß faßte, ein Clear zu werden, dann wäre das genaueste Datum irgendwann im Jahr 1950. Jeder, der damals das Buch über Dianetic gelesen hatte und von der Idee des Clearens genügend angetan war, um Engramme zu absolvieren - so wie ich - der durfte als leichte Beute für Hubbards neuestes Scientology-Schema gelten. Deshalb muß ich zugeben, daß ich bei allen äußeren Einflüssen, bei aller Indoktrination durch Gerald, letzten Endes doch meinen eigenen Entschluß gefaßt habe. Zu gegebener Zeit erstickte ich selbst jeden mir verbliebenen Zweifel.
Seltsamerweise war es nicht ein unerschütterlicher Glaube an die Scientology, der mich dazu befähigte. Irgendwie war es mir gelungen, eine saubere Trennwand zwischen den Aspekten zu errichten, die mich anzogen, und denen, die mich abstießen; zwischen den Auditionsmethoden und den übrigen Dingen, die die Org hervorbrachte. Nicht ein Glaube an den komplexen Gesamtzusammenhang der Scientology leitete mich, sondern allein die Überzeugung vom

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Wert des Auditierens und des Clear-Werdens.
Da ich von der Scientology als ganzem nicht überzeugt war, muß meine Vision des Clear-Status außerordentlich überzeugend gewesen sein. Sie bedeutete die Erfüllung aller Hoffnungen und die Befreiung von allem, dem ich abgeneigt war. Der innere Fortschritt, den ich der Scientology zu verdanken glaubte, beruhte völlig auf diesen Zukunftshoffnungen. Die Abneigungen waren mir zumeist erst durch die Scientology vermittelt worden, vor allem die Furcht, den gewonnenen Fortschritt wieder zu verspielen und in das alte Leben der mich umgebenden Welt zurückzufallen: in die Welt des reaktiven Geistes. So glich meine Vision des Clearens und die Art und Weise, wie sie zustande gekommen war, dem Verhalten des Rauschgiftsüchtigen, der - bewußt oder unbewußt - zuweilen daran zurückdenkt, wie beklagenswert sein Leben war, bevor er Drogen nahm. Ich sah mein früheres Leben völlig vom reaktiven Geist beherrscht. Meine Stimmungen waren von allem möglichen beeinflußt worden: vom Wetter, von der Umgebung und den Leuten. Ein Mensch mit einem reaktiven Geist war wie eine Feder im Wind.
Wovon ich mich sonst an Störendem zu befreien suchte, hing hauptsächlich mit der Scientology selbst zusammen: mit dem, was mich an ihr zweifeln ließ. In einer verqueren Logik wollte ich alles, was mir an ihr widerwärtig war, überwinden, indem ich sie noch mehr praktizierte: Ich mußte ein Clear werden, um meine Lebensprobleme zu lösen, um künftigen Entziehungssymptomen zu entgehen und mich von der Scientology zu befreien. Wenn die unteren Stufen einer Rauschgiftsucht vergleichbar waren, dann war der Clear-Prozeß das endgültige Fixen!

Das Leben draußen

Es war tatsächlich nicht Mangel an Geld, was mich dazu brachte, die Reise nach England aufzuschieben, nachdem ich den Dianetic-Kurs Anfang 1968 abgeschlossen hatte. Vielmehr hatte ich sehr viel Geld in Aktien gesteckt, die im April stark steigen sollten, wodurch sich mein investiertes Geld verdoppelt oder verdreifacht hätte. Wenige Wochen später hieß es, die Hausse käme erst im Sommer. Ich beschloß, die Aktien zu behalten. Der letzte Tip lautete, daß sich ihr Wert um das acht- oder neunfache vermehren konnte, während ich in England war. Ich überlegte mir stundenlang, wie ich Bank-Darlehen zurückzahlen konnte, und welche Manöver ich mit meinen

