Zum anderen stehen Kirchen und Religionsgemeinschaften unter dem Schutz des Grundgesetzes, dessen Artikel 4 und 140 Glaubens- und Bekenntnisfreiheit gewähren und es dem Staat untersagen, sich in die inneren Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften einzumischen. Anders dagegen Wirtschaftunternehmen: Sie unterliegen vielfältiger staatlicher Kontrolle, beispielsweise Buchführungsvorschriften, müssen ihre Bilanzen veröffentlichen, unterliegen der Gewerbeaufsicht, haben Tarifverträge zu beachten und müssen Gewerbesteuer zahlen.
Es ist daher für die Scientologen sehr günstig, sich als "Religionsgemeinschaft" zu verkaufen. kWährend ein gewerbliches Unternehmen wegen Wettbewerbsverstößen angegriffen werden kann, Abmahnungen und Strafgelder riskiert, können die Scientologen mit geheuchelter Empärung von angeblicher "Religionsverfolgung" sprechen.
Eine Organisation wird aber nicht dadurch zu Kirche, daß sie sich so nennt. Der Begriff "Kirche" ist nicht geschützt. Auch ein einschlägiges Etablissement auf St. Pauli könnte ein Schild "Kirche" über dem Eingang anbringen und seine Dienstleistungen als "Gottesdienst" bezeichnen - niemand könnte es untersagen. Für die rechtliche Bewertung kommt es grundsätzlich nicht auf das Etikett an, sondern auf den Inhalt. Dies auseinanderzuhalten, ist jedoch schwierig, wenn in Dienststellen oder bei Gerichten keine ausreichenden Informationen verfügbar sind. Generell besteht aber inzwischen Einigkeit darüber, daß die Filialen des Scientology-Konzerns als Wirtschaftsunternehmen anzusehen sind.
Ein ehemaliger hauptberuflicher Mitarbeiter der "Scientology
Church" sagt dazu:
"Die Organisationsstruktur des
Scientology Konzerns läßt sich am ehesten mit einer
Militärdiktatur vergleichen."
"Religiöse Aspekte
finden sich ganz am Rande, mehr mit Unterhaltungswert oder als
Alibifunktion."
Auch die Bundesregierung (Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen
und Gesundheit) ist bei einer diesbezüglichen Anfrage vom Oktober 1990
in ihrer Antwort vom 23. 10. 1990 eindeutig:
Die Bundesregierung
ist der Auffassung, daß die "Scientology-Sekte" weder eine
Religionsgemeinschaft noch eine Weltanschauung ist und sie sich deshalb
auch nicht auf das Grundrecht des Artikel 4 Absatz 1 u. 2 des Grundgesetzes
in Verbindung mit Artikel 137 WRV berufen kann."
In die gleiche Richtung geht ein von Prof. Dr. Badura, Universität
München, erstelltes Gutachten:
"Scientology ist keine
Religionsgemeinschaft. Auch dafür, daß Scientology eine
Weltanschauungsgemeinschaft ist, fehlen hinreichende Anhaltspunkte. ... Die
entgeltliche Vermittlung von Leistungen und die Werbung für diese
Leistungen sind vorherrschend. Das ändert sich nicht dadurch, daß
diese Leistungen ihrerseits philosophische und weltanschauliche
Erklärungen einschließen."
Zum gleichen Ergebnis sind zahreiche Experten in einer Anhörung des Bundestagsausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft im Jahre 1992 gelangt. Die tatsächlich untergeordnete Bedeutung des religiösen Aspektes läßt sich auch daraus schließen, daß Scientology nach eigenen Angaben nichts dagegen hat, wenn ihre Mitglieder sich als Christen oder Angehörige anderer Religionsgemeinschaften ausgeben.