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anderen Aktien durchführen mußte, von denen viele auf Darlehen gekauft waren. Der "Geld-Prozeß" hatte mich zu einem wahren Finanzgenie gemacht. Schließlich ließ ich meine Investitionen intakt, indem ich mir von meinem Vater Geld borgte. Eine Musical-Produktion bot mir für Juli und August eine Japan-Reise an, doch ich lehnte das Angebot ab und buchte für den 11. Mai 1968 einen Flug nach London.
In den letzten Wochen vor meiner Abreise sprach ich viele Leute an, damit sie sich in der Agentur auditieren ließen. Besonders war ich bemüht, diejenigen unter meinen Freunden zu bekehren, die in psychiatrischer Behandlung waren. Viele ließen sich schon seit Jahren analysieren, was mir als große Verschwendung an Zeit und Geld erschien. Einige, die ich zur Dianetic-Release auditiert hatte, waren interessiert, hatten aber kein Geld. Gerald war ständig hinter mir her, damit ich sie zur Unterschrift überredete. Doch sie kamen nicht - ebenso wie keiner meiner Freunde seinen Psychiater verließ. Das war bedauerlich; denn ich hätte zehn Prozent Kommission auf alle Zahlungen erhalten, die sie an die Agentur geleistet hätten.
Einer meiner Dianetic-Schüler hielt die Scientology für nicht so bedeutend, wie die Philosophie des Fernen Ostens. Ich las ihm Passagen aus Rons Schriften vor, in denen Yoga und andere orientalische Praktiken verdammt wurden. Die Schwäche eines anderen waren seine bisexuellen Neigungen; er hatte den Wunsch, sich dem anderen Geschlecht zuzuwenden. Ich versuchte ihn davon zu überzeugen, daß die Scientology ihm diesen Dienst erweisen könne. Gerald hatte betont, daß solche Erfolge durchaus möglich seien. Tatsächlich seien einige Personen nach dem Clear-Prozeß homosexuell geworden, woran man sehen könne, wie sehr man als Clear zur freien Selbstbestimmung komme.
"Deine Sexualität ist nur eine Erscheinungsform, wenn du sie nicht als dein wahres Selbst postulierst", erklärte ich meinem Freund. In seinem Buch "In Fundamentals of Thought" behandelt Ron die Erscheinungsformen, Bedingungen, die real erscheinen, ohne es zu sein. Zum Beispiel glauben die meisten Leute, daß ein Ding geschaffen wird, einige Zeit besteht und schließlich wieder zerfällt. Das Gegenteil ist wahr! Ron sagt, du erschaffst es, dann erschaffst, erschaffst du es - das entspricht dem zeitweiligen Bestehen - und dann erschaffst du etwas Entgegengesetztes. Das ist doch wirklich ein Gedanke, der sympathischer ist als der Begriff der Zerstörung! "Zerstörung ist nichts als eine Form des Erschaffens - das Wort, so wie es allgemein gebraucht wird, ist nichts als eine Erscheinungsform!"

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Das war einer der wenigen Gedankengänge von Hubbard, die ich noch im Kopf hatte. Ich las nur selten in seinen Büchern. Soweit sie empfohlen wurden, weil sie den Samen der Scientology ausbreiten sollten, gingen sie so weit über meinen Horizont, daß sie mir von einem ganz anderen Thema zu handeln schienen. Das Buch "Scientology 8-8088" enthielt eine Reihe von Fachausdrücken, die ich vorher nie gehört hatte: Grate, Pressoren, Zug-Balken, Implosionen. An einer Stelle wurde eine "Fünfte Invasionsstreitmacht" erwähnt. Ich blätterte das ganze Buch durch, aber der Ausdruck kam nirgends mehr vor.
Manche Leute wollten von der Scientology nichts wissen. Trotzdem konnte ich mich nicht entschließen, sie als suppressiv zu betrachten. Die Streitgespräche mit ihnen machten mir eher Spaß, und ihr Widerstand diente lediglich dazu, meinen Glauben zu stärken. Zu dieser Kategorie gehörte Vreymouth Manteag; er war Mitglied im "Werk-Kreis", einer Gruppe, die in den Lehren von George Gurdjieff, einem transkaukasischen Mystiker, geistige Erleuchtung suchte.
"Ich weiß einiges über die Scientology", sagte er. "Letzten Winter sind einige aus unserem Kreis in ein Haus gegangen, um sich zu informieren; es gehörte einem Mitglied, und die Gastgeberin hatte vier Leute aus der Org eingeladen. Sie waren ziemlich fanatisch. Wir haben ihnen einige direkte Fragen gestellt und mußten feststellen, daß die Leute ständig ausweichen. Sie prahlten mit ihren Fortschritten, konnten uns aber nicht erklären, was sie davon hatten. Die Gastgeberin behauptete, durch das Auditieren habe sie jede Streitsucht verloren, sie könne sich einfach nicht mehr ärgern! Daraufhin ging mein Freund - der die Muskeln eines Kanalarbeiters hat - schnell durch den Raum und schlug ihr zu ihrer Verblüffung fachmännisch die Linke voll ins Gesicht. 'Sind Sie jetzt wütend?' rief er. Ihr Auge tränte, ihr Gesicht war rot angelaufen. 'Ja, ich bin wütend. Aber nur weil ich es sein will, da es der Situation entspricht. In anderen Worten: ich postuliere Wut!'"
Allen Ottoman, einer meiner Freunde, der schon das Dianetic-Training abgelehnt hatte, antwortete sehr direkt. Er ließ sich gerade analysieren, weshalb er Vorurteile hatte. "Könntest du mir bitte erklären, wie du diese Wunder vollbringst", sagte er, "ehrlich gesagt, ich verstehe kein Wort."
"Es gibt Dinge, die du einfach erleben mußt", antwortete ich. "Die Auditionsprozesse helfen dir, die überholten Ansichten loszuwerden, die nicht das Produkt deines eigenen freien Willens sind: Du hast sie infolge von schrecklichen Vorfällen in deinen früheren Existenzen erworben."

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"Frühere Existenzen? Hör mir damit auf. An solchen Kram glaube ich nicht."
"Das macht mir ganz deutlich, daß es in deiner grauen Vergangenheit Dinge gibt, mit denen du nicht konfrontiert werden willst. Auf deiner Zeit-Spur sind mörderische Engramme und selbst 20 Jahre Analyse durch Freud selbst könnten sie nicht ausradieren."
"Radieren? So was gibt es doch nicht!"
"Die Psychiater freuen sich, wenn du so denkst. In Wirklichkeit kann das in wenigen Stunden passieren."
"Das ist der größte Witz, den ich je gehört habe. Die spielen Fußball mit dem Verstand der Leute."
"Siehst du Allen, du willst alles genau wissen. Ron sagt, es sei ebenso wichtig, daß man die Fähigkeit hat, nicht zu wissen. Du gehst zu deinem Psychiater und wälzt dich auf der Couch herum. Dann sind die fünfzig Minuten vorbei und nichts ist gelöst. Er läßt dich weiter am Angelhaken baumeln. Du kannst nach Hause gehen und dich noch ein wenig mehr in deinen Problemen suhlen, bis zum nächsten Besuch beim Psychiater. Der Kerl restimuliert dich nur; er steckt die Drähte um - jetzt bist du ganz in sie eingewickelt." Ich bewegte meine Arme, als sei eine gigantische Anakonda um mich gewickelt.
Es war nicht so, als ob ich Leute wie Allen und Vreymouth nicht verstanden hätte. Auch ich selbst hatte einmal die Scientology infrage gestellt.

Umberto Lancia kam nicht in die Agentur zurück. Gerald hatte vom Saint Hill die Erlaubnis erhalten, den Power-Prozeß zu wiederholen. Das war auch geschehen, wieder ohne Erfolg. Ich machte einen letzten Rettungsversuch, genau nach Werbe-Vorschrift, und legte ihm dar, daß die Scientology wie ein Spiel war. Ihre scheinbaren Schwächen gehörten notwendigerweise dazu, und auf lange Sicht seien sie eine Wohltat für den Spieler - wie im Leben selbst. Seine Antwort bestand in einer wütenden Kritik an seiner Frau: Felicias Clear-Status habe sie nicht verändert, sie habe immer noch Probleme, sie hänge sich an Gerald, wie an eine Vaterfigur, sie sei unfähig, allein mit der Welt fertig zu werden, und verlasse kaum noch die Wohnung.
Dann stürzte er sich in einen neuen Monolog über Gerald, was hinreichend erklärte, warum die Wiederholungssitzungen ohne Ergebnis geblieben waren. Nach seinen Worten war Gerald ein unwissender Scientologe. Er spreche Worte falsch aus, obwohl er den Anschein erwecken wolle, daß er gebildet sei. Er spiele den Engländer aus guter Familie, dabei sei er aus Dublin, seine Eltern stammten aus

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Ost-Europa. Er esse zuviel und sei Kettenraucher. Er rede über ästhetik und geistige Fragen, obwohl er von Kunst und Philosophie nichts verstehe. Seine Manieren seien zwar ölig und einschmeichelnd, aber damit verschleiere er nur seine wahren Absichten: soviel Geld wie möglich in die Hände zu bekommen. Zu guter Letzt setze Gerald gewöhnlich den Doktortitel vor seinen Namen. Wenn er sich als Dr. Tiber vorstelle, nehme jeder an, er habe an einer richtigen Universität promoviert. In Wirklichkeit sei er aber nur ein Doktor der Scientology, und diesen Titel habe er mit einigen Quacksalber-Kursen im Saint Hill erworben. Das war in Umbertos Augen der Gipfel der Lächerlichkeit. Der richtige Titel für Gerald laute "Scharlatan". Zu jener Zeit war ich mir der Rolle kaum bewußt, die Gerald in meinem Leben spielte. Darum verteidigte ich ihn, wobei ich auf Umbertos besonderen Anklagepunkt einging. Ich mußte zugeben, daß er im Prinzip Recht hatte, aber - so hielt ich ihm entgegen - er übersehe die andere, die positivere Seite. Er suche nach den "Dornen statt nach Rosenknospen", wie Gerald selbst es genannt hätte. Ich betrachtete Geralds Maniriertheiten als amüsant und kinderleicht zu durchschauen, deshalb ließ ich sie mir gefallen. Gerald war, von Felicia abgesehen, isoliert. Er brauchte Freunde. Er mußte den ganzen Tag über PCs auditieren, Vorlesungen halten, sich ständig verausgaben. Dadurch hatte er sich eine automatische Etikette zugelegt, ähnlich dem Verhalten eines Arztes gegenüber dem Patienten am Krankenbett. Unter dieser Tünche war er großzügig, angenehm und hilfsbereit. Er hatte viel für mich getan, vielleicht mehr als sonst jemand vorher. Ich sagte zu Umberto, wenn Gerald ein Scharlatan sei, dann nur im besten Sinne des Wortes.
Ich wollte Umberto zu der Einsicht bringen, daß er diese Withholds um seiner selbst willen ausschwitzen müsse. Er müsse die Wiederholungssitzungen wieder aufnehmen, solange wie Gerald sie anordne. Außerdem müsse er wegen Felicia den Realitäten Rechnung tragen. In den Dianetic-Vorlesungen hatte ich gelernt, daß hinter seiner Feindseligkeit seine eigenen Overts lagen. Felicia war nicht allein schuldig. Er mußte auch selbst einiges verschuldet haben. Ich suchte nach den Overts, die er begangen hatte, und denen er sich nicht stellen wollte. Indem er ihr alle Schuld zuschob, wollte er seinem eigenen Versagen ausweichen. Ich fragte ihn geradeheraus nach seinen Overts ("Was hast du getan?") und ließ nicht von ihm ab, weil ich sicher war, auf der richtigen Spur zu sein. Aber er konnte sich nicht überwinden, die Angelegenheit von beiden Seiten zu sehen. Letzten Endes schob er doch Felicia alle Schuld zu.

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Ich aß mit Fives Brooks zu Abend, einem Musiker, mit dem ich auf einer Konzertreise zusammen gewesen war. Er war kürzlich der New York Org beigetreten und kratzte jetzt gerade alles Geld zusammen, um irgendwann nach England zu fliegen. Fives hatte während seiner Einführung in die Scientology starke Krisen durchgemacht, Auseinandersetzungen mit der Ethik-Auditorin und tränenreichen Wanderungen durch den Central Park um vier Uhr in der Nacht unter heftigen Selbstanklagen. Seine Fortschritte hatten die Eigenschaft, so schnell wieder zu verschwinden, wie sie gekommen waren, und es gab einen SP, von dem er sich trennen mußte. Irgendwie hatte er seine unteren Grade geschafft, und er war nun davon überzeugt, daß die Scientology die einzige Hoffnung der Menschheit sei.
Das Abendessen mit Fives war eine ziemlich ungemütliche Affaire. Seine Augen ließen meine nicht aus dem Blick. Ich hatte Schwierigkeiten, anständig zu essen, und spritzte süßsaure Soße auf das Tischtuch. Fives bestätigte jedes meiner Worte mit großem Nachdruck und erwartete von mir das gleiche Verhalten. Wenn er von mir keine Bestätigung erhielt, sagte er: "Ist das O.k.?" oder "Habe ich deine Zustimmung?" Die ganze Zeit starrte er mir in die Augen, wobei er ständig lächelte, was ihn ein wenig verängstigt aussehen ließ. Ich konnte es kaum erwarten, bis wir uns endlich voneinander verabschieden und in entgegengesetzte Richtungen verschwinden konnten.
Leute wie Fives bestätigten nur, was ich ohnehin wußte: daß mich Welten von den Org-Mitgliedern trennten. Sie mußten den Autoritäten folgen und vorgeben, auch den ausgefallensten Unsinn zu glauben! Ich dagegen konnte das Spiel nach meinen Regeln spielen, so wie Gerald. Ich hatte das Geld, das ich brauchte, und notfalls konnte ich Aktien verkaufen, wenn ich mehr brauchte. Aber die armen Trottel in der Org mußten sich immer weiter versklaven. Ihnen blieb nur die Hoffnung, genug Geld zusammenzusparen, um den Clear-Prozeß absolvieren zu können.
Wie verlief mein Leben vom April 1967 bis zum Mai 1968, also in der Zeit, als ich an den Sitzungen teilnahm, den Kurs besuchte, auf Felicias Rückkehr von England wartete, und in den Wochen vor meiner eigenen Abreise?
Offensichtlich war ich glücklich. Glücklich genug, um mich wünschen zu lassen, meine Fortschritte mit anderen zu teilen. In geistiger und physischer Hinsicht fühlte ich mich besser als je zuvor. Ich machte mir nicht die Mühe nach Arbeit zu suchen; denn ich hatte genug Vermögen. Nach meinem Konzertabend übte ich kaum noch auf

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dem Klavier. Die wenigen Konzertagenten, die sich um mich gekümmert hatten, schrien nicht gerade nach weiteren Konzerten mit mir. Später dachte ich mir, es wäre Unsinn und ein Zeichen für reaktiven Geist, mich erneut ihren Launen zu unterwerfen, bevor ich ein Clear war. Meine übrigen geistigen Interessen, wie Zen und andere Meditationsübungen, hatte ich nach dem Anhören der ersten Hubbard-Tonbänder als vorsintflutlich aufgegeben. Sport zu treiben war ebenfalls nicht nötig, während man seine seelischen Kräfte erweiterte. Das Schönste war, ich hatte auch nichts mehr mit meinem früheren, ziemlich beschwerlichen Innenleben zu tun: mich ständig zu analysieren und mein Denken zu überprüfen. Ich war überzeugt, daß die Lektion, die ich so gut gelernt hatte - der Trieb zu denken, zu durchdringen und zu verstehen sei nur ein Mechanismus des reaktiven Geistes - daß diese Lektion mich frei machte und meine wahren Fähigkeiten in wunderbarer Weise ans Tageslicht brachte. Ich begann ein Buch über das Lehren und Lernen des Klavierspielens zu schreiben. Einige meiner Vorschläge darin stammten von Ron - so ARG und die Stimmungsskala. Unbewußt äffte ich seinen Stil nach, wenn ich die altmodischen Methoden geißelte. Ich fühlte, daß ich das Buch Ron verdanke, und hatte die Absicht, es ihm zu widmen.

Ein Abend in der Agentur

Das ist klar: Ein Thetan kann alles, wie ein Zauberer, der auf der Bühne Gegenstände hin und her bewegt.
L. RON HUBBARD

Am Abend vor meiner Abreise unterhielten wir uns stundenlang. Gerald schlug vor, ich solle in seiner Agentur mitarbeiten, wenn ich von England zurückgekehrt sei. Dazu brauche ich nur den speziellen Kurs, in dem man lerne, "worum es in der Scientology insgesamt ging". Der Kurs dauerte sechs Monate und kostete 800 Dollar. Doch dieser Aufwand lohne sich, meinte Gerald, dadurch habe ich neben der Musik noch einen anderen Beruf, auf den ich zurückgreifen könne.
Wir kamen immer mehr ins Schwärmen. Die Möglichkeiten schienen unbegrenzt: wir konnten Zweigstellen in der Schweiz oder im Mittelmeergebiet errichten, oder beides, wir konnten eine griechische Insel kaufen und dort ein "Internationales Kultur-Zentrum" aufbauen. Dazu müßten wir aber einen besseren Namen als "Sciento-

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logy" erfinden.
Wie bei allen Agenturen würde man auch von uns eine zehnprozentige Abgabe an den Saint Hill erwarten. Ich fragte Gerald, was damit und mit den übrigen Einnahmen der Scientology-Bewegung geschehe. Er antwortete, seiner Meinung nach würden mit dem Geld Forschungen finanziert, ferner neue Orgs sowie das umfangreiche Werbe-Material. Alles was dann übrig bleibe, gehe vermutlich an L. Ron Hubbard selbst.
Hubbard lebte auf einer großen Jacht, deren Aufenthaltsort streng geheim war. Sie gehörte zu den beiden Schiffen, die den Anfang einer Scientology-Flotte bildeten. Die Jacht war das Hauptquartier der "See Org", dem Mittelpunkt der gesamten Scientology-Bewegung. Der See Org-Stab sandte seine Mitglieder auf Inspektionsreisen zu den verschiedenen nachgeordneten Organisationen überall auf der Welt. Abgeschirmt auf seinem Schiff, und beschützt von den ihm ergebenen Mitgliedern seiner Mannschaft war Hubbard zu jener Zeit damit beschäftigt, die OT-Stufen VII und VIII zu entwickeln. Sie sollten der Gipfelpunkt der Scientology-Bewegung werden. Die neuen Stufen wurden mit großer Ungeduld erwartet, da sie ihre Inhaber zu totalen OTs machen sollten, denen nichts mehr unmöglich sein würde, die Erschaffung von Materie eingeschlossen.
Wir spekulierten über die geistige Bedeutung der oberen OT-Stufen, da wir über ihren Effekt ein wenig im Zweifel waren. Macht hatte nie zu meinen geistigen Zielen gehört und Gerald sagte, er denke genauso. Felicia warf die Frage auf, ob Ron vielleicht in besonderer Weise machtbesessen wäre.
"Er ist ein Egozentriker, nicht wahr?" fragte ich.
Gerald lächelte gut gelaunt. "Das kann ich bezeugen. Aber im Hinblick auf das, was er für die ganze Welt getan hat, kann er sich das auch erlauben. Übrigens, ich habe schon ein paar Bier mit ihm getrunken, und er ist wirklich ein netter Kerl. Wie auch immer, Hoheit, du wirst als erleuchteter Mann zu uns zurückkommen. Wirst du auch deine alten Freunde nicht vergessen, Sir, wenn du ein Clear bist? Du weißt ja: 'Ein Clear hat das Vermögen, sich an alles zu erinnern!'"
"Werde ich mich auch daran erinnern, wie ich in den gegenwärtigen Status des Nicht-Erleuchtet-Seins verfallen bin?"
"Du wirst erleuchtet sein, was willst du denn sonst noch wissen? Ehe ich zur Scientology kam, trug ich eine Brille mit zentimeterdicken Gläsern (ein Flugzeugpilot hätte ihn jetzt um seine Augen beneidet). Während des Grad V-Prozesses ließ ich mir schwächere verschreiben und zum Schluß konnte ich das blöde Ding weg-

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schmeißen."
"Mir ging es ähnlich", fügte Felicia hinzu. "Die Optiker in East Grinstead sind froh, das Hubbard-College in ihrer Nachbarschaft zu haben; die Schüler brauchen ständig schwächere Brillengläser."
Sie bereiteten mich genügend auf Saint Hill in England vor. Wenn ich schon die New York Org für einen Affenkäfig halte, solle ich erst einmal warten, bis ich den Hill sähe! Er sei nicht nur die Brutstätte für Fanatiker, sondern zugleich die Szene eines Machtkampfes innerhalb der Elite der Scientologen.
Gerald hatte einige bizarre Vorgänge miterlebt. Seine Frau hatte ihn einmal zur suppressiven Person erklärt, weil er zwei Tage lang Verstopfung gehabt hatte. Und eines Tages hatte ihn ihr Liebhaber im Eingang des eigenen Hauses niedergeschlagen. Kurz darauf und wenige Tage, bevor er Felicia kennenlernte, war er tagelang im Keller des Schlosses eingesperrt worden. Es war eine Art Behelfsschloß, das Hubbard hatte errichten lassen, weil die britischen Baugesetze zu jener Zeit (in den fünfziger Jahren) Ausländern nur erlaubten, ein Schloß zu bauen.
"Es geht dort drüben wirklich verrückt zu", fuhr Gerald fort. "Nimm zum Beispiel diesen Brief hier, den ich heute bekam. Er ist von einem meiner besten Freunde, mußt du wissen: 'Ich ordne an, daß du diese Statistik sofort zusammenstellst (Statistiken bedeuten ihnen alles); schick mir einen genauen Bericht über alles, was in dieser Hinsicht unternommen wurde; fang sofort an; du weißt, ich kann dich zu einer Strafe verurteilen.' - Sie haben tatsächlich strenge Strafbestimmungen, Bob, und das gibt ihnen die Möglichkeit, sich aufzuspielen."
Gerald beschwor mich, ich solle mich nicht überreden lassen, Mitglied des Stabes vom Saint Hill zu werden. Die Organisation sei letzten Endes nichts weiter als ein von Ron hastig eingerichtetes Instrument, um möglichst schnell mit seinen Methoden arbeiten zu können. Ich habe das Geld, um nach England zu gehen und das Goldene Vließ zu erobern, ohne mich allzu sehr mit der verrückten Organisation einzulassen. Ich solle dort drüben meine Zunge hüten; der Kampf werde hart aber lohnend sein. Ich solle nichts weiter tun als ihr Spiel zeitweilig mitmachen.
Das war Geralds Version der Fehler, Schwächen und Absurditäten der Organisation im Saint Hill. Er legte mir nahe, daß ich mich zum Schluß "aus der Sache herausreden" müsse. Pflichtschuldig trug ich für September in meinen Terminkalender ein: "Laß dich nicht einfangen."
Felicia erzählte uns eine Scientologen-Anekdote: Es gab einmal einen

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Mann, der als Schrecken aller Auditoren galt. Er reiste durchs Land und ließ sich in den verschiedenen Orgs auditieren. Er machte keinen einzigen Fortschritt. Er war wohlhabend und verbrachte viel Zeit damit. Es machte ihm geradezu Spaß, jeden Versuch, ihn zu heilen zu vereiteln. Schließlich tauchte er auch in der New York Org auf, nachdem er anderswo entmutigte Auditoren reihenweise zurückgelassen hatte. Er wurde sofort an den geschicktesten Auditor verwiesen, den sie hatten. Nach drei mühseligen Tagen stand dieser Auditor auf, streckte ihm die Hand entgegen und sagte: "Ich gratuliere! Sie sind nun ein Grad 0 Communication Release. Sie können jetzt mit jedermann zu jeder Zeit über alles sprechen!"
Worauf der Mann ihn ruhig ansah und sagte: "Leck mich am Arsch!"

Die Scientology-Erleuchtung

DINGE sind, weil du denkst, daß sie sind.
L. RON HUBBARD

Ich verließ das Penthouse im Zustand der Euphorie. Im Dunst vor mir lag der Broadway wie ein großes freundliches Dampfbad. Die sanfte Schönheit der Gegend ließ mich daran zurückdenken, wie häßlich sie mir noch vor wenigen Monaten vorgekommen war. Jetzt konnte ich, meiner selbst sicher, Pläne schmieden und träumen; bei einem einsamen nächtlichen Spaziergang war die beste Gelegenheit dazu. Nachdem ich meine inneren Konflikte unterdrückt hatte, sah ich die Welt rosarot. Der Clear-Prozeß würde alles in Ordnung bringen, hoffte ich. Bis jetzt hatte das Auditieren mich noch nicht von meiner Brille, von kleineren Beschwerden und Schmerzen und meinem unverständlichen Hang zum ausschweifenden Leben befreit. Ich erwartete, daß diese weltlichen Schwächen bei Grad V oder VI, spätestens im Clear-Prozeß verschwinden würden.
Die Vorfreude auf das kommende Abenteuer an sich war schon Lebenszweck genug. Der Begriff Clear hatte für mich eine klare und helle Qualität, und die glorreichen Mysterien, die ich als Vorspiel dazu erwartete - die geheimen Offenbarungen im Verlauf des Clear-Prozesses - waren von geradezu sinnlicher Natur. Meine letzte Considerationen (= falsche Meinungen) würden letzten Endes aus meinem Kopf hervorbrechen wie ein Orgasmus, und mir vollkommene Erleichterung bringen. Nachdem ich "den Dampf aus meinem Bewußtsein abgelassen hatte", wie es in den Werbeschriften

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hieß, würde ich nach New York zurückkehren, vollkommen gesund, mit ungehemmter Willenskraft und Lebensfreude ohne Neurosen, mit der geistigen Beweglichkeit um alle Schwierigkeiten zu überwinden. Kurz: ich würde im Besitz aller Qualitäten sein, deren Fehlen bisher die Ausführung meiner Pläne verhindert hatte.
Pläne blubberten in meinem Kopf wie Quellwasser. Ich würde eine Konzert-Karriere beginnen, reich werden, meine Investitionen an der Börse würden mir bis zum nächsten Winter so viele Mittel verschaffen, daß ich im Großen spekulieren könnte. Das und ein System für das Pferdetoto sollten mein Vermögen zu einer sechsstelligen Summe steigern.
Oder ich könnte Auditor werden. Wenn ich den Spezialkurs belegte, konnte ich in einer Woche eine befreundete Familie auditieren und sie zur Release der unteren Grade bringen. In die Staaten zurückgekehrt, konnte ich mit Freunden in verschiedenen Städten ebenso verfahren. Ich würde reisen. Die ganze Welt, all die nie auditierten Seelen warteten nur darauf, meine Beute zu werden. Sie auditieren zu können, würde die letzten offenen Fragen meines Lebens lösen. Dadurch würde mein Wunsch, anderen Menschen zu helfen, sie zu belehren und zur Wahrheit zu führen, befriedigt werden können. Für sie würde ich bald die Autorität sein. Wenn ich bei der Scientology-Bewegung bleiben würde, dann würde ich in einem Monat mehr Anerkennung finden, als in zehn Jahren als Musiker. Ein Clear oder OT war fast gottgleich. Allerdings würde ich in der Gefahr schweben, meine neue Macht auszunutzen, um andere zu beherrschen. Deshalb wäre ich verpflichtet, einen mittleren Kurs zu steuern, weder meinen hohen Rang auszuspielen noch ein falscher Heiliger zu sein - eine angenehme Aufgabe.
In letzter Zeit hatte ich nicht selten Geralds Schmeicheleien, seine ständigen Wiederholungen, seine einstudierte Höflichkeit, nachgeahmt. Ich war mir dessen bewußt; aber es bewirkte, daß sich meine Mitmenschen wohlfühlten, und die Absicht war altruistisch. Außerdem half es mir. Ein Altruist oder ein Opportunist zu sein, das lag ohnehin dicht beieinander. Irgendwie glaubte ich, beides sein zu können. Mir ging es nur um die Möglichkeit, andere zu clearen und zu auditieren, sonst hatte ich mit der Scientology nichts im Sinn. Ich hatte mich für sie als Mittel der Selbstbefreiung nur entschieden, weil das so schnell und leicht zu erreichen war. Ich wollte die Scientology ausnützen, so gut es nur ging. Wie ich es von Gerald vermutete, wollte ich sie meinen eigenen Zwecken dienstbar machen; andere Scientologen verhielten sich nicht anders.
Ich nutzte Gerald und Felicia aus. So schmeichelhaft es für mich war,

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daß Gerald mich eingeladen hatte, mit ihm in der Agentur zu arbeiten, sein Partner zu werden, so hatte ich ihm doch nie verraten, daß ich dort nur auditieren wollte, wenn ich damit genug Geld verdienen konnte und wenn mir Zeit genug für andere Dinge blieb. Ebenso hatte ich verschwiegen, daß ich vielleicht eines Tages beschließen würde, die Scientology ganz zu verlassen.
Selbstverständlich wollten auch sie mich ausnutzen. Bei meinem großen Bekanntenkreis würde ich der Agentur viele Patienten einbringen. Ich war ein Teil ihres eigenen Planes, reich zu werden. Angestellte Auditoren mußten für Kuli-Löhne arbeiten, für zehn Prozent der Einnahmen. Wer die eigentliche Arbeit tat, war nur ein Werkzeug der Org oder der Agentur. Bei mir würden es meine Freunde besser haben, aber um wieviel? Ich wollte zu ihnen nicht unfair sein. "Leute ausnutzen", das war nur falsch, wenn nur eine Seite den Nutzen davon hatte; aber nicht, wenn alle Beteiligten genau das taten, was sie wollten, ohne Schuldgefühle und ohne anderen zu schaden. Es mußte so etwas wie "erleuchteten Egoismus" geben; es war wie ein Spiel.
Mit diesen Gedanken meinte ich, das innere Wesen der Scientology erfaßt zu haben. Ich war zur Vision meiner eigenen Wahrheit durchgestoßen; und in einer blitzartigen Erleuchtung, einer sogenannten scientologischen Erkenntnis, sah ich ihre ganze Schönheit: man erschuf seine eigene Wahrheit - mit ein wenig Hilfe von Ron.
Quälend dicht stand ich vor der äußersten Möglichkeit: selbst ein Schöpfer zu sein. Fast war ich schon soweit, nur wenig fehlte noch. Noch immer hielt mich etwas zurück, so war es immer gewesen: Es war der reaktive Geist. Sobald er besiegt sein würde, könnte ich zurückkommen und alle Dinge tun, die ich mir schon immer gewünscht hatte.

